Problemzone Ostmann?. Ellen Händler
an einem der nächsten Wochenenden nach Österreich gefahren.
Abgesehen von Dienstreisen, die wir machten, haben wir privat so große Reisen in der DDR nicht gemacht, bis auf eine ganz große Reise mit meiner ersten Familie: Wir fuhren mit dem Pkw und einem Campinganhänger mit unseren drei Töchtern bis nach Jerewan. Das war ein Angebot vom DDR-Reisebüro. Leider mussten wir für drei Tage ins Krankenhaus. Da haben sie für uns eine ganze Station freigeräumt. Als wir wieder raus waren, brauchten wir eine neue Marschroute, weil ja die Übernachtungen um diese drei Tage verschoben waren. Das war und bleibt ein unvergessliches Erlebnis!
Wir haben in der Kirche im Unterschied zu nichtkirchlichen Berufen im Osten wenig Geld bekommen. Wir kamen finanziell mühsam über die Runden. Nach der Wende stieg das Pfarrgehalt schnell an, aber das von den Mitarbeitern blieb relativ niedrig. So liegt zum Beispiel mein Ruhegehalt dreimal höher als das meiner Frau. Während sie gearbeitet hat, war es besser, aber ihre Rente ist ziemlich gering.
Unterschiede zwischen Ost- und Westmännern fallen mir keine ein. Jedenfalls zu den Männern, die ich näher kenne. Ich weiß aber, dass ich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in der DDR viel mehr reflektiert habe, als ich dies im Westen getan hätte. Wir mussten uns immer überlegen, unter welchen Voraussetzungen wir in der Kirche arbeiten und wo wir Ansätze oder Wege zu einem Gespräch finden können. Wie kommen wir mit den staatlichen Vertretern zurecht? Das nahm mich alles sehr in Anspruch. Wir sind in der Kirche zum Dienst erzogen worden, nicht zur Karriere, auch nicht, um vielleicht Bischof zu werden. Es geht darum, Verantwortung wahrzunehmen. Unterschiede zwischen Ost und West bestanden wie gesagt im Einkommen. Nach der Wende habe ich keine Akzeptanzprobleme von westlichen Kollegen in der Kirche verspürt. Sie bestanden wohl in der Verwaltung, nicht aber in der eigentlichen Arbeit. Durch die wieder gesetzliche Kirchensteuer kam es zu vielen Austritten. In der DDR zahlte man einfach die Kirchensteuer nicht, und so ruhte mehr oder weniger die Kirchenzugehörigkeit. Es sei denn, man wurde in gewissen Berufen zum Austritt gezwungen.
Als ich 1995 in den Ruhestand ging, engagierte ich mich weiter mit Vertretungen. 1996 begann ich im Kreisseniorenbeirat mitzuarbeiten und wurde ein Jahr später für zehn Jahre dessen Vorsitzender, war später auch einige Jahre einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Landesseniorenrates. So waren die jährlichen Seniorenwochen zu organisieren. Für die Eröffnungsveranstaltung im Kreis suchten wir Kontakt zum Theater. Dort wurde gerade das Seniorentheater gegründet. Und da machte ich gleich mit. Bis heute bin ich dabei. Abgesehen von eigenen Stücken waren wir Statisten in Faust I und II und sind mit auf Theaterreisen gegangen, unter anderem bis Südtirol.
In meinen letzten Dienstjahren habe ich das Bibliodrama entdeckt und an einigen dieser Kurse teilgenommen. Da ging es zum Beispiel darum, was unter dem Wort ›Engel‹ bei uns zum Laufen gebracht wird. Oder in einem anderen Kurs zum Vaterunser. Im großen Tagungsraum hingen an den Wänden und Türen große Blätter, auf denen immer ein Wort des Vaterunser stand. Und wir sollten uns zu einem dieser Wörter, die uns etwas sagen, stellen. Ich wählte das Wort Schuld für mich und arbeitete so meine Scheidung mit meiner ersten Frau und die darum rankenden Probleme auf.
Bei einem 14-tägigen Polnisch-Kurs in Krakau lernte ich die Studentin L. kennen, die Geschichte studierte und mit der ich heute noch nach fast 20 Jahren gut befreundet bin. Von den fast 60 Teilnehmern waren die meisten Studierende. Mit L. habe ich zwei Wochenendseminare mit deutschen und polnischen Senioren durchgeführt. Das erste in Kreisau zum Thema »Flucht und Vertreibung – können wir darüber reden«. Dass das ging, hat mich sehr beeindruckt. Ich werde das nicht vergessen. L. ist inzwischen schon lange Geschichtslehrerin.
Zur Gleichberechtigung: Die Hausarbeiten haben wir uns im Großen und Ganzen geteilt, je nach dem, was zu tun war. Kochen ist allerdings nicht mein Ding, kann ich aber, wenn es sein muss. Ich habe die Kinder ins Bett gebracht, wenn es sein musste, oder unsere kleine Tochter getröstet, als sie Schmerzen beim Zahnen hatte, oder auch sonst. Die Großen halfen bei der Hausarbeit viel mit. Ebenso war ich beim Putzen mit dabei. Die Kinder in meiner ersten Familie gingen nicht in den Kindergarten. Das war uns zu ideologisch. Anders in der zweiten.
