Moderne Tauchmedizin. Kay Tetzlaff

Moderne Tauchmedizin - Kay  Tetzlaff


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Datenbasis erheblich sein muss, um Aussagen mit statistischer Signifikanz machen zu können, beschränkt sich diese Methode mit einigen Ausnahmen auf Standardtauchprofile.

      4.2.5 Regelbasierte Modelle

      Langzeitexposition

      Die Dekompressionsvorschriften einiger Tauchgruppen für den Bereich der Langzeitdekompression (bis zu 20 Stunden) beruhen zum großen Teil auf Regeln, die empirisch iterativ ermittelt wurden.

      Deep-Stop-Methode nach Pyle

      Die Deep-stop-Methode nach Richard Pyle stellt ein weiteres Verfahren dar, tiefe Dekompressionsstopps zu bestimmen. Dabei handelt es sich um kein eigenständiges Dekompressionsmodell, sondern lediglich um die Bestimmung von tiefen Stopps zusätzlich zu den (von einem gängigen Dekompressionsmodell) geforderten Dekompressionsstopps. Der erste zusätzliche tiefe Stopp liegt auf der Hälfte zwischen maximaler Tauchtiefe und erstem geforderten Dekompressionsstopp und dauert 2–3 min. Beträgt die Distanz vom ersten tiefen Stopp zum geforderten Dekompressionsstopp mehr als 10 m, wird auf der Hälfte ein weiterer Tiefenstopp (Verweilzeit von 2–3 min) eingefügt. Dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis die Distanz zum ersten geforderten Dekompressionsstopp kleiner als 10 m ist.

      Kompaktinformation

      In allen Dekompressionsmodellen gibt es freie Parameter, deren Koeffizienten lediglich experimentell bestimmt werden können. Daher bilden aufwändige klinische Tests die Grundlage aller Modelle. Die Validierung der gemachten Annahmen ist Voraussetzung dafür, Dekompressionszwischenfälle auf ein vertretbares Restrisiko zu reduzieren. Eine hundertprozentige Sicherheit zur Vermeidung von Dekompressionszwischenfällen kann Jedoch keines der Modelle gewähren. Generell können Dekompressionsphänomene nur näherungsweise modelliert werden. Das Optimum wäre dabei sicherlich eine individuell auf den einzelnen Taucher zugeschnittene Dekompressionsvorschrift.

      Der Nachteil dieser Methode ist zum einen, dass sie keinerlei wissenschaftliche Grundlage birgt. Zum anderen wird nicht das gesamte Tauchgangsprofil in Betracht gezogen, so dass keine optimalen Stopptiefen errechnet werden können. Im Bereich der flacheren Stopptiefen befindet sich der Taucher immer noch sehr nahe an der kritischen Übersättigung. Zusätzlich können Wiederholungstauchgänge nicht berücksichtigt werden.

      4.3 Dekompressionsplanungshilfen

      Die in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Modelle und Algorithmen haben in unterschiedlichster Form Anwendung zur Berechnung von Kompressionsdaten gefunden. Grundsätzlich haben sich drei Formen etabliert: Aufgrund ihrer einfachen Bedienung und Handhabung werden im Sporttauchbereich hauptsächlich Tauchcomputer eingesetzt. Im Bereich des wissenschaftlichen und Berufstauchens wird maßgeblich auf Dekompressionstabellen zurückgegriffen, wohingegen im Bereich Technisches Tauchen/Mischgastauchen die Planung der Dekompression durch Softwareprogramme und Erfahrung geschieht.

      4.3.1 Dekompressionstabellen

      Je nach Anwendungsgebiet und Spezialisierung gibt es inzwischen eine Vielzahl unterschiedlicher Dekompressionstabellen und dazugehöriger Regelwerke, die sich zum Teil in den dort berechneten Dekompressionsvorschriften erheblich unterscheiden. Unverkennbar ist allerdings der Trend zu konservativeren (längeren) Gesamtdekompressionsforderungen. Alle Dekompressionstabellen basieren auf der Berechnung eines Rechteckprofils für den Tauchgang. Es wird angenommen, dass der Taucher bis zum Aufstieg auf der Maximaltiefe verweilt. In der Praxis wird jedoch oft in Form so genannter Multilevel-Tauchgänge mit wechselnden Tauchtiefen getaucht und die Verweilzeit auf der Maximaltiefe ist dabei meist wesentlich kürzer als die Gesamttauchzeit. Die Annahme eines Rechteckprofils liefert daher oft eine Überschätzung der tatsächlichen Verweilzeit auf maximaler Tauchtiefe, so dass Austauchtabellen bei realen Tauchgängen oft ein hohes Maß an Sicherheit beinhalten.

