Sweet Dreams Are Made Of This. Dave Stewart

Sweet Dreams Are Made Of This - Dave Stewart


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      Ich setzte ein verwirrtes Gesicht auf und sagte: „Er muss phantasieren, Officer.“ Ich wich zur Seite, damit die Cops übernehmen konnten.

      Mittlerweile war die halbe Straße voll von in Pyjamas gekleideten Anrainern und während die Szene immer unübersichtlicher wurde, schlichen sich Pam, Dave Mahoney und ich davon. Als wir zu Hause eintrafen, zitterte Pam und ging ins Bett, während ich versuchte, Dave dazu zu bewegen, es ihr gleichzutun. Gegen drei Uhr morgens vernahmen wir einen Mordsradau aus der Küche. Dort fanden wir Dave auf dem Boden, bedeckt mit Tellern, Untertassen und Besteck, wie er versuchte, eine Dose seitlich mit einem Schraubenzieher zu öffnen. Er lächelte mich an und fragte: „Willst du auch was?“

      Pam und ich beschlossen, aus unserer Wohnung auszuziehen und in einem Londoner Squat unterzukommen. Alles wurde zunehmend beängstigender für Pam. Alles war einfach zu unsicher. Wir hatten überhaupt kein Geld und die Londoner Mietpreise waren ziemlich überzogen, weshalb ich die Idee hatte, in einen Squat zu ziehen, um Geld zu sparen.

      Kurz vor unserem Umzug verkündete sie, dass sie etwas Erspartes hätte und Ann Zadik von Island Music in Amerika besuchen wollte, die mittlerweile einen Amerikaner geheiratet hatte und in Laguna Beach lebte. Als Pam dort war, begriff sie schon bald, wie stürmisch und chaotisch ihr Leben in London war, als sie es mit Laguna und dem kalifornischen Lebensstil verglich. Sie verliebte sich förmlich in die Vorstellung, von nun an dort zu wohnen, vor allem, da wir uns ja schon auseinandergelebt hatten.

      Während ihres USA-Aufenthalts, der sich eine Ewigkeit hinzuziehen schien, traf sie jemand Neues – ebenso wie ich auch. Sie hieß Katy und inspirierte mich dazu, wieder mit dem Songwriting anzufangen, was ich schon lange nicht getan hatte. Einer der Songs, die ich schrieb, handelte von ihr – und an diesem Abend blieb sie schließlich bei mir.

      Am nächsten Morgen, als wir gerade ins Auto stiegen, damit ich sie zur Arbeit fahren konnte, wurde ich von der Polizei festgenommen. Ich hatte etwas Gras dabei und erklärte, dass Katy nichts damit zu tun hätte, weshalb die Bullen sie gehen ließen. Ich hingegen saß in der Tinte und musste mit aufs Revier und später noch zum Amtsgericht.

      Pam kehrte schließlich zurück und obwohl unsere Beziehung längst den Bach runtergegangen war, zogen wir mit dem Dichter Tim Daly und seiner Freundin Pauline zusammen. Sie hatten eine Wohnung und es war noch genug Platz für uns beide. Zuerst hatten wir uns ein Haus geteilt, dann in einem eigenen Apartment gewohnt – und nun lebten wir in einem Zimmer in der Wohnung von anderen. Es war total klaustrophobisch.

      Ungefähr zur selben Zeit wurde ich von Transatlantic Records kontaktiert. Dort wollte man wissen, ob ich mit einer ihrer Bands namens Sadista Sisters arbeiten würde. Ich kannte Jude, die Leadsängerin, und ebenso Teresa d’Abreu und Linda Marlowe. Zuerst bestand das Line-up aus sage und schreibe neun Frauen. So etwas wie sie hatte ich noch nie gesehen oder gehört. Sie spielten weder Rock’n’ Roll noch Soul oder Folk. Sie waren vielmehr ein feministisches Underground-Theater-Ensemble, das Musik machte. Judes Style war auf gewisse Weise prä-Punk. Das Fringe-Theater, das sich langsam entwickelte, hatte Frauen in puncto Rollen nur wenig zu bieten. Nicht einmal im Publikum zu sitzen, stellte eine echte Option dar, und die Sadista Sisters waren als direkte Reaktion auf das von Männern dominierte Theater der Siebzigerjahre gegründet worden.

      Jude war in Kalifornien als Trapezkünstlerin aufgetreten, hatte in einem an Grotowski orientierten Ensemble namens KISS in Frankreich gearbeitet und war außerdem Mitglied von Steven Berkoffs ersten Ensembles, die in Wien und am Londoner Roundhouse auftraten. Um genau zu sein, hatten Teresa und Jude die Sadista Sisters als direkte Reaktion auf ihre Zusammenarbeit mit dem brillanten, aber auch frauenfeindlichen Steven Berkoff aus der Taufe gehoben.

      Jude war im fünften Monat schwanger, als sie einen Album-Deal mit Transatlantic unterzeichnete. Sie wusste nicht, dass sie schwanger war, und erschrak zu Tode, als sie es herausfand. Sie hatten eine großartige Presse, als sie eine Spielzeit lang in Ronnie Scotts Club auftraten. Judes Baby kam praktisch auf der Bühne zur Welt.

      Jude war vielleicht fünf oder sechs Jahre älter als ich und hatte wirklich schon viel hinter sich. Ein paar Jahre zuvor hatte sie in Amerika gelebt und eine Rolle in einem Film bekommen, doch in der Nacht vor dem ersten Drehtag fing ihr Nachthemd Feuer, als sie sich einen Toast machen wollte. Als ihr Mitbewohner nachhause kam, stand er nur da und sah zu, weil er auf LSD war. Außerdem hatte er einst schon das Haus seines Vaters niederbrennen gesehen. Er verstand wohl nicht, dass das real war. Jude erlitt Verbrennungen dritten Grades und ihr wurde mitgeteilt, dass ihr Arm amputiert werden müsste. Da allerdings kein Familienmitglied da war, das das entsprechende Formular hätte unterzeichnen können, musste sie sich einer schmerzhaften Hauttransplantation unterziehen.

      Als sie mir dies erzählte (und ihre Geschichten wurden immer seltsamer), erschien sie mir zunehmend faszinierender und ich verknallte mich mordsmäßig in sie. Es war das erste Mal, dass ich eine weibliche Künstlerin kennenlernte, die gleichzeitig extrem stark, sexuell provokant und anarchisch war. Sie hatte eine gut ausgeprägte Vorstellung von dem, was sie tun wollte und wie sie es bewerkstelligen würde.

      Ich stürzte mich Hals über Kopf in diese Beziehung. Jedoch war ich dummerweise sehr naiv in Bezug auf dieses Verhältnis, immerhin wusste ich, dass sie eine zweijährige Tochter namens Amy hatte. Ich hatte keine Vorstellung von der Verantwortung, die ein Kind mit sich bringt. Doch war ich geradezu liebestrunken, gebannt von ihrem Zauber und sexuell betört.

      Ich hatte auch keine Ahnung von Theater und verstand nicht, warum eine feministische Theatertruppe männliche Musiker anheuerte. Angeblich zwang sie das Label dazu. Zugegeben, die meiste Zeit war ich verwirrt, aber auf mich wirkte dies alles so verrückt, bahnbrechend und stimulierend – und nach den Proben hatten Jude und ich oft leidenschaftlichen Sex. Zu jeder Zeit und überall. Ich war verrückt nach ihr und erklärte mich bereit, mit den Sadista Sisters und ihrer gesamten Entourage auf Tour zu gehen.

      Unsere erste gemeinsame Tour war recht interessant – gelinde gesagt. Nach den extravaganten Elton-Touren ging es hier ums blanke Überleben. Zuerst lebten wir in einer Art Armeelager in den niederländischen Wäldern. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern, außer dass ich jede Nacht mit Jude auf dem Boden einer Hütte schlief. Das war alles sehr romantisch, die Art von Romantik eben, die man mit verarmten Künstlern assoziiert. Als wir dann schließlich auftraten, war es die vielleicht am schlechtesten organisierte Tour, an der ich je teilnahm. Da keiner von uns Geld hatte, mussten wir sogar als Straßenmusikanten auftreten.

      Ich erfand mich neu als jemand, der sich an jedes Datum, jeden Namen – einfach alles – mit einem Fingerschnippen erinnern konnte. So wurde ich zu „Memory Man“. Der Witz dabei war, dass ich mich an gar nichts erinnern konnte. In Stuttgart ergatterte ich etwa einen Auftritt in einem Club, und zwar vor den Stripperinnen. Als den Gästen mitgeteilt wurde, dass nun der Memory Man käme, wurden alle sauer, weil sie mit Striptease gerechnet hatten. Ich hatte immer jemanden im Publikum, der mir in die Karten spielte und mir zurief: „Wer gewann 1962 die Fußballweltmeisterschaft?“ Aber natürlich erinnerte ich mich an nichts mehr, bis ich langsam einen Nervenzusammenbruch erlitt und von der Bühne getragen werden musste. Das war meine Masche. (Jahre später inspirierten mich meine Abenteuer als Memory Man zu einer Graphic Novel namens Walk In. Der Titel leitete sich von der Vorstellung ab, dass die Seele einer Person einen Körper verlässt und in eine andere Seele „einmarschiert“. Das passiert in der Regel bei einem Unfall oder einem traumatischen Erlebnis. Ich rätsele manchmal darüber, ob mir das vielleicht widerfahren ist, als ich drauf und dran war, den Löffel abzugeben. Eine solche Erfahrung – da bin ich mir sicher – hatte ich zu Beginn unserer nächsten Tour.)

      Jude und ich sonderten uns langsam vom Rest der Band ab, sodass eine gewisse Spannung in der Luft lag. Ich beschloss, meinen Freund Eddie aus Sunderland, der für Longdancer als Roadie gearbeitet hatte, einzuladen, mit uns auf Tour zu kommen und uns zu helfen. Da Jude und ich ein Paar waren, wurde das Gefüge der Gruppe brüchig, weshalb wir beschlossen, in einem separaten Auto zu reisen. Ich mietete uns eines im selben niederländischen Hafen, in dem wir Eddie abholten. Dann fuhr ich damit bis nach Deutschland, wo Eddie sich dann hinters Lenkrad setzte.

      Eine falsche Abzweigung später fanden wir uns schließlich als Geisterfahrer auf der Autobahn wieder. Es war spät


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