Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie. 50 Cent

Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie - 50  Cent


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Mann von Tante Karen, Onkel Trevor, machte mir gern mal eine kleine Freude, obwohl er gar kein Blutsverwandter war. Jedes Mal, wenn sich unsere Pfade kreuzten, hatte Trevor etwas für mich. Seine jamaikanische Gang war berüchtigt. Als ich jünger war, wusste ich nicht viel über sie, aber ich bemerkte, dass die Typen, die ich für stark hielt, jedes Mal ganz nervös wurden, wenn Trevor oder seine Leute vorbeikamen. Ich verstand das nicht. Für mich war Onkel Trevor einfach ein netter Kerl, der gut verdiente und sein Geld mit den Leuten um ihn herum teilte. Selbst nachdem Trevor eingesperrt und zu dreizehn Jahren verurteilt worden war, betrachtete ich ihn nicht als schlechten Menschen. Einmal besorgte er meiner Großmutter sogar einen brandneuen Mercedes 190 E, weil ihr Oldsmobile ständig eine Panne hatte. Das war 1985, als dieser Mercedes noch eine verdammt heiße Schüssel war. Mein Großvater und ich fingen an, solche Scheiße zu reden wie: „Warum kriegt sie ein Auto?“

      Das waren die einzigen Leute aus meinem Bekanntenkreis, von denen ich wusste, dass sie in der Lage waren, etwas für jemand anderen außer sich selbst zu tun – und sie alle vertickten Drogen. Alle Dealer waren großzügig – bis auf meinen Cousin Brian. Der gab niemals irgendjemandem irgendetwas. Hauptsächlich kümmerte sich Sincere um mich. Wenn ich mit ihm unterwegs war, konnte ich sehen, dass ihn alle mit Respekt behan­delten. Die Ladenbesitzer begrüßten ihn, als gehöre er zur Familie, und die anderen Dealer sahen zu ihm auf. Ich mochte das Gefühl, das ich hatte, wenn ich mit Sincere unterwegs war. Man konnte mir auf keinen Fall weismachen, dass Dealen etwas Schlechtes war. Das waren die Leute, mit denen ich aufwuchs. Sie waren meine Vorbilder.

      Zu jener Zeit, damals, in der ersten Hälfte der Achtziger, war ­Kokain noch eine Freizeitdroge. Meine Tanten und Onkel – Star, Johnny und Jennie (der in einem noch schlimmeren Zustand aus der Army entlassen wurde als Johnny aus der Navy) –, sie alle nahmen Kokain. Sie trafen sich mit ihren Freunden, zogen ein paar Bahnen und gingen dann aus. Wenn sie zurückkamen, zogen sie noch ein paar Bahnen und soffen, bis sie am Nachmittag des nächsten Tages schlafen gingen. Ich wurde dann morgens von all dem lauten Gerede wach und fand sie in denselben Klamotten im Wohnzimmer sitzen, die sie getragen hatten, als ich ins Bett gegangen war. Sie hatten immer so viel Spaß, dass niemand Nachschub besorgen gehen wollte, wenn das Koks alle war. Also schickten sie mich runter zu ­Brians Haus, um ihnen ein paar dicke Alberts zu holen. Ein „dicker Albert“ war ungefähr ein Viertelgramm Kokain, in Alufolie oder einen Fetzen Plastik eingewickelt, das für fünfundzwanzig Dollar verkauft wurde. Brian ging noch zur Highschool. Mit anderen Worten: Er war in dem Alter, in welchem er eigentlich die Highschool hätte besuchen sollen, aber ich sah ihn nie mit Büchern oder über seinen Hausaufgaben sitzen. Wenn ich ihn sah, war er herausgeputzt und wie frisch aus dem Ei gepellt. Er hing mit Kerlen herum, die viel älter als er selbst waren und Pontiac Bonnevilles mit Weißwand­reifen fuhren. Aber wie ich schon sagte: Obwohl er mein Vetter war, schenkte er mir nie etwas.

      Einmal hatte ich fünfzig Dollar in der Tasche und besorgte bei Brian ein paar Alberts. Er trug ein brandneues Paar Turnschuhe, und fünf oder sechs Schachteln mit Tretern, die er noch nicht einmal angehabt hatte, stapelten sich in seinem Zimmer. Es war mit das Verrückteste, das ich je gese­hen hatte. Es sah aus wie in einem dieser Schuhgeschäfte, in die Sincere mit mir ging. Ich fragte Brian, ob er mir nicht ein neues Paar Turnschuhe kaufen wollte, weil die, die ich hatte, völlig ausgelatscht waren. Ich zeigte ihm die Sohlen meiner Lottos. Ein zerrissener Socken und die Spitze meines großen nackten Zehs schauten heraus, als wollten sie hallo sagen. Dieser Nigger Brian lachte mich aber aus, zählte das Geld, das ich ihm gege­ben hatte, gab mir die zwei Alberts und schickte mich wieder fort. Ich dachte so was wie: „Scheiß auf ihn.“ Danach ging ich nie wieder zu Brian, um irgendetwas zu besorgen. Von da an ging ich zu Sincere.