      Beim Vergleich verschiedener Austauchtabellen ist zu beobachten, dass sich die Gesamtdekompressionsforderung für vergleichbare Tauchprofile in den letzten Jahren erhöht hat und die Dekompressionsprofile deutlich tiefenorientierter sind. Moderne Tabellen fordern einen deutlich tieferen ersten Dekompressionsstopp als noch vor einigen Jahren. Zudem erkennt man, dass je nach Anwendungsgebiet die Dekompressionsforderungen oft weit auseinander liegen. So zeichnen sich Tabellen, die für militärische Anwendungen berechnet wurden, in der Regel durch minimale Dekompressionsforderungen aus. Dies liegt zum einen an der Zielgruppe, die sich durch hohe körperliche Leistungsfähigkeit auszeichnet, zum anderen aber auch an der Tatsache, dass lange Dekompressionszeiten militärischen Anforderungen oft hinderlich sind. Im Gegensatz dazu sind Tabellen, die für Arbeitstaucher entwickelt wurden, oft durch lange Dekompressionsstopps gekennzeichnet, da Arbeitsleistung zu vermehrter Inertgasaufnahme führt.

      4.3.2 Tauchcomputer

      Mit der Entwicklung und Miniaturisierung von Mikroprozessoren nahm auch die Entwicklung von Dekompressionscomputern ihren Lauf. Bereits 1980 waren erste Modelle verfügbar. Moderne Tauchcomputer zeichnen sich vor allem durch ihre Vielseitigkeit aus. Sie berechnen bei Multilevel-Tauchgängen die Dekompressionsforderung exakt am zugrunde liegenden Tauchprofil und bieten einen Tauchgangsplanungsmodus, bei dem im Vorfeld die Dekompressionsforderung abgeschätzt werden kann, was besonders bei der Durchführung von Wiederholungstauchgängen hilfreich sein kann. Tauchcomputer mit adaptiven Dekompressionsmodellen sind in der Lage, die Dekompressionsforderung an Umwelteinflüsse wie Arbeit unter Wasser, Kälte, hoher Luftverbrauch oder die Durchführung eines Risikotauchprofils anzupassen. Einige Tauchcomputervarianten bieten die Möglichkeit, Atemgaswechsel in situ mit in die Berechnungen einzubeziehen. Zusätzlich verfügen moderne Tauchcomputer über Logbuchfunktionen und die Möglichkeit, Tauchgangsdaten auf den PC zu übertragen und dort zu visualisieren (Abb 4.7).

      Abb. 4.7: Moderne Dekompressionscomputer berechnen nicht nur Dekompressionspläne. Durch die Integration der Gasverbrauchsberechnung kann auch adaptiv auf Umgebungseinflüsse reagiert werden (Fa. MARES, Feldkirchen)

      4.3.3 Dekompressionssoftware

      Moderne Dekompressionssoftware ist eine wertvolle Hilfe bei der Planung komplexer Dekompressionsabläufe (Abb 4.8). Kommen neben komplexen Profilen auch noch mehrere Atemgase als Grundgemische und verschiedene Dekompressionsgase zum Einsatz, können unterschiedliche Dekompressionspläne berechnet und verglichen werden. Die Simulation von Tauchgängen unter verschiedenen Randbedingungen ist ein wichtiges Hilfsmittel, um eine optimale Strategie für den Tauchgang zu entwerfen. Dabei ist die Planung von Notfallszenarien ein wichtiger Bestandteil. Oft bieten die Programme dem Benutzer eine Vielzahl von Eingriffsmöglichkeiten in die Modellparameter, setzen aber damit fundierte Kenntnisse in der Modelltheorie voraus. Häufig sind Dekompressionsplanungsprogramme mit Tabellengeneratoren ausgerüstet, die die Möglichkeit besitzen, ganze Dekompressionstabellen zu berechnen (Abb 4.9). Aufgrund der verfügbaren Rechenleistung bietet sich die Möglichkeit, mathematisch komplexe Algorithmen zur Berechnung heranzuziehen. Die Möglichkeit zur Visualisierung von Tauchprofilen ist ebenfalls gegeben.

      Abb. 4.8: Software zur Dekompressionsplanung mit guter grafischer Oberfläche

      Abb. 4.9: Dekompressionsplanung mit Hilfe von Software. Die Ausgabe der Informationen erfolgt hier in Textdateien, die sich einfach und leicht weiterverarbeiten lassen

      4.4 Dekoprofile

      Die Qualität der Dekompression hängt nicht nur von der Gesamtdekompressionszeit ab, sondern entscheidend auch vom Dekompressionsprofil und dem Verhalten des Tauchers während der Dekompression. Abbildung 4.10 zeigt die Dekompressionsforderung unterschiedlicher Dekompressionsmodelle für ein- und denselben Tauchgang. Alle aufgezeigten Modelle sind praxiserprobt und zeichnen sich nicht durch eine signifikant höhere DCS-Zwischenfallrate aus. Vergleicht man die Dekompressionsprofile, liegen die Diskrepanzen sowohl in der Gesamtdekompressionsforderung als auch in der Tiefe des ersten Dekompressionsstopps. Keines der Profile ist hierbei als Risikodekompressionsprofil zu werten.


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