Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie. 50 Cent

Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie - 50  Cent


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bevor er zum Fußballfan wurde. Ich war im Geschäft.

      Als Geschäftsmann hatte ich Unkosten. Ich musste zum Latino­laden um die Ecke gehen und Kapseln und Rasierklingen der Marke Gem Blue Star kaufen, um die Klumpen zu schneiden. Ich musste mein Produkt irgendwo herstellen, also mietete ich schließlich Brians Küche. Obwohl mir Brian niemals etwas schenkte, war er jedoch derjenige, der mir zeigte, wie man das Zeug kocht. Er zeigte mir die richtige Mischung für den Teig: zwei Teile Kokain und ein Teil Backpulver. Und was noch wichtiger war: Er zeigte mir, wie man die Reste vom Boden des Topfs verwendet und daraus noch mehr Crack gewinnt. Als ich das tat, war es, als könnte ich meinen Vorrat verdoppeln. Ich konnte es kaum glauben. Als ich zum zweiten Mal am Herd stand, konnte ich bereits die perfekte Mischung nach Augenmaß herstellen – kein Abwiegen, kein gar nichts. Ich dachte: Mensch, so verdammt leicht kann das doch nicht sein.

      Das einzige Problem war der Gestank. Anfangs hasste ich ihn, aber ich gewöhnte mich sehr schnell daran. Allerdings habe ich diesen ­Gestank auch nie vergessen. Genauso, wie ein Grassraucher den Geruch von brennendem Marihuana sofort erkennt – auch auf einen Block Entfernung oder durch eine geschlossene Tür –, kann ich bis heute riechen, wenn Crack ­gekocht wird, sobald das Wasser zu brodeln beginnt. Es ist einer jener komi­schen, eigenartigen Gerüche, wie bei Zigaretten, und man reagiert auch ganz ähnlich darauf. Wenn man Zigaretten raucht, stört einen der Geruch nicht. Aber wenn man gerade nicht raucht, geht einem der ­Gestank auf die Nerven, selbst wenn man Raucher ist. Mit Crack war es so, dass mich der Gestank störte, wenn ich nicht selbst am Kochen war, denn es bedeutete, dass jemand anderes Geld verdienen würde und dieser Jemand nicht ich war.

      Crack herzustellen hat einen gewissen Rhythmus. Und mit jedem Arbeitsschritt schlug mein Herz schneller, denn alles, was ich damit tun wollte, war, es zu verkaufen. Ich rührte die Mischung an, brachte das Wasser zum Sieden, kochte das Zeug auf, ließ es klumpen, las die Klümpchen heraus, füllte die Kapseln, und ab ging’s auf die Straße.

      Ich verkaufte an alle und jeden. Und entgegen Brians Ratschlag verschleuderte ich meinen Profit für Klamotten und Schuhe. Ich schmuggelte die Kleider an meiner Großmutter vorbei, aber meine Extraturnschuhe bewahrte ich im Haus meines Freundes Ray-Ray auf. Er war ein Junge, mit dem ich groß wurde und der nur eine Ecke weiter wohnte. Außer­dem war er mein erster Mitarbeiter. Als er zu dealen begann, gab Ray-Ray sein Geld ebenfalls für Turnschuhe aus, und ich bunkerte sie im Haus meiner Großmutter. Weil er Größe neun hatte und ich Größe sieben, schnallte meine Großmutter nie, dass ich zu viel Geld hatte. Ab und zu fragte sie mich, warum Ray-Ray seine Turnschuhe nicht einfach mit nachhause nahm.

      „Ich weiß“, sagte ich und tat so, als ärgerte ich mich über Ray-Ray. „Ich sag ihm schon andauernd, er soll sie endlich abholen. Ich schmeiße sie bald in einen großen Sack. Ist mir doch egal.“

      ***

      Wie alles einmal ein Ende hat, so geriet auch Sinceres Glückssträhne ins Stocken. Das Problem war, dass Sincere die Meinung vertrat, dass jeder, der auf Fußballspiele wettete, auch die Verluste mit ihm teilen müsste – er ­erhöhte mir gegenüber einfach die Preise. Als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, beschloss er außerdem, Carlos zu wenig zu bezahlen. So lernte ich schließlich, wie man Fußball spielte.

      Trotz dieser Maßnahmen wollte Carlos weiterhin mit ihm ­Geschäfte machen. Sincere verfügte über die richtigen Beziehungen im ­Revier, und der Profit war zu groß, als dass Carlos auf ihn hätte verzichten können. „Ich mache gute Geschäfte mit Sincere“, sagte Carlos. „Aber er ­begreift nicht, dass man eben manchmal gewinnt und manchmal verliert. Und wenn man verliert, dann sollte man nicht jeden mit hineinziehen. So arbeiten Männer einfach nicht.“

      Wenn ich nur seinen Kundenstamm gehabt hätte, wäre Sincere weg vom Fenster gewesen. Allerdings begann Carlos, nun direkt mit mir ­Geschäfte zu machen. Er sagte, er erinnere sich, wie ich ihm immer Wasser gebracht hatte, wenn er sich mit meinem Onkel Trevor traf. Er sagte, er könne nur einem Mann vertrauen, der gewillt war, einem anderen Mann zu dienen. Dann gab er mir mein erstes Kilo Kokain. Es war fest in Plastikfolie eingeschlagen und sah aus wie ein massiver Ziegel aus Puderzucker.

      Ich nahm den Ziegel mit zu Brian und benutzte seine Feinwaage mit den drei Balken, um ihn in Achtel-, halbe und Viertelunzen aufzuteilen. Ich behielt den halben Ziegel, um ihn zu Klümpchen zu kochen, und verkaufte den Rest von dem Klotz an andere Dealer. Ich ging noch in die Unterstufe und versorgte Typen, die doppelt so alt waren wie ich. Irgendwann war die Schule nur noch ein guter Witz: Nachdem ich meinen ersten Ziegel aufgeteilt hatte, beherrschte ich so viel Mathe, wie ich benötigte. Als mich mein Vertrauenslehrer dazu ermutigte, mir eine Arbeits­erlaubnis ausstellen zu lassen, lachte ich ihn beinahe aus. Solche Papiere waren die Fastfoodkarte. Wenn ich einen Haufen Papierkram ausfüllte, würde ich eine hübsche kleine Karte bekommen, die es mir erlaubte, in einem Fastfoodladen zu arbeiten. Wenn ich ganz großes Glück hätte, dürfte ich an der Kasse sitzen und müsste nicht hinten versauern. Nichts, was man mir in der Schule beibrachte, ergab in meiner Realität irgend­einen Sinn. Noch weniger davon schien dazu geeignet zu sein, mir einen Ausweg aus dieser Realität zu verschaffen. Alles, was mich interessierte, war, Geld zu verdienen, denn Geld schien der Schlüssel zu all meinen Problemen zu sein.

      Meine höhere Stellung auf der Habenseite der Drogengleichung brachte zwar nicht denselben Profit, aber der Arbeitsaufwand war geringer, und es festigte meinen Status im Viertel. Nachdem ich mein zweites Kilo verkauft hatte, investierte ich sofort in ein drittes, das ich nach Gramm aufteilte. Ich bunkerte ein Viertelkilo als Vorrat und tütete zwei Achtel ein. Wenn mir irgendjemand eins der Achtelkilos abgekauft hätte, wäre ich zum Star des ganzen Viertels geworden. Ein Vierzehnjähriger, der Achtel verkauft? Ich wäre ein Wunderkind gewesen. Ich kaufte mir für fünfzig Dollar einen Piepser, der kaum größer war als ein Kartenspiel, und begann, so viel Koks umzuschlagen, wie ich konnte. Die andere Hälfte von dem Klotz hatte ich in Achter-, Siebener- und Vierzehnerpäckchen aufgeteilt. Sie waren schnell verkauft – wenn ich auch den Piepser unter meinem Kopfkissen verstecken musste, damit meine Großmutter ihn nicht hören konnte.

      Einmal piepste mich Chance immer wieder an, aber ich konnte ihn nicht zurückrufen, weil meine Großmutter am Telefon war. Chance war ein Typ, dem ich ein paar Siebener verkauft hatte. Ich musste zu einer Telefonzelle gehen, um ihn zurückzurufen, denn ich hatte Angst, das Geschäft könnte mir durch die Lappen gehen. Im Drogenhandel gibt es keine Markentreue. Die Konkurrenz bestimmt das Geschäft: Die Abhängigen kaufen von dem, der gerade da ist und der ihnen den besten Deal anbietet. Wenn du einem Süchtigen mal etwas billiger gibst – etwa einen Zehner für neun Dollar –, dann kommt er zu dir zurück. Nicht weil er loyal ist, sondern weil er ein Schnäppchen machen will. Wenn ihm jemand anders etwas billiger gibt, dann vergisst er dich, noch bevor er seine Pfeife anzündet. So ist das eben: Nachfrage und Angebot. Ich glaube, in der Schule lehren sie es andersherum. Dort heißt es „Angebot und Nachfrage“, wenn sich Firmen einen Haufen Scheiße ausdenken und das Zeug anbieten. Dann gaukeln die Firmen den Leuten vor, dass sie den ganzen Scheiß brauchen, für den sie werben, und erzeugen somit eine künstliche Nachfrage. Auf der Straße wurde es richtig verstanden: Erst kommt die Nachfrage, und wer liefern kann, macht den Profit.

      In vielerlei Hinsicht sind die Dealer genauso abhängig wie die Süchtigen. Wir bauen unsere Existenz auf ihnen auf. Es ist wie mit den Poli­tikern: Die meisten Politiker haben keinen Respekt vor den Leuten, von denen sie gewählt werden, und glauben, sie stünden über ihren Wählern. Doch wenn der Wahltag kommt, sind sie ihren Wählern ausgeliefert.

      Als ich schließlich mit Chance Kontakt aufgenommen hatte, hatte er eine ganze Latte Fragen: Warum ich so lange gebraucht habe, um ihn ­zurückzurufen. Ich sagte ihm, dass meine Großmutter telefoniert hatte, aber er klang, als wolle er mir nicht glauben. Er fragte mir ein Loch in den Bauch, bis ich genug hatte und ihn fragte, ob er das Koks nun wolle oder nicht. Er sagte mir, er wäre gleich da.

      Als Chance in dem Park aufkreuzte, wo ich auf ihn wartete, sah ich sofort, dass er wütend war. Er hatte einen Kerl bei sich, der im Auto saß und mich richtig böse anstarrte. Chance blickte sich andauernd um und fragte mich, warum ich so lange gebraucht habe, um ihn zurückzurufen. Ich dachte, er würde versuchen mich auszurauben, also fasste ich unter mein Hemd, als ob ich eine Pistole an der Hüfte hätte. Heute würde


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