Sweet Dreams Are Made Of This. Dave Stewart
der auf mittelalterlicher Musik für Lauten und Blockflöten basierte. Sie hatten langes Haar und trugen gefranste Raulederstiefel und wirkten wie Barden aus einer anderen Zeit – wie elisabethanische Rockstars, wenn man so will. Sie stammten aus Lincolnshire und sangen Lieder über die Lincoln Cathedral und sächsische Ladys.
Als sie in Sunderland gastierten, kletterte ich in ihren Van und versteckte mich. Sie fuhren circa 300 Kilometer zurück nach Scunthorpe, wo sie wohnten, bevor sie mich bemerkten. Es war ungefähr sechs Uhr morgens, als die Roadies die Ausrüstung ausluden. „Was zum Geier?“