      Doch es kam die Zeit, als mir auch Sincere keine Kleider oder Turnschuhe mehr kaufen wollte. Sincere begann sich zu verändern. Mel und Jack, zwei von den älteren Jungs aus dem Viertel, hatten seinen Großvater gekidnappt und verlangten Lösegeld. Mel und Jack waren dieselben zwei Kerle, die sich auch auf Banküberfälle spezialisiert hatten. Die Zeiten änderten sich, aber Typen wie sie weigerten sich, sich mit ihnen zu ver­ändern. Es mangelte ihnen an der Finesse und der Geduld, die das Drogengeschäft erforderte, also klammerten sie sich an ihren alten Haurucktaktiken fest. „Übernahme“ – so nannten sie es. Überfälle am helllichten Tag: „Alle auf den Scheißfußboden – mach den Safe auf, du Schlampe.“ Fast immer hatten sie es auf die Kohle im Safe abgesehen, denn dort lagerte das wahre Geld. Das Geld an der Kasse war nur Kleinkram und oft registriert. Das Geld im Safe war vielleicht auch mit einer Seriennummer registriert, aber es war in jedem Fall ein besserer Gegenwert zu dem Risiko, das man einging, wenn man Wächter, Kunden und Angestellte mit dem Gesicht auf dem Fußboden mit der Waffe in Schach hielt wie in den Tagen von Al Capone. Dann begannen sie auch noch Drogen einzuwerfen, als wären sie nicht schon verrückt genug.

      Sincere sagte, ich müsste über solche Sachen die Klappe halten. Das brauchte er mir gar nicht zu sagen, denn die ganze Angelegenheit machte mir auch so schon gehörig Angst. Ich dachte: Was soll das denn jetzt? Diese ganze Scheiße ergab für mich einfach keinen Sinn. Ich fragte Sincere, wie es passiert war, und er erzählte mir, dass jemand den Fehler begangen hatte, Mel und Jack zu sagen, dass er Geld im Haus aufbewahrte. Sincere wusste nicht ganz genau, wer da sein Maul nicht gehalten hatte, aber er war sich ziemlich sicher, dass es Gary gewesen war. Gary war ein Junge aus dem Viertel, der die Angewohnheit hatte, bei den falschen Leuten mehr zu sagen, als für ihn gut war. Sincere hatte am Tag, bevor alles ­geschah, mit Gary abgehangen – und dieser Mel war der Vater des Babys von Garys Schwester. „Ich glaube nicht an Zufälle“, sagte er. Er glaubte nur an das, was er sehen konnte. Und er sah Mel und Jack, obwohl sie Masken getragen hatten. Die Räuber kidnappten seinen Großvater und schossen den alten Mann an, um Sincere mitzuteilen, dass sie es ernst meinten. Sie wollten Geld, und sie waren bereit, Leute zu durchlöchern, um es zu beweisen.

      Die Geschichte öffnete mir die Augen für das, was wirklich abging. Bis zu diesem Punkt hatte ich an eine gewisse Ganovenehre geglaubt. Aber an diesem Abend schlug ich mir diese Illusion aus dem Kopf. Es ging nur ums Geld, und jeder schaute nur auf sich selbst.

      „Ich begreife diese ganze Scheiße nicht, Boo-Boo, Mann“, sagte Sincere. Seine Augen wanderten umher, als erwarte er Mel und Jack jede Minute zurück. „Man kann heute offensichtlich nicht einmal mehr ein kleines Geschäft betreiben“, sagte er. „Nimm dich vor Gary in Acht.“

      Sincere sagte, dass Brian genau dasselbe passiert war, nachdem er eine Weile lang mit Gary um die Häuser gezogen war. Es war nicht so, dass Gary irgendwelche Schwierigkeiten machen wollte. Er war ganz einfach erregt, wenn er sah, wie gut es den Leuten um ihn herum ging. Vielleicht dachte er, dass es ihn selbst wichtiger erscheinen lassen würde, wenn er herumerzählte, dass er mit wichtigen Leuten verkehrte. Aber Typen wie Mel und Jack hatten schon immer ihre eigenen Pläne. Sie kamen bei Brian vorbei, um ihn auszurauben. Als sich Brians Mutter weigerte, die Tür zu öffnen, versuchten sie, sich mit Gewalt Zugang zu verschaffen, und schossen Brians Mama schließlich in den Kopf. Ich wusste, dass Brians Mama erschossen worden war, aber bis zu jenem Abend kannte ich die Details noch nicht. Sincere sagte, dass es besser sei, ­solange Typen wie Mel und Jack frei herumliefen, darüber Stillschweigen zu bewahren, was man hat, und wie viel davon man bei sich zuhause aufbewahren sollte. Ich stimmte zu.

      Ich hatte das Gefühl, dass mich Sincere auf etwas vorbereitete, aber ich war nicht ganz sicher, was es war.

      „Hör zu, Mann, ich kaufe dir ein Paar Turnschuhe, die werden dann bald wieder schmutzig, und ich muss dir wieder ein neues Paar kaufen“, sagte Sincere. Dann zog er ein kleines zusammengewickeltes Päckchen ­Kokain hervor und sagte mir, dass es ein bisschen mehr als ein Gramm des Pulvers enthielt. Er teilte das Tütchen in fünf gleich große Portionen auf und wickelte sie in Folie. „Das sind fünf Alberts, Mann“, sagte er. „Verkauf sie an deine Onkel und Tanten, und gib mir dafür hundert Dollar wieder.“

      Ich hielt die kleinen Bällchen in meiner Hand und blickte auf etwas, das meine erste profitable Transaktion mit Drogen werden sollte. Sincere erzählte mir, dass Kokain in Pulverform mehr und mehr aus der Mode kam. Alle verkauften und rauchten nun kleine gekochte Klumpen; die Stückchen hatten den schnellen Rauscheffekt von reinem Kokain. Bis zu diesem Zeitpunkt war reines Kokain hauptsächlich von Weißen konsumiert worden. Nun bereiteten sie das Koks in Löffeln


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