Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors. John Densmore

Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors - John Densmore


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bezeichneten, waren sich nicht der Entwicklung des Jazz vom Bebop über den Cooljazz zur freien Form bewusst. Wie konnten sie ihn dann verstehen? Wir dachten elitär, ohne zu wissen, was das Wort bedeutete. So etwa wie ein Geheimbund.

      Jedesmal, wenn ich die Plattennadel auf Live at the Village Vanguard senkte, um „Chasin’ the Trane“ zu hören, versetzte mich die kraftvolle, treibende Energie in meiner Vorstellung in den Körper des Drummers Elvin Jones. Der Takt pulsierte in meinen Adern.

      Ich habe die letzten fünfundzwanzig Jahre damit verbracht, diese traumhafte Zeit zurückzuerobern – war es wirklich eine traumhafte Zeit? – mit Hilfe von Musik, LSD, Sex, Büchern, Reisen, allem möglichen, um den Lauf der Welt anzuhalten, wie Don Juan zu Carlos Castaneda sagte.

      Aber hauptsächlich versuchte ich es mit Musik.

      Grant und ich gingen zu einem Konzert von Les McCann in den Renaissance Club, wo auch schon Lenny Bruce aufgetreten war. Wir waren zum ersten Mal in einem Jazzclub. Man brachte uns an einen Tisch hinter einem Pfosten. Wir bestellten schüchtern unsere Softdrinks, wohl wissend, dass man unsere Ausweise verlangt hätte, wenn wir Bier geordert hätten. Wir waren die einzigen Weißen in dem Schuppen. Im Renaissance herrschte eine coole Stimmung, eine Ausstrahlung, die wir bisher noch nicht geschafft hatten.

      Dann kam dieser Komödiant auf die Bühne. Seine Show bestand darin, in Abständen von etwa zehn Sekunden mit den Fingern zu schnippen. Das ging so etwa fünf Minuten lang und erreichte seinen Höhepunkt in den beatnik-coolen Ausrufen „All right“ und „Hey, baby“. Ich blickte nicht durch, was er damit sagen wollte, aber seine Persönlichkeit war ansteckend. Er schien total verrückt zu sein, was mir gefiel. Ich identifizierte mich mit Nonkonformisten. Jahre später wurde der Finger-Schnipper Hugh Romney – auch als Wavy Gravy der Hog Farm Kommune bekannt – der Moderator beim Woodstock-Festival.

      Wir wagten uns runter nach Redondo Beach, um Cannonball Adderley in Howard Rumsey’s Lighthouse zu hören. Cannonball ließ seinen Arm kreisen und schnippte mit den Fingern in einem unglaublich schnellen Tempo. Während er so den Takt angab (er schnippte die Off-Beats Zwei und Vier im 4/4 Takt; eine schwierige Übung, denn man muss die Eins und Drei im Kopf mitzählen oder auf Eins und Drei atmen, um das Abzählen beibehalten zu können), redete Cannonball gewöhnlich mit dem Publikum oder seiner Band. „Snip-snip-snip – bist du soweit, Joe (Zawinul) – snip-snip?“

      Er nickt zustimmend mit dem Kopf.

      „Snip-snip – bist du soweit, Bruder Nat – snip-snip?“

      „Yeah … uh-huh.“

      „Snip-snip – meine Damen und Herren – snip – BRUDER NAT IST SOWEIT – snip-snip – ONE-snip-TWO-snip-ONE-TWO-THREE-snip…”

      Dann fingen sie gewöhnlicherweise mit „Jive-Samba“ oder „Dis Here“ an und immer stand mein Mund in staunendem Unglauben offen, sobald dieser schnelle, pralle Sound ertönte.

      Shelley’s Manne Hole war jedoch der Jazzclub. Er war ziemlich teuer, aber irgendwie kratzten wir immer das Geld zusammen. Obwohl wir scharf darauf waren, Mädchen aufzureißen, war der Jazz für uns ein Ersatz. Da Grant selbst Klavier spielte, schleppte er mich fünf- oder sechsmal zu Bill Evans-Auftritten. Zunächst kapierte ich nichts. Der Mann war zu subtil. Dann erkannte ich, welch außerordentliche Anschlagtechnik er beherrschte. Es war beileibe keine Cocktailmusik, wie einige Kritiker annahmen. Ich saß direkt vor der Bühne, als Art Blakely, der König des Trommelwirbels, sich durch glühende Afrojazz-Rhythmen ächzte. Er war damals schon ein End-Vierziger, aber sein Spiel steckte immer noch voller Energie: es hatte mehr Energie als ich, und ich war neunzehn.

      Kerouac und Cassidy sahen Charlie Parker zu seinen besten Zeiten. Wir sahen John Coltrane. Mehrmals. Er war unglaublich. Alle im Publikum machten respektvoll den Weg für ihn frei, wenn er den Raum betrat. Sobald er sein Tenor- oder sein Sopransaxophon nahm und den alten Johnny Mercer-Song „Out of This World“ anstimmte, schwebte Trane tatsächlich aus dieser Welt hinweg. Mit geschlossenen Augen blies er sein Solo und verfiel in eine 15 Minuten dauernde Trance. Bei „Chasin’ theTrane“ spielten sie manchmal eine halbe Stunde lang und oft verschwand der Pianist McCoy Tyner mitten im Song. Dann drehte Coltrane den Rücken zum Publikum, schaute Elvin Jones, meinen Lieblingsschlagzeuger, an und sie trugen den Kampf unter sich aus. Das war so ursprünglich! Genau wie im Dschungel. Grant und ich drückten uns nach dem letzten Set noch hinten im Manne Hole herum, als Elvin mit einem Hammer die zwei Nägel aus den Bühnenbrettern zog, die seine Basstrommel am Verrutschen hindern sollte. Wir hörten, wie Coltrane das Wort „Hotel“ zu Elvin sagte und während der nächsten Tage war alles, was wir einander sagen konnten, „Hotel, Hotel“.

      Meine eigene musikalische Karriere steckte immer noch in ihrem Raupenstadium, aber Grant und ich jammten stundenlang miteinander und imitierten McCoy und Elvin. Ab und zu spielten wir auf Brüderschaftsfesten an der UCLA, wo wir Top 40-Hits spielten. Die Nacht machten wir fünf Sets zu je 45 Minuten und bekamen dafür 15 Dollar pro Nase ­ in jenen Tagen eine Menge Geld. Wir stellten eine Band zusammen mit dem 1,95 Meter großen Gitarristen Jerry Jennings, der ein perfektes Gespür für Töne hatte. Wenn irgendwo eine Pfeife von einem Fabrikgelände ertönte, sagte Jerry „E-Dur“. Ein grauenvoller Bassist rundete die Gruppe ab, aber er spielte einen akustischen Bass und war demnach kaum zu hören.

      Unsere Auftritte auf diesen Feten unterschieden sich natürlich radikal von der Musik in den Jazzclubs und sogar von der in Rockclubs. Die Lautstärke des „small talk“ war wesentlich höher und es herrschte allgemein eine aggressive Stimmung, die von der Menge des Bierkonsums abhängig war. An einem Abend verarschten wir die Leute. Wir nahmen einige selbstgemachte John Cage-artige Bänder mit, die sich nach Autobahnverkehr und Toilettenspülung anhörten. Mitten in Songs wie „Louie, Louie“ spielten wir die Bänder ein. Die Brüder gafften reichlich verwirrt, tanzten und tranken aber weiter. Um in Bars spielen zu können, musste man 21 Jahre alt sein und wir waren nur 19. So fuhren Grant und ich in seinem VW-Bus nachTijuana, um uns falsche Ausweise zu besorgen. Ich hoffte auch, dort meine lästige Jungfräulichkeit zu verlieren. Grant hatte schon eine dreizehnjährige Nachbarstochter verführt und war deswegen nicht ganz so verzweifelt wie ich. Er ließ mich und einige seiner Freunde zuhören, wie er und das Nachbarmädchen es in der Garage miteinander trieben. (Nach zwanzig Jahren Zusammenleben und zwei Kindern beschlossen sie schließlich zu heiraten.)

      Aus mir wurde ein Nervenbündel, als ich schließlich an der Ecke der Tenth und der Avenida de Revolución stand, der anrüchigsten Straßenecke in Tijuana. Ein Mexikaner näherte sich und murmelte: „Hey, du Surfer, Bennies, Spanische Fliegen, falschen Ausweis, meine Schwester?“ Ich hatte weder blonde Haare noch eine sonnengebräunte Haut, trotzdem sah ich für ihn wie ein Surfer aus. Vielleicht war diese Bezeichnung nur ein weiterer Spitzname für uns Gringos. Aber sechs Dollar später hatte ich einen Militärausweis, der besagte, dass ich reife 22 war.

      Aber nun rein in die Betten. Derselbe Typ schleuste uns zu einem schmalen Durchgang zwischen zwei Läden, wo am Ende einige schmutzige Löcher mit alten Matratzen ausgelegt waren. In dunklen Ecken räkelten sich einige kichernde mexikanische Frauen, die so aussahen, als ob sie zwischen dem sechsten und achten Monat schwanger waren. Doch so hatte ich mir meine Einführung nicht vorgestellt.

      Wir gerieten in Panik, weil uns kein Ausweg aus dieser Situation erschien. Einige der Weiber grabschten nach unseren Armen und mehrere Männer bewegten sich plötzlich hinter ihnen. Wir warfen das Geld auf die Matratzen und rannten davon.

      Einige Meilen nördlich von San Diego wurden wir von einem Beamten der Einwanderungsbehörde angehalten. Das Rücklicht des VW-Busses war ausgefallen.

      „Ihr kommt aus Tijuana zurück und habt kein Licht am Schwanzende!“ scherzte der Beamte.

      *

      Im Herbst 1964 zogen Grant und ich bewaffnet mit unseren falschen Ausweisen aus unseren Elternhäusern in die entstehende Hippiekommune im Topanga Canyon. Meine Eltern trugen die Hälfte der monatlichen 70 $-Miete, solange ich noch auf’s College gehen würde.

      Ich wechselte zum San Fernando Valley State College über, das direkt hinter dem Canyon lag, einer schönen, baumreichen, bergigen Gegend, etwa vierzig Minuten von Hollywood entfernt.


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