Nach der Wende bauten wir für den Ruhestand ein eigenes Haus, in dem wir 25 Jahre lebten. Jetzt sind wir in die Stadt in eine Mietwohnung gezogen, wegen des Alters, haben das Haus verkauft und sind froh, keinen Garten mehr zu haben. Wichtig ist, glaube ich, dass wir uns als Eheleute gegenseitig viel Eigenständigkeit gewährt haben. So zum Beispiel machte ich die meisten mehrtägigen Radtouren, etwa zwölf an der Zahl, allein. Meine weiteste Fahrt war die an der Donau entlang von Wien bis hinter das Eiserne Tor in Rumänien, 2010. Die letzte weite Radtour führte von Danzig nach Riga, das war 2017, die aber zusammen mit meiner Frau und einem Dutzend weiterer Teilnehmer. Meine Frau dagegen ging zu Fuß den Camino-Weg*, zweimal, auf verschiedenen Übergängen von der spanischen Grenze bis Santiago de Compostela und in jährlichen Abschnitten von 14 Tagen von Görlitz über Eisenach bis Genf. Mit dem Fahrrad war auch ich auf dem Camino nach Santiago unterwegs, allerdings erst ab Burgos, und ich habe sie im letzten Abschnitt eingeholt. Wir machen auch sonst so manche Reise allein oder in einer anderen Gruppierung. So war sie in den USA, auf einer Dienstreise mit anderen Kolleginnen und Kollegen. Neben gemeinsamen Hobbys haben wir jeder unsere eigenen, das Gleiche gilt für Freundschaften. Ganz wichtig ist für mich das Lesen. Wir haben jeder unser eigenes Konto, sie übernimmt im Wesentlichen die Lebensmittel und ihre normalen Bedürfnisse, ich alles andere: Miete, Versicherung, die größeren Anschaffungen, Auto- und Urlaubskosten usw.
Im letzten Jahr hatte es mich leider erwischt. Ich hatte Darmkrebs. Während der OP erlitt ich einen Schlaganfall. Der Krebs konnte gut operiert werden. Vom Schlaganfall ist eine gewisse Beeinträchtigung zurückgeblieben, vor allem im rechten oberen Gesichtsfeld, sodass ich nicht mehr Auto fahren kann. Aber ich kann wieder einige Kilometer wandern und aufs Ganze geht es mir gut, wirklich gut.
Radio-Kassettenrecorder KR 2000
Hersteller: VEB Sternradio, Berlin
Design: Andreas Dietzel/Michael Stender/M. Marschhauser, 1987
Spiegelreflex-Kamera Practica „BX-20“
Hersteller: Kombinat VEB Pentacon, Dresden
Design: Manfred Claus und Reinhard Voigt
2. Die Arbeit ist für den Ostmann Sinn des Lebens, ein kulturelles Gut und nicht nur Mittel zum Geldverdienen. Der Betrieb war für ihn Lebensmittelpunkt. Aufgrund der Mangelwirtschaft lernte er gut zu improvisieren. Der Verlust von Arbeit führte zu Brüchen männlicher Identitäten.
Ralph, Jahrgang 1952 | 2 Kinder, verheiratet in erster Ehe
Ost: Diplomingenieurarchitekt, West: Diplomarchitekt
Szenenbildner beim DDR-Fernsehen
Heute sehe ich
die Plattenbauten positiv
In Eichwalde bin ich geboren, wo ich jetzt wieder wohne. Ich hatte als kleiner Junge eine glückliche Kindheit, denn da gab es noch die Oma, die wohnte im Haus und hat mich, weil beide Eltern berufstätig waren, tagsüber betreut. Teilweise war ich im Kindergarten. Das war okay. Mir ist ein Großteil der Krippe und Kindergartenzeit erspart geblieben. Oma starb, als ich neun Jahre alt war, da war dann alles anders. Ich bin Gott sei Dank Einzelkind und nach der Schule allein zu Hause geblieben – obwohl es den Hort gab, aber das brauchte ich nicht. Ich spielte in unserem Einfamilienhaus mit Garten, baute Höhlen, machte Lagerfeuer und fühlte mich wohl. Helfen im Haushalt musste sein, weil die Eltern erst abends nach Hause kamen. Bis heute bin ich Einzelgänger.
Mein Vater war Prüfer bei der Investitionsbank, also kaufmännisch tätig, später arbeitete er leitend im Berliner Glühlampenwerk und im Haus der Elektrotechnik. Meine Mutter war Sekretärin in einer privaten Chemiefirma. Das war eine wirtschaftlich gute Position mit gutem Geld. Sie hat immer gearbeitet, halbtags, bis zur Rente.
Ich habe Abitur gemacht.