Sweet Dreams Are Made Of This. Dave Stewart
meiner Mum Respekt zollte.
Kurze Zeit später schlief ich dann auf dem Fußboden einer schwedischen Dame, Ann Zadik, die bei Island Music arbeitete. Aber schon bald wollte ich, dass Pam bei mir wohnt, weshalb die Band ein Haus in der Bourne Road in Tottenham im Norden von London bezog.
Ich war 18 Jahre alt. Wir waren sehr jung, wir waren in London und wir versuchten, alle möglichen Dinge zu verstehen, auch finanzielle Aspekte. Ich besaß kein Scheckbuch, und natürlich hatten wir keinen Anspruch auf eine Karte vom Diners Club, der damals einzigen Kreditkarte. Jeden Freitag wurden wir von einem Typen namens Steve ausbezahlt, der als Buchhalter bei Island Music arbeitete.
Steve hatte lange, glatte blonde Haare und trug dunkle Brillen. Er war die ganze Zeit stoned und ein echt netter Kerl. Unsere Bezahlung konnte Bargeld, Weed, Hasch oder ein wenig Speed oder Koks sein. Es war keine einfache Entscheidung zwischen marokkanischem Dope, einem Tütchen mit feinstem Weed oder einem Thai-Stick zu wählen, einem extrem starken Gras, das um ein kleines Stück Bambus gewickelt ist. Gelegentlich entschieden wir uns auch für etwas, das wir als „Marschierpulver“ bezeichneten, weil es einen tagelang wachhalten konnte. Wir mussten einzeln eintreten und entscheiden, ob wir Bargeld haben wollten, von dem wir die ganze Woche lang Essen kaufen konnten – oder eben Naturalien und Bargeld, von dem wir nur die halbe Woche satt wurden.
Mit Elton John war es immer witzig. Er war super-schrill und immer perfekt gekleidet. Es war wirklich so, als hätten wir mit dem verrückten Hutmacher aus Alice im Wunderland einen Plattenvertrag abgeschlossen. Wir waren vom Überfluss, der ihn umgab, fasziniert: den Unmengen an Schuhen, Sonnenbrillen, Hüten und so vielem anderem. Alle bei Rocket Records rochen immer vorzüglich und trugen hübsche Armbanduhren. Elton war gegenüber jedem äußerst großzügig und verteilte von dem Moment an, in dem er durch die Tür spazierte, haufenweise Geschenke. Es war so, als würde man sich in einer teuren Privat-Boutique und nicht bei einer Plattenfirma aufhalten.
Rocket befand sich in der Wardour Street 101, im Herzen von Soho, nur ein paar Gehminuten von den Büros von Island Music entfernt, weshalb wir auch immer zu Fuß zwischen den beiden Adressen hin- und herpendelten. Longdancer war eine der ersten Bands auf Rocket Records und schon bald erfuhren wir eine neue Bedeutung der Phrase „over-the-top“.
Zu jener Zeit hatte Elton bereits vier Hit-Alben, was damals hieß, dass er tatsächlich Millionen von Vinylscheiben abgesetzt hatte: Empty Sky, Elton John, Tumbleweed Connection und Madman Across The Water. Wir waren riesengroße Fans, und ich bin es heute noch. Damals war Madman gerade das neueste Album und wir fuhren total darauf ab. Wir ließen es ständig laufen. Sein nächstes Album, Honky Château, bekamen wir vor jedem anderen zu hören. Er war ein unglaublich inspirierender Songwriter und Performer. Und außerdem einer der scharfsinnigsten Köpfe, die ich je kennenlernen durfte. Wenn er die Queen oder Winston Churchill parodierte, konnten wir uns nicht mehr halten vor Lachen – und er konnte innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde zwischen den beiden hin- und herwechseln.
Uns stand allen ein ordentlicher Haufen Geld zur Verfügung – Vorschüsse von unserem Label und unserem Musikverlag – und wir verloren komplett die Kontrolle. Ein paar Leute vom Musikverlag besuchten uns in unserem kleinen Haus in Tottenham. Wir waren wieder einmal total stoned und lagen nur am Boden herum. Außerdem lagen noch etliche Freunde bei uns. Wir hatten ein Pfund Hasch gekauft – einen Brocken von der Größe eines Bildbandes. Zusätzlich hatte ich beschlossen, einen Meskalin-Vorrat anzulegen: Wir hatten Hunderte Kapseln, die mit einem blauem Pulver gefüllt waren, das die äußerst wirkmächtige Chemikalie Trimethoxyphenethylamin enthielt, die man in Peyote findet.
Als unsere Mäzene eintrafen, um ein paar unserer neuen Songs anzuhören, konnten wir nicht einmal mehr sprechen. Wir waren komplett weggetreten. Sie waren, gelinde gesagt, ein bisschen schockiert, da sie sich Kostproben von Songs für unser Album erwartet hatten. Stattdessen sahen sie, wie wir langsam ins Nichts abdrifteten, wogegen sie etwas unternehmen mussten. Sie wollten uns zurück auf die Erde holen und etwas Ordnung in unser Leben bringen.
Deshalb buchten sie für uns ein Aufnahmestudio und zogen Iain Matthews von Fairport Convention (und später Matthews Southern Comfort) hinzu, der uns produzieren sollte. Nach ungefähr einer Woche warf er das Handtuch, weil wir so unerfahren und viel zu stoned waren, um den Aufnahmeprozess zu begreifen. Wie wir unser erstes Album – If It Was So Simple – fertigstellen konnten, werde ich nie verstehen.
Allerdings gelang uns genau das und zur Feier dieses Anlasses wurde eine opulente Party veranstaltet. Elton buchte einen ganzen Zug der britischen Bahn und stopfte ihn voll mit Medienvertretern, anderen Künstlern und gewöhnlichem Fußvolk. Sobald die Leute den Zug bestiegen hatten, wurden ihnen Schampus und Häppchen kredenzt. Die Party war längst im Gange, als der Zug sich in Richtung Moreton-in-Marsh in Bewegung setzte.
Als wir dort eintrafen, taumelten alle aus den Waggons. Wir wurden von einer bunt kostümierten Kapelle willkommen geheißen und von ihr zum örtlichen Veranstaltungszentrum eskortiert, wo die Partygäste noch mehr lukullische Freuden sowie ein Auftritt von Longdancer erwartete. Die Performance geriet so außer Kontrolle, dass sich irgendwann Muff Winwood zu uns gesellte und versuchte, uns mit blutenden Fingern auf einem Klappsessel zu begleiten. Es wurden jedenfalls keine Kosten gescheut und jeder ging mit einem handgefertigten Beutel nachhause, der sowohl unser Album als auch schmucke T-Shirts und kleine Spielzeugzüge als Andenken an diesen Tag enthielt.
Tatsächlich erinnern sich nur mehr wenige an diese Fahrt, doch ging sie als eine der extravagantesten Plattenpräsentationen überhaupt in die Geschichte ein. Wäre all das Geld in die Vermarktung geflossen, hätte sich die Scheibe vermutlich viel besser verkauft. Aber es war trotzdem eine tolle Party.
* * *
Pam und ich beschlossen zu heiraten. Keine Ahnung, warum wir das taten, immerhin war ich gerade einmal 19 und sie sogar noch zwei Jahre jünger. Die Ehe schien so altmodisch. Aber dennoch begaben wir uns nach Sunderland, um unseren Bund im örtlichen Standesamt zu besiegeln. Inzwischen hatten wir viele exzentrische und interessante Leute kennengelernt und meine Mum lebte mittlerweile mit Julian zusammen.
Unser Freund Tim Daly, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war, nachdem man ihn inhaftiert hatte, weil er das Imperial War Museum in Brand gesteckt hatte, schlief tief und fest auf den Treppen vor dem Standesamt, als Pam und ich dort eintrafen. Er hielt ein riesiges Samuraischwert umschlungen, das sein Geschenk an uns war. Ich denke, Pam hätte sich eher für einen Standmixer erwärmen können.
Mein Vater wohnte der Zeremonie bei, als wäre es bloß ein alltägliches Ereignis im Leben der Stewarts. Im Anschluss luden Pam und ich ein paar Freunde ein, uns zum Haus unserer Freunde Brian und Pauline zu begleiten, wo wir gemeinsam feiern wollten. Als die Party in Schwung kam, schüttelte Dad nur den Kopf und murmelte: „Chaos. Das reine Chaos.“
Und damit lag er richtig. Longdancer hatten mittlerweile Roadies und diese Typen hatten die Grateful Dead kennengelernt, als diese in London aufgetreten waren. Die Dead hatten etwas California Sunshine mitgebracht – LSD aus der Produktion von Owsley Stanley. Das Zeug war extrem wirkungsvoll: Nachdem ich eine orange Kapsel ungefähr zehn Minuten lang in der Hand gehalten hatte, konnte ich es durch die Poren meiner Haut spüren. Man musste es zur Verdünnung in ein Glas Wasser geben, was dann für acht bis zehn Leute ausreichte.
Aber jeder von uns schluckte eine, was viel zu viel war – vor allem für die vier von uns, die noch nie zuvor Acid eingeworfen hatten.
Ich realisierte, dass die Dosis viel zu stark war. Das Letzte, was man will, bevor man sich in eine andere Dimension verabschiedet, ist, sich für andere Leute verantwortlich zu fühlen. Meine junge Braut hatte sich in der Toilette eingeschlossen und war überzeugt, dass die Tür atmete. Das bereitete mir Sorgen, aber nur für einen Moment oder so, weil ich wie alle anderen die Wand anstarrte oder den Teppich zu lesen versuchte. Ich war überzeugt, dass darauf ein ganzer Artikel über uns stand.
Da wir mittlerweile alle halluzinierten, entschied ich, dass wir ins Freie gehen sollten. Dort führte ich alle durch ein kleines Feld. Unter freiem Himmel fühlten wir uns gleich viel besser. Wir lagen im Gras und bildeten einen Kreis, bei dem wir uns an den Köpfen berührten. In dieser Position verweilten wir zehn Sekunden oder auch acht Stunden lang. Die Zeit verlor ihre