Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie. 50 Cent

Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie - 50  Cent


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dass er Gehil­fen einstellen musste, arbeitete mit drei Leuten: einem, der das Geschäft tätigte, einem, der das Produkt bei sich hatte, und einem zum Schmiere­stehen. Doch das TNT änderte das alles. Als sie über das Viertel hereinbrachen, wurden alle verhaftet, die auch nur in der Nähe waren, sogar unschuldige Passanten. Du willst nur aus dem Laden gekommen sein, nachdem du eine Packung Vogelfutter gekauft hast? Erzähl das dem Richter, Kumpel. Du machst eine Besorgung für deine Mama? Erzähl’s dem Richter.

      Die Taktiken des TNT verkehrten die Vorgehensweise der Dealer ins Gegenteil. Da die Polizeieinheiten begannen, zunächst die Straßen­-dealer zu überwachen, und die Verhaftungen meist darauf basierten, dass der Handel beobachtet worden war, war es nun sinnvoller, das Produkt bei seinen Eiern oder sonst wo zu verstauen, wo die Sonne nicht schien. Für den Fall, dass ein Dealer flüchten musste, würde er wenigstens mitsamt seinem Kapital flüchten.

      Es dauerte nicht lange, bis man auf der Straße bemerkte, dass TNT nicht nur für „Tactical Narcotics Team“ stand, sondern außerdem für „Tues­days ’n’ Thursdays“ – Dienstage und Donnerstage. Dies waren die Tage, an denen es sehr wahrscheinlich war, dass die Bullen aufkreuzten, aus ihren Wagen sprangen und die Drogenmeile lahm legten. Wenn es einem Dealer gelang, vor den Bullen davonzulaufen, hatte er Glück. Wenn nicht, na ja – dann erzähl das mal dem Richter, Kumpel. Der Direktverkauf hatte nun zur Folge, dass jeder an der Transaktion beteiligt war und er schon allein deshalb als Tatbeteiligter festgenommen werden konnte, weil er von dem ­Geschäft wusste. Wenn jemand dumm genug war, an einem Dienstag oder Donnerstag unterwegs zu sein, wo doch jedermann wusste, dass diese schwarzen Kastenwagen aufkreuzen würden, und er dann nicht flink genug war, eine Allee entlang, über eine Mauer und durch eine Reihe Hinterhöfe zu fliehen und erst zwei oder drei Blocks weiter wieder aufzutauchen, dann nahm man ihm im Grand Hotel Schnürsenkel und Gürtel ab und gab ihm labberige Käsesandwiches zu essen, während er mit dem Rest der Delinquenten auf die Vorladung zum Richter wartete.

      Vieles davon traf aber damals auf mich noch nicht zu. Ich war viel zu jung, um auf dem Radar der Polizei auch nur als Pünktchen zu erscheinen. Weil ich noch ein viel zu kleiner Fisch war, um es mit den ausgewachsenen Haien aufzunehmen, die auf dem Boulevard schwammen, postierte ich mich in einem Block, der an den besten Abschnitt des Strip angrenzte. Ich hatte eine kleine Kundschaft und arbeitete täglich nur etwa drei Stunden lang nach der Schule. Zu dieser Zeit war ich noch nicht einmal so weit, dass ich meine eigenen Produkte abpackte oder das Zeug gar in größeren Mengen einkaufte. Ich arbeitete immer noch auf Kommission. Sincere gab mir eine halbe G-Packung – Crack im Wert von fünfhundert Dollar beziehungsweise fünfzig Einheiten, im Vergleich zu einhundert – und ich brauchte etwa eine Woche, um es loszuwerden. Jeden Tag, wenn ich mit dem Verticken fertig war, ging ich nachhause und verstaute mein Geld und das Zeug in einem Schuhkarton im Schrank. Zuhause erzählte ich niemandem von den Geschäften, die ich nach der Schule betrieb. Eines Tages war ich an meinem Platz, einen Block vom Strip entfernt. Ich hatte gerade eine Süchtige namens Rhonda bedient und stopfte die letzten Reste meines Crackbeutels neben meine Eier, als Brian in einem Nissan Maxima um die Ecke bog. Die Karre war total aufgemotzt – Spoiler, glänzende Speichen, getönte Scheiben –, und er war mit protzigen Klunkern behängt: eine dicke, geschmiedete Kette mit einem Goldanhänger, fette Goldringe an den Fingern. Ich bemerkte, dass er viel mehr Geld ausgab als die anderen Jungs in seinem Alter, nicht so wie ich – ich konnte mir immer noch nur etwas zu essen, Turnschuhe, ein paar Klamotten und vielleicht ab und zu ein Videospiel oder einen Walkman leisten.

      Brian fragte mich, was ich hier machte, und ich sagte, dass ich nur ein bisschen unterwegs war. Ich wusste wirklich nicht, was ich mit ihm reden sollte. Ich hatte nie vergessen, wie er mich im Jahr zuvor hatte auflaufen lassen, als ich ihn um Turnschuhe gebeten hatte. Ich war immer noch angepisst. Er sagte, ich solle einsteigen, und wir fuhren ein paar Blocks, ohne dass einer mit dem anderen sprach. Dann langte er hinüber zu seiner Kenwood-Anlage und drehte die Lautstärke herunter. Sie war in einer her­ausnehmbaren Box ins Armaturenbrett eingebaut, diese Art von Anlage, die man mitnehmen konnte, wenn man den Wagen stehen ließ. Die Lichter des Displays blinkten in drei Farben. „Pussy Is Free“ von Boogie Down Productions lief. Dieser Song war eine Hymne der Dealer: „The pussy is free / ’Cause the crack costs money.“

      „Du machst also gar nichts, hm?“, fragte er.

      „Ich tue gar nichts“, sagte ich. „Ich fahre nur so mit dir herum.“

      „Ehrenwort?“

      „Ehrenwort. Ich fahr nur mit dir rum.“

      Die Dealerhymne endete, und „Treat Her Like A Prostitute“ von Slick Rick begann. Zwischen den Titeln wurde nicht gesprochen. Ich begriff, dass Brian die Musik entweder gekauft oder sich eine Cassette hatte zusammenstellen lassen. In jedem Fall hatte er sie nicht vom Radio aufgenommen, was schon etwas hieß. Wer sich kleine Dinge leisten konnte, etwa, für Musik zu bezahlen, hatte in diesem Spiel schon einen sehr hohen Level erreicht.

      In jedem, der an der Ecke steht, steckt ein Unternehmer, denn in Wahrheit will keiner für jemanden arbeiten. Das absolute Ziel ist es, nur noch für sich selbst zu arbeiten. Aber zunächst einmal gilt es, gut auszu­sehen. Sie sehen die geilen Klamotten und verpulvern ihr Geld dafür, weil sie sich so inmitten dieser ganzen Scheiße hier im Viertel besser fühlen. Kleider machen nicht nur Leute, sie helfen ihnen auch, ihrem Dasein zu entfliehen. Mag sein, dass ein Dealer auf dem Heimweg denselben verpissten Fahrstuhl nehmen muss wie alle anderen auch, aber er fühlt sich über all das zumindest ein Stück weit erhaben, wenn er neue Kleider und ein bisschen Schmuck trägt. Wenn die Garderobe erst einmal stimmt, erreicht der Dealer die nächste Stufe und beginnt Autos zu kaufen, denn eine Karre ist im Revier ein Erfolgssymbol. Er kann das größte Haus haben, aber er kann in diesem Haus nicht herumfahren, sodass ihn jeder sieht, also ist ein Auto in diesem Wertesystem wichtiger als ein Heim. Die Leute behandeln einen anders, wenn man so aussieht, als hätte man Geld. Kleine Sachen, die einem ganz persönlich Freude machen, kommen also erst ins Spiel, wenn die gesamte Basis stimmt. Und Brian leistete sich bereits Kleinig-keiten wie Musik, während ich immer noch für mein Turnschuhgeld dealte. Ich trug eine Bomberjacke aus Leder über einem neuen Jogginganzug von adidas mit dazupassenden Turnschuhen. Auf der Straße fühlte ich mich, als würde ich meinen Weg machen. Aber hier in diesem Auto kam ich mir vor, als wäre jeder Tag ein Rückschritt.

      „Hat Großmama einen neuen Job?“, fragte er.

      „Einen neuen Job? Nee, sie hat keinen neuen Job.“

      „Dann muss sie eine Gehaltserhöhung bekommen haben.“

      „Sie hat keine Gehaltserhöhung bekommen, Mann. Wovon zum Teufel sprichst du?“

      „Ich spreche davon, dass du hier Klamotten im Wert von über zweihundert Dollar an dir hängen hast und ich gerade gesehen habe, wie Rhonda von dir wegging. Soweit ich mich erinnere, hat sie nichts anderes als Crack im Kopf.“

      Ich sagte gar nichts. Ich konnte nicht glauben, dass dieser Nigger den Nerv besaß, mit mir darüber zu sprechen, was ich tat und was ich nicht tat.

      „Und soweit ich mich erinnere“, fuhr er fort, „hat Großmama auch nicht so viel Geld, um zweihundert Dollar für Kleider auszugeben, in denen ihr erster Enkel auf der Straße herumstehen kann und nichts tut.“

      „Also?“

      „Also dealst du, das weiß ich.“

      „Und?“

      „Und wenn du hier nur rumstehst, um für ein paar Klamotten zu dealen, wirst du das Spiel am Ende verlieren“, sagte er. „Du kannst dieses Spiel nicht nur für heute spielen; du musst es für morgen spielen, selbst wenn es nie ein Morgen gibt. Für jeden Dollar, den du ausgibst, musst du vier sparen. Nur so kann man richtig Geld machen. Ich sehe doch, wie ihr kleinen Jungs das macht: Sobald ihr einen Penny habt, gebt ihr einen Fünfer aus. Spar dein Geld, und mach was damit.“

      Ich war zu neu im Geschäft, um zu begreifen, was er sagte. Alles, woran ich mich erinnern konnte, war, dass er in seinem Zimmer einen Stapel Schuhschachteln hatte, als wir uns das letzte Mal begegnet waren. Und jetzt, kaum dass ich mal ein bisschen was verdiente, machte er mir weis, dass ich es nicht ausgeben sollte. Ich weiß nicht, was mich mehr ankotzte


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