Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie. 50 Cent

Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie - 50  Cent


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über die man nicht sprach.

      Meine Mama war, mit einem Wort, hart. Sie war richtig aggressiv. Als Erziehungsberechtigte war sie stur. Wenn sie mich zu etwas motivieren wollte, war sie noch strenger. Sie ermutigte mich, Dinge zu tun, von denen ich wusste, dass ich sie ohne meine Mutter im Rücken gar nicht tun könnte. Einmal, als ich fünf Jahre alt war, kam ich weinend in das Haus meiner Großeltern gerannt, weil ich mich mit einigen Jungs aus der Nachbarschaft geprügelt hatte.

      Wir hatten mit Murmeln gespielt, und als einer der Jungs einen wirklich einfachen Schuss verbockte, lachte ich ihn aus. Er muss einen schlechten Tag gehabt haben, denn er wurde richtig wütend und wollte mit mir kämpfen. Weil er viel größer war als ich, schlugen sich all die anderen Jungs auf seine Seite, um mich zu verdreschen. Ich dachte, das kann doch nicht ihr Ernst sein. Dieser Junge hatte die zulässige Höchstgröße für Fünfjährige bereits überschritten. Er war so groß, dass man ihn leicht auf acht oder neun geschätzt hätte. Wenn wir an einer Boxmeisterschaft teilge­nommen hätten, dann wäre er mindestens drei Gewichtsklassen über mir gewesen. Es war also nicht so, dass er Hilfe nötig gehabt hätte. Mir blieb also gar nichts anderes übrig: Ich steckte meine Prügel ein und ging weinend nachhause.

      Als ich heimkam, war meine Mutter angepisst. Sie fragte: „Warum zum Teufel weinst du?“

      Ich erklärte es ihr. „Da ist ein Junge“, sagte ich, „der ist so groß wie ein ganzer Block, vielleicht sogar zwei. Er hat mich verhauen und war noch nicht mal ganz fertig mit mir, als ich abhauen konnte. Wenn es dir also nichts ausmacht, würde ich gern den Rest meines fünften Lebensjahrs im Haus verbringen.“

      Meine Mama fragte, wo er sei. Ich sagte: „Er ist immer noch da draußen und verdunkelt wahrscheinlich die Sonne. Man kann nicht gegen ihn an, Mama.“ Sie sah mich an, als hätte ich meinen gesunden Menschenverstand draußen auf der Straße gelassen. Ich weiß nicht, ob es sie schockierte, dass ich dachte, sie würde meinen Kampf für mich ausfechten, oder ob sie nur enttäuscht war, weil ich weggerannt war. Sie sagte: „Geh wieder raus und kämpfe mit ihm. Wenn du wieder den Arsch voll kriegst, dann fang nicht noch mal zu heulen an.“

      Ich hätte geschworen, dass mit meinen Ohren etwas nicht in Ordnung war. Oder vielleicht mit ihren. Ich sagte: „Mama, dieser Junge ist groß, weißt du, ganz groß.“

      „Es ist mir egal, ob er größer ist als du“, sagte sie. „Wenn es sein muss, nimm irgendwas und hau ihn damit. Aber du kommst hier nicht noch einmal heulend rein.“

      Es war nun keine wirklich schwere Entscheidung mehr. Schlimmstenfalls würde mich mein Gegner töten. Aber in diesem Moment hatte ich weitaus größere Angst vor meiner Mama. Ich ging also wieder hinaus, hob einen Stein auf, den ich kaum mit einer Hand halten konnte, und prügelte damit die Scheiße aus ihm heraus. Es war das erste Mal, dass ich jemanden so hart schlug, dass er zu Boden ging. Er lag zusammengekrümmt und blutend auf dem Boden und sagte, dass er seiner Mutter von mir erzählen würde. Aber das war mir egal. Alles, was seine Mutter tun konnte, war, mit meiner Mutter zu reden, und ich hatte das starke Gefühl, dass ein Streit zwischen unseren Müttern ganz ähnlich ausgehen würde wie der zwischen ihm und mir. „Na und?“, schrie ich. „Erzähl’s doch deiner Mutter. Sie kann gern auch Prügel beziehen!“

      All die anderen Jungs begannen, den Streit wieder anzufachen. „Ohhhhh! Er hat über deine Mami gesprochen!“ Ich sagte ihnen, sie sollten die Klappe halten, oder sie würden auch Prügel einstecken. Sie hielten die Klappe. Und der Junge kam nie mit seiner Mutter hierher. Im Gegenteil: Er hat mich von da an sogar ganz in Ruhe gelassen.

      So war das Leben damals mit meiner Mama. Ich wusste, dass ich alles tun konnte, solange ich nur ihre Zustimmung hatte. Aber sie war nur selten da. Sie war aus dem Haus meiner Großeltern ausgezogen, als ich noch ein kleines Baby war, und hatte mich mit ihnen zurückgelassen. Aber jedes Mal, wenn sie kam, brachte sie mir etwas mit. Jeder Besuch war wie Weihnachten. Wenn es nicht Spielzeug, Kleider oder ein kleines Schmuckstück gab, dann gab es kaltes, hartes Bargeld. Als ich sechs war, schenkte sie mir ein Motocrossrad für Kinder. Es war eindeutig aus zweiter Hand, aber es war sauber, und ich bekam noch einen brandneuen Helm dazu. ­Damals bekam ich langsam spitz, dass sie Drogen verkaufte, also wusste ich, dass sie es vermutlich von jemandem in Zahlung genommen hatte, der nicht mehr genug Geld hatte, um seine Schulden bei ihr zu begleichen. Das war mir egal. Tatsächlich wertete es das Moped sogar noch auf, weil ich wusste, dass sie bei ihrer Arbeit an mich dachte. Und, verdammt, für mich war es ja neu. In meinen Augen war es ein neues Rad, ja, ich hatte jetzt sogar ein Motorrad. Ich konnte es kaum fassen. Ich musste nun nicht mehr meine Zeit darauf verschwenden, in die Pedale zu treten, um vorwärts zu kommen. Nein! Alles, was ich brauchte, waren ein, zwei Quarter für ein bisschen Sprit, und ich konnte den ganzen Tag herumfahren. Meine Mutter hatte eine echte Motocrossmaschine für Erwachsene, und sie erlaubte mir, neben ihr auf der Straße zu fahren. Die meisten Mütter hätten wohl gesagt: „Nein, das geht nicht, du könntest dir sonst wehtun.“ Sie aber sagte: „Hab keine Angst, du schaffst es. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass du dir wehtust – und Dinge, die wehtun, dauern nicht besonders lange.“ Immer wenn sie vorbeikam, brausten wir gemeinsam die Straße hinunter.

      Das Rad war klein genug, dass es durch die Eingangstür im Haus meiner Großmutter passte. Also nahm ich es mit hinein und verbrachte Stunden damit, es zu polieren und die Speichen und alles andere auf Hochglanz zu bringen, bevor ich das nächste Mal damit fuhr. Ich putzte das Rad häufig, denn an vielen Tagen hatte ich nicht genug Benzingeld. Und manchmal, wenn ich das Geld hatte, konnte ich niemanden finden, der mich zur Tankstelle brachte. Freilich gab es acht Onkel und Tanten im Haus, aber die Meisten von ihnen waren noch Teenager und fühlten sich nicht für mich verantwortlich.

      Mit so vielen Kindern im selben Haus mangelte es hinten und vorn an allem, was für die meisten Kinder selbstverständlich ist. Zwar war immer genug für alle da, aber es gab nie genug von den guten Sachen. Es gab genug zu essen, aber nicht genug von den Leckereien, die sie im Fernsehen zeigten, dem Zeug, welches das Leben erst lebenswert machte, dem Zeug, das einen zu einem Niemand machte, wenn man es nicht bekommen konnte. Es gab ausreichend Kleidung, aber nicht genug Sachen, die nicht schon von jemand anderem abgetragen waren, nicht genügend Kleidung, die nicht schon bis aufs Grundgewebe verwaschen war, nicht genügend Sachen mit diesen Zettelchen und Bildern dran, die einen davor schützten, dass die ande­ren Kinder über einen lachten. Wir hatten genug Geld zum Leben, aber doch nicht genug, um im Winter die Kälte draußen zu halten, die sich durch das Haus fraß. Es gab genügend Eimer, aber nicht genug, um die Tränen des Hauses aufzufangen, wenn es weinte, weil es den Regen nicht länger ertragen konnte.

      Es war immer jemand da, was bedeutete, dass ich ständig jemandem in die Quere kommen konnte. Ich war ein vorwitziges Kind, und als Lohn für meine Neugier wurde ich bald aus der Nähe von all dem verbannt, was ich so gern belauscht hätte: „Halt dich aus den Angelegenheiten der Erwachsenen raus. Geh hinauf.“ Ich war immer der Nigger vom Obergeschoss. Ich lernte das Geschoss sehr gut kennen – ich und meine kleinen grünen Soldatenfiguren. Ich sprach mit ihnen so, als wären sie richtige Menschen. „Immer wollen sie, dass wir hinaufgehen“, sagte ich dann. Und meine Soldaten entgegneten: „Das tun sie nur, weil sie dumm sind. Sie sind nicht so schlau wie wir. Wir könnten uns ohne sie viel besser amüsieren.“ „Wisst ihr was? Ich glaube, ihr habt Recht.“ Als ich begann, allein zur Schule zu gehen, war ich nicht allein. Meine Soldaten waren bei mir. Es gab einen Hund, vor dem ich immer große Angst hatte, weil er jedes Mal, wenn ich vorbeiging, zum Tor gerannt kam und bellte, als wollte er mich fressen. Also redete ich mit meinen Soldaten. „Habt keine Angst. Der Hund wird uns nichts tun. Ich trete den Hund, wenn er durch dieses Tor kommt.“ So redete ich mir erfolgreich ein, dass ich keine Angst vor diesem Hund hatte. Ich lief immer mit einem meiner Soldaten herum und sagte ihm, dass er keine Angst haben müsse, und dann begann ich mich so zu verhalten, wie ich es dem Mann geraten hatte. „Schau, ich hab keine Angst vor dem Hund. Ich zeig’s dir.“ Dann trat ich gegen das Tor und rannte weg. „Siehst du, ich hab dir doch gesagt, ich hab keine Angst.“

      Manchmal schmissen meine Tanten so genannte Dollarpartys im Hinterhof, bei denen sie von ihren Freunden für den Zugang zum Hof und zur Party einen Dollar Eintritt verlangten. Das ergab keinen Sinn für mich, denn ein andermal luden sie auch Leute in den Hinterhof ein und verlangten nichts dafür.


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