Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors. John Densmore
Stück Gummi beigebracht zu bekommen, während um einen herum glimmernde Schlaginstrumente in allen möglichen Farben standen.
Aber Mr. Muir bestand darauf, dass ich für ein großes, lautes Schlagzeug noch nicht reif sei – oder seine Ohren waren nicht reif genug, die Proben meiner Trommelei zu hören. Ich war darauf bedacht, ihm zu imponieren, weil vor meiner Unterrichtsstunde Hyle King dran war, ein vierzehnjähriger Junge mit pomadegeformtem Haar. Aber er war ein verdammt guter Drummer und ein noch besserer Pianospieler. Mit vierzehn schon ein Musiker.
Ich vermutete, dass meine Eltern Mr. Muir dafür bezahlten, dass er mich von den misstönenden Drums bis zur letzten Sekunde fernhielt. Aber es war zu meinem Besten. Diese neun Grundregeln sorgten dafür, dass ich später den Unterschied zwischen einer baumstumpfhämmernden, heavy-metal orientierten Technik und einem feinsinnigen Jazzrock-Stil erfühlen konnte.
Ein Jahr später war ich in der 8. Klasse und wurde der Paukenspieler des Symphonie-Orchesters der Schule. In einem Orchester verbringen die Paukenspieler eine Menge Zeit damit, die Takte bis zu ihrem Einsatz zu zählen. Wie auch immer, die Pauken sind gewöhnlich erst am Ende einer Symphonie dran, wenn dramatische Trommelwirbel die Crescendos akzentuieren müssen. Ich liebte es, zu dem dramatischen Höhepunkt von „Das Große Tor von Kiev“ beizutragen, dem letzten Satz von Mussorgsky’s „Bilder einer Ausstellung“ (Natürlich waren unsere Stücke vereinfachte Fassungen der klassischen Originale).
Auf der Highschool wurde ich in die Marschkapelle befördert. Mit den grässlichen, federgeschmückten Hüten und den protzigen, aufgetakelten Uniformen fühlte ich mich wie in der Armee. Damals war das Spielen in einer Marschkapelle so etwas wie Aussatz, aber ich mochte die Energie, mit vierzig anderen Musikern zu spielen.
Ich arbeitete mich dann zum Beckenspieler hoch, bis ich schließlich erster Marschtrommler wurde. Von allerhöchster Wichtigkeit ist es, ein solides Gefühl für Takte zu entwickeln, indem man zuerst die Grundschläge lernt (bei den Ureinwohnern Amerikas wurden diese „Großvatertakt“ genannt). So bekam ich das richtige Feeling, die komplizierten rhythmischen Nuancen der Snaredrum spielen zu können. Wenn man Marschrhythmen auf dem kompletten Schlagzeug spielt, so bedient man alle Perkussionsinstrumente gleichzeitig: Snare, Bass, Tom-Tom und die Becken. Ich hatte das Glück, alle Schlaginstrumente separat lernen zu müssen. Die Tatsache, dass ich jedes einzelne gründlich beherrschte, kam mir zugute, wenn ich sie alle zusammen spielte.
*
Es war 1960. Kennedy stritt sich mit Nixon. Die Pirates schlugen die Yankees in der World Series. Wyatt Earp war die populärste Show im Fernsehen und The Apartment gewann den Oscar für den besten Film des Jahres. Sänger wie Pat Boone und Fabian trieben sich auf den vordersten Plätzen der Hitparade herum.
Ein Musiker galt immer noch nicht als cool. Definitiv die Coolsten waren die Footballspieler. Danach kam Basketball, dann Baseball, Sprinten und schließlich Tennis. Die Muskelprotze mit ihren Team-Pullover kriegten die Mädchen. Als Mitglied eines Tennisteams wurde man für schwul gehalten – man nannte solche Leute damals „faggots“.
Ich war der letzte Mann in dem Tennisteam und dazu auch noch in der Paradegruppe. Wenn ich so zurückblicke, war Musik in diesen einsamen Jahren des Aufwachsens wie auch in den folgenden meine Rettung.
Glücklicherweise wurde ich während meines zweiten Jahres auf der Highschool gefragt, ob ich in einer Popgruppe mitmachen wollte. Meine Mutter malte unser Logo auf die Vorderseite meiner Basstrommel – „Terry and the Twilighters“. Alle anderen in der Gruppe kamen wie ich aus katholischen Familien, aber sie gingen immer noch auf Konfessionsschulen. Nachdem ich nach der ersten Klasse unserer katholischen Schule aufgegeben hatte, dachten meine Eltern, dass in einer öffentlichen Highschool weniger Druck ausgeübt werden würde. So gelangte ich schließlich auf die University Highschool oder Uni, wie wir sie nannten, aber um den Katechismusunterricht an Sonntagen kam ich doch nicht herum. The Twilighters spielten schließlich in den katholischen Schulen um L.A. herum – Marymount, Loyola, Notre Dame – und ich fand heraus, dass ich den Mädchen mit meinem Schlagzeugspiel imponieren konnte, oder es war vielleicht nur die Tatsache, dass ich neu in der Gegend war. Was auch immer es war, ich fühlte mich beobachtet, was mich zu einigen Showeinlagen inspirierte. Ich konnte jedermanns Augen auf mich gerichtet fühlen und ich schöpfte aus dieser Aufmerksamkeit eine Art melodramatische Selbstsicherheit. Ich hielt mich für einen ziemlich guten Drummer und das Publikum inspirierte mich zu einer noch stärkeren Konzentration auf mein Spiel.
Nun hatte ich meine eigene Clique. Auf einer der katholischen Partys freundete ich mich mit einem Mädchen namens Heidi an. Ihre Haut war gelblich-braun und sie konnte großartig lächeln.
Sie ging mit Terry, dem Kopf der Band. darum konnte ich es kaum glauben, als sie mit mir tanzte und ihre Arme eng um mich schloss. In der folgenden Nacht träumte ich, wie ich ihr das hawaiianische Kleid auszog und meine Lippen und Hände über ihren weichen runden Körper strichen. Morgens war mein Bettlaken feucht.
Wir begannen, uns zu verabreden, und ich versuchte, sie in mein Bett zu kriegen, aber sie war ihr gesamtes Leben lang von den Nonnen an ihrer Schule gewarnt worden, dass sexuelles Verlangen zu ewiger Verdammnis führe. Hinzu kam, dass sie ihrer Mutter versprochen hatte, bis zu ihrer Heirat Jungfrau zu bleiben. So blieb nichts anderes übrig, als sie zu einem intensiven Petting zu bringen. Ich entsinne mich, dass ich mit Heidi zu einigen Tanzveranstaltungen in Marymount ging, wo die Nonnen, die mir in meinen Träumen immer als kleine Pinguine erschienen, nicht nur angesichts ihres kurzen Kleides die Stirn runzelten, sondern auch herumliefen und darauf achteten, dass genügend Luft zwischen unseren Körpern während der langsamen Tänze war. Terry machte keine Bemerkung über Heidi und mich, aber ich fühlte mich ziemlich mies bei dem Gedanken, meinem besten Freund die Freundin abspenstig gemacht zu haben. Kurz danach wurden unsere Übungsabende recht unerfreulich und die Band brach auseinander.
Nachdem ich ein paar Jahre mit Gelegenheitsjobs als Mietdrummer verbracht hatte (bei Hochzeiten, Schultanzveranstaltungen, jüdischen Feiern), machte ich meine Abschlussprüfung auf der Highschool.
Außer in Musik und Sport waren meine Noten durchschnittlich und die großen Universitäten suchten keinen Snaredrumspieler für ihre Paradebands.
Darum fiel ich im Herbst 1963 am Santa Monica College in Apathie und wechselte andauernd die Fächer. Zuerst nahm ich Musik, doch ich dachte, dass ich damit nie meinen Lebensunterhalt verdienen könnte. Danach wechselte ich zu Wirtschaftslehre über. Nachdem ich aber eine schlechte Note in Buchführung bekommen hatte – zum zweiten Mal –, war ich mir sicher, dass jemand mir etwas damit sagen wollte. Vielleicht war das College nichts für mich.
Aber die Musik war in meinem Blut. Zum Studieren fand ich keine Zeit, weil ich mit meinen Kumpels im Musiktrakt herumhing und jammte. Üblicherweise kam dann der Fachleiter den Gang entlanggestürmt.
„Würdet ihr bitte etwas leiser sein?“ flehte er. „Ich übe gerade mit dem Juniororchester.“ Abgesehen von dem ganzen Durcheinander waren wir auf dem richtigen Weg. Wir waren der Grundsockel einer gigantisch großen Paradeband. Ungefähr zur Mitte meines zweiten Semesters wurde unsere SMCC-Band zum stadtweiten Wettbewerb im Rose Bowl zugelassen.
*
„Bbbbbbbrrrrrrrr! Bbrr!“ krächzte die Pfeife. Ich blickte starr gerade aus, während wir durch die Straßen von Pasadena zum Stadion marschierten. Im Vorübergehen drang der Sound der ultracoolen schwarzen Band vom L.A. City College in mein Ohr. Ich hätte nie geglaubt. dass eine Marschkapelle swingen kann, aber diese Typen schafften es.
Kaum hatten wir in dem Riesenstadion Platz genommen. als schon die Resultate verkündet wurden. Die Preisrichter. die unsichtbar irgendwo auf dem Hinweg platziert gewesen waren, riefen die Gewinner auf die Bühne hinauf.
Ich erinnere mich nicht mehr, wer Dritter wurde, aber die folgenden Worte werde ich nie vergessen:
„Der zweite Platz im All-California Junior College Wettbewerb der Marschkapellen geht an das Los Angeles City College!“
Beifall ertönte von den Seitenrängen.
„Und die Nummer eins in unserem Bundesstaat … und der Gewinner eines nationalen Fernsehauftritts … das Santa Monica City College!“