Die Doors, Jim Morrison und ich. Ray Manzarek

Die Doors, Jim Morrison und ich - Ray  Manzarek


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ich im Studium so gut wie gar nichts. In meinen vier Jahren auf der Uni hatte ich, wenn ich heute darüber nachdenke, nur studienfremde Aktivitäten im Kopf – um genau zu sein: Kunst und Mädchen. Ich hatte mich am College Of Commerce für Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben, und dieses lag, zusammen mit der Musikschule, der juristischen Fakultät und der höheren Verwaltungsfachschule, im Herzen von Downtown Chicago. Die Kunstakademie war zwei Straßen weiter. Die Orchestra Hall, wo die Chicago Symphony unter der ­Leitung von Fritz Reiner arbeitete, war ein paar Schritte die Straße hinunter und gleich um die Ecke. Das World Cinema, Forum für den europäischen Film, befand sich direkt nebenan. Bis zum Michigansee waren es drei Straßen in östlicher Richtung. Das Naturgeschichtliche Museum, in dem es eine hervorragende Sammlung von Dinosaurierknochen sowie indianischer, ägyptischer und chinesischer Kunst zu sehen gab, war bequem zu Fuß zu erreichen, ebenso das Shedd Aquarium und das Hayden Planetarium. Die große Bibliothek von Chicago erhob sich auf der anderen Seite der Michigan Avenue, gegenüber dem Kunstinstitut. Überall im Zentrum fand man außerdem Hofbräuhäuser und Bierstuben aus der Zeit der Jahrhundertwende, wo man sich den Gaumen netzen konnte. Hier gab es Roastbeef auf Roggenbrot mit deutschem Senf; die Sandwiches wurden an einer Theke konsumiert, die in ihrem hölzernen Design an mein altes deutsches Klavier erinnerte. Die Downtown säumten obendrein die von Louis Sullivan entworfenen architektonischen Meisterleistungen wie das Marshall-Field-Kaufhaus und das Auditorium Theater, das wie eine Schmuckschatulle aussah. (Keine zehn Jahre später sollten die Doors dort tatsächlich auftreten. Wenn man auf der Bühne stand und auf die Sitzreihen herunterblickte, hatte man das Gefühl, sich in einer Tiffanylampe zu befinden … einer goldenen, mit Kerzen erleuchteten Tiffanylampe. Vielleicht die schönste Halle, in der ich jemals ­gespielt habe.) Und stets herrschte auf den Straßen reges Treiben von Geschäftsleuten, Sekretärinnen, Einkaufsbummlern, Touristen und Herumtreibern. Was für eine perfekte Mischung! Das College hatte eine schlicht einmalige Lage.

      Ich traf mich mit Mädchen und beschäftigte mich mit Kunst. Ich war in der großartigen Picasso-Ausstellung Ende der Fünfziger. Eine Wanderausstellung, die sich Dorothy auch ansah, als sie nach Los Angeles kam. Schicksal, was? Ich sah dort, live und mit eigenen Augen, „Les Demoiselles d’Avignon“! Ich sah „Die drei Musiker“. Zu Hause hatte ich ein kleines Plakat von diesem Bild an der Wand. Für mich war es eine kubistische Interpretation von meinen zwei Brüdern, Rich und Jim, und meinem Rock ’n’ Roll-Trio, komplett mit dem Familienhund, der rechts als Schatten auftauchte. Als ich es im Original vor mir sah, überwältigte es mich geradezu. Die Farben waren so lebendig, die Größe war so enorm, die Beleuchtung so dramatisch, daß ich fast auf die Knie sank. Ein Kniefall und das Bekreuzigen nach Art der Katholiken schien das einzig Angemessene zu sein … angesichts von Gott auf Leinwand. Das war kein Druck. Picasso, der Meister selbst, hatte den Pinsel in die Ölfarben ­getaucht und dann das Öl auf die Leinwand gebracht. Auf diese Leinwand! Genau diese Leinwand, vor der ich jetzt stand, in Ehrfurcht erstarrt. Er hatte das Bild 1921 kreiert, und nun war es hier. In echt. Ah … die Kunst!

      Ich ging ins World Cinema, um mir „ausländische Filme“ anzusehen. Ich sah Truffauts „Sie liebten und sie schlugen ihn“. Von Ingmar Bergman „Wilde Erd­beeren“ und „Das Siebte Siegel“. Marcel Camus’ „Orfeu Negro“ – meinen Lieblingsfilm. „L’Avventura (Die mit der Liebe spielen)“ von Michelangelo Antonioni, ein sehr erwachsener Streifen über Langeweile und Entfremdung. Er weckte Gefühle, die ich damals nicht verstand, und ich bin mir nicht sicher, ob ich sie heute ­verstehe. Auch sah ich Orson Welles’ „Citizen Kane“. Ein phantastisches Werk. Seit der Aufführung im World Cinema habe ich diesen Film sicher fünfzehn oder zwanzig Mal gesehen. Ob er die Zeit überstanden hat? Ob man ihn sich öfters ansehen kann? Ob ich ihn noch einmal sehen möchte? Aber ganz sicher! Diese Fragen kann man bei einem cinematografischen Kunstwerk nur mit „ja“ beantworten. Wenn man das nicht kann … dann ist es keine Kunst. Akira Kurosawas „Rashomon“ und „Die sieben Samurai“ bekommen ein dickes Ja. Ein wunderbarer Regisseur. „Ran“ drehte er in seinen Siebzigern, vielleicht sein größtes Werk … mit 75 Jahren! Was für eine Willenskraft! Bergman schuf mit Ende sechzig den ebenfalls brillanten Film „Fanny und Alexander“. Man kann nur hoffen, daß wir in diesem Alter auch noch von solch einer Kraft und Leidenschaft für die Kunst erfüllt sein werden.

      Die Filme, die ich in diesem kleinen Kino neben der Orchestra Hall sah, waren überwältigend. Vorher hatte ich nicht gewußt, daß man solche Streifen ­drehen konnte, ja drehen durfte. In den Fünfzigern war ich eigentlich kein Filmfreak. Hollywood-Produkte. Wen interessierte das? Mit James Dean vielleicht. Alles andere war mir egal. Aber das World Cinema öffnete mir die Augen für die Chance von Kunst im Kino.

      ***

      Während meines Studiums hatte ich jede Menge Dates. Sehr viele gutaussehende Frauen gab es dort. Irische, italienische, polnische, deutsche, angelsächsische und jüdische Mädels. Wilde Zeiten mit wilden Dates. Tolle und frustrierende Flirts. Wir lebten in den Fünfzigern, und da wollten sich die Mädchen noch für ihre Ehemänner aufsparen. Damit machten sie dich vor Geilheit verrückt. Im Auto wurde geschmust. Umarmungen, ein bißchen Grabbelei und Zungenküsse, der Geschmack von Lippenstift und Speichel, zwei Körper erhitzten sich, bis die Autoscheiben ­beschlugen. Ich hatte eine Riesenlatte, und sie mußte feucht wie ein Regenwald sein, wir waren „ready as anybody can be“, bereit, endlich alle Glocken bimmeln zu lassen … und dann: „Nein, nein, nein. So weit wollen wir nicht gehen, Ray.“

      Ich konnte es nicht fassen. Sie konnte doch jetzt nicht aufhören!

      „Wir müssen es einfach tun, Barbara“, bettelte ich. „Ich kann nicht mehr länger warten.“

      „Nein, Ray. Ich will mich aufsparen.“

      „Wofür denn?“

      „Ich weiß nicht. Es ist einfach nicht richtig.“ Jetzt kam sie mir mit Religion.

      „Doch, es ist richtig … es ist schön“, lockte ich. „Wir sollten uns lieben … jetzt. Hier.“ Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, bitte zu sagen.

      „Ich kann nicht, Ray. Es ist Sünde.“ Diese blöden katholischen Mädchen.

      „Es ist keine Sünde, das verspreche ich dir.“

      „Das kannst du nicht versprechen … das kann nur Gott.“

      Meine Hand lag auf ihrem Busen. Er fühlte sich voll und hart und jung an. Mir kam der Dampf fast aus den Ohren. Sie ist wunderschön … dachte ich. Ich ­begehrte sie. Ich wollte diese Frau.

      „Barbara, das ist alles Sünde. Alles, was wir heute abend gemacht haben.“ Ich versuchte es mit Logik. „Warum vollenden wir es jetzt nicht auch?“

      „Ich will das nicht, Ray. Ich will nicht … ich will nicht.“

      Ich zog sie an mich und küßte sie mitten auf den Mund. Ihre Zunge schoß der meinigen wie eine Schlange entgegen. Ich drückte mich gegen sie, ihr Bein berührte meinen Schwanz. Der kleine Ray pochte wie verrückt, er war schon völlig außer sich. Ich hatte keine Kontrolle mehr über ihn. Er beherrschte mich. Er wollte explodieren. Ich begann, gegen ihr Bein zu reiben. Ich konnte nicht mehr, ich hielt es nicht länger aus. Ich mußte jetzt kommen! Also – wamm! Ich ejakulierte in meine Hosen. Was für eine Erleichterung. Ekstatische Schauer durchliefen mich. Ich preßte mich gegen sie. War das warm. Ein gutes Gefühl. Aber jetzt ist es in ­meinen Hosen, nicht mehr in meinem Körper. Iiihh, wie eklig!

      Ich sah auf die Uhr, während sich das warme Sperma in meinen Shorts ­verteilte. „Ich glaube, wir müssen gehen, Barb. Ich will nicht, daß deine Eltern auf mich sauer sind.“

      „Oh Ray, bitte jetzt noch nicht.“ Sie war genauso heiß und wollte ihr Östrogen-High noch nicht aufgeben. Ich wollte das auch nicht. Aber das warme Sperma würde schnell abkühlen und anfangen zu kleben … na ja, und ich war halt auch fertig. Sie wollte mich ohnehin nicht an ihre Zuckerbüchse lassen.

      „Nein, Barb, ich glaube, wir müssen wirklich los.“ Ich startete den Wagen, und es ging zurück. Raus aus dem Marquette Park. Zu ihr nach Hause. Ich gab ihr einen Gutenachtkuß. Zur Tür bringen konnte ich sie nicht, weil ich einen riesigen kalten Spermafleck auf der Hose hatte. Wie peinlich.

      „Bis


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