Vitamin K2. Josef Pies

Vitamin K2 - Josef Pies


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Zähnen, sodass diese um das knappe Platzangebot konkurrieren müssen und sich teilweise voreinander schieben.

      Heute lassen sich solche Vergleichsstudien kaum noch anstellen, weil es so gut wie keine ursprünglichen Naturvölker mehr gibt. Auffällig ist hingegen, dass es heute kaum noch Kinder ohne Zahnfehlstellungen gibt, die mit teuren und aufwendigen KFO-Geräten (Spangen) korrigiert werden müssen.

      Was nun hat all das aber mit Vitamin K zu tun? Price erkannte, dass der modernen Nahrung wie Weißmehl, raffiniertem Zucker, Pflanzenfetten, Dosenkonserven usw. etwas fehlen muss, was für die modernen Krankheiten sowie Karies und Zahnfehlstellungen verantwortlich ist. Zwar vermutete er einen fettlöslichen Faktor, konnte ihn aber nicht identifizieren. Deshalb nannte er ihn einfach Aktivator X (Price 2011).

      Unter anderem stellte er fest, dass die traditionelle Nahrung der gesunden Naturvölker viermal mehr Mineralstoffe und wasserlösliche Vitamine und zehnmal mehr fettlösliche Vitamine enthielten als industrielle Nahrung. Damals waren erst zwei fettlösliche Vitamine bekannt, nämlich Vitamin A und Vitamin D. Price war davon überzeugt, dass es sich bei dem Aktivator X ebenfalls um einen fettlöslichen Stoff handelt, der bei vielen lebenswichtigen Funktionen eine Rolle spielt. Durch seine Versuche stellte er fest, dass vor allem Fischeier, Eidotter und Innereien reich an diesem Aktivator X sind.

      Vor allem Butter aus Milch von mit grünem, schnell wachsendem Gras gefütterten Kühen enthält hohe Mengen von Aktivator X. Aus einer Mischung eines solchen Butterfetts und Lebertran stellte Price dann ein Öl her, das reich an Aktivator X war. Damit behandelte er kariöse Zähne und sogar schlecht heilende Knochenbrüche, indem er seinen Patienten die Einnahme dieses Öls verordnete. Nachdem wir heute wissen, dass Vitamin K2 eine Schlüsselrolle beim Knochenbau spielt, überrascht uns dieser Erfolg nicht besonders.

      Price erkannte, dass der modernen Nahrung etwas fehlen muss, was für die modernen Krankheiten verantwortlich ist: Aktivator X alias Vitamin K2.

      Mit unserem heutigen Wissen wird verständlich, warum ein durch die starke industrielle Bearbeitung von Lebensmitteln verursachter Mangel an Vitamin K2 zu fehlerhafter Knochenbildung und zu Karies führt (vgl. Kapitel Die Bedeutung von Vitamin K2 für gesunde Knochen sowie Die Bedeutung von Vitamin K2 für die Zahngesundheit).

      Price stellte damals auch bereits einen Zusammenhang zwischen den Jahreszeiten, der Grasfütterung von Nutztieren und der Herzinfarktrate fest.

       Ironie der Geschichte: 2007 wird Aktivator X als Vitamin K2 identifiziert

      Jahrzehntelang wurde vergeblich versucht, diesen Aktivator X zu identifizieren, bis dies 2007 endlich gelang (Masterjohn 2009). Auch wenn Price den Zusammenhang noch nicht erkennen konnte, bemerkte er schon damals, dass die moderne Ernährung nicht nur zu schlechten Zähnen, sondern auch zu einer Zunahme von Herzerkrankungen führte. Heute liegt der Zusammenhang auf der Hand: Ein Mangel an Vitamin K2, dem Aktivator X von Price, führt zur Entkalkung von Zähnen und Knochen und zu einer Verkalkung von Blutgefäßen, z.B. solchen, die das Herz mit Sauerstoff versorgen. Als Folge davon faulen die Zähne, die Knochen brechen und die Adern verstopfen.

      Es ist, so Masterjohn (2009), eine Ironie der Geschichte, dass Price die Bedeutung von Vitamin K2 (als Aktivator X) für den Kalziumhaushalt, das Nervensystem und das Herzkreislaufsystem schon entdeckte, bevor sich die Wissenschaft sechs Jahrzehnte später damit beschäftigte. Andererseits hatten Wissenschaftler die chemische Struktur des Aktivators X (als Vitamin K2) schon lange entschlüsselt (McKee et al. 1939), bevor Price ihn postulierte. Dabei hatte Price sogar die gleiche Nachweismethode (Jodometrie) für Aktivator X angewandt, die für den Nachweis von Chinonen, zu denen auch Vitamin K2 gehört, benutzt wurde (Willstätter und Majima 1910). Allerdings fand das erst 1972 Eingang in die englischsprachige Literatur (Glavind 1972). Deshalb erkannte Price noch keinen Zusammenhang und 1972 hatte man seinen Aktivator X schon längst wieder vergessen.

Aktivator X Vitamin K2
In Butterfett von Säugetiermilch, Fischeiern, Tierorganen und tierischem Fett vorhanden In Butterfett von Säugetiermilch, Tierorganen und tierischem Fett vorhanden; in Fischeiern
Wird im Tiergewebe, einschließlich Milchdrüsen, aus einem in schnell wachsendem grünem Gras befindlichen Vorläufer hergestellt Wird im Tiergewebe, einschließlich Milchdrüsen, aus Vitamin K1 hergestellt, das im Chlorophyll grüner Pflanzen im Verhältnis zu ihrer Photosyntheseaktivität vorkommt
Der Gehalt dieses Vitamins in Butterfett ist proportional zu dessen Reichhaltigkeit an Farbe (gelb oder orange) Der Vorläufer steht in direktem Bezug zu Betakarotin, das Butterfett seine gelbe oder orange Farbe verleiht
Setzt zweiatomiges Jod aus Jodwasserstoffsäure frei Setzt zweiatomiges Jod aus Jodwasserstoffsäure frei
Wirkt synergistisch mit Vitamin A und D Aktiviert Proteine, die Zellen durch Vermittlung von Vitamin A und D bilden
Spielt eine wichtige Rolle bei der Fortpflanzung Wird in großen Mengen in den Fortpflanzungsorganen aus Vitamin K1 gebildet und von ihnen bei Vitamin-Karmer Ernährung bevorzugt gespeichert; die Funktion eines Vitamin-K2-abhängigen Proteins der Spermien ist noch unbekannt
Spielt eine Rolle beim Wachstum von Kindern Trägt zum Wachstum von Kindern und Jugendlichen bei, indem es die vorzeitige Verkalkung der knorpeligen Wachstumszonen der Knochen verhindert.

      Identifizierung des Aktivators X als Vitamin K2 (Masterjohn 2009)

      Für das Verständnis der folgenden Kapitel ist es hilfreich, einige Begriffe, Namen und Bezeichnungen besser zu verstehen. Unter dem Begriff Vitamin K fasst man beispielsweise verschiedene strukturverwandte Moleküle (fettähnliche Naphthochinonderivate) zusammen, die nur in Eubakterien (Bakterien und Cyanobakterien) und Pflanzen hergestellt werden, wo sie zur Elektronenübertragung bei der Energieumwandlung fungieren. Als Fänger freier Radikale unterstützen sie außerdem das Redoxgleichgewicht in Zellen (vgl. Oldenburg et al. 2008). Im Tierreich hingegen fungiert Vitamin K als Cofactor für das Enzym Gamma-Carboxylase. Auch hier übernimmt es den Elektronentransport. Als gemeinsames Grundelement besitzen die Vitamin-K-Varianten einen sogenannten Naphthochinonring mit unterschiedlichen Seitenketten.

      In Pflanzen und Bakterien dient Vitamin K der Energiegewinnung, beim Menschen sorgt es für die Aktivierung von Proteinen.

      Insgesamt unterscheidet man bis zu vierzehn K-Vitamine. Auch wenn uns hier nur die physiologisch wichtigen Vitamine K1 und K2 interessieren, wollen wir die Begriffsgruppe etwas näher beleuchten.

      Vitamin K1 ist das mit Abstand am besten untersuchte K-Vitamin. Es hat eine Phytylgruppe als Seitenkette. Alternative Bezeichnungen für Vitamin K1 lauten Phyllochinon, Phytonadion, Phytomenadion (= von der Weltgesundheitsorganisation vergebener internationaler Freiname (INN) oder generischer gemeinfreier Name); 2-Methyl-3-phytyl-1,4-naphthochinon; 2-Methyl-3-(3,7,11,15-tetramethyl-2-hexadecenyl)-1,4-naphthalendion; 2-methyl-3-[(2E)-3,7,11,15-tetramethylhexadec-2-en-1-yl]naphthoquinone (= von der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) vergebener Name). Im Englischen lauten die Bezeichungen etwas anders, nämlich phylloquinone, phytonadione und phytomenadione usw.

      Vitamin K1 kommt in grünen Pflanzen vor. Diese gewinnen ihre Energie mittels Photosynthese aus dem Sonnenlicht. Das geschieht mithilfe des grünen Farbpigments Chlorophyll. Dabei übernimmt Vitamin K1 die Aufgabe, Elektronen zu transportieren. Der Wortteil phyll des griechischen Wortes für „Blatt“ trägt dem Vorkommen von Vitamin K1 alias Phyllochinon in grünen Pflanzen Rechnung. Besonders hohe Konzentrationen findet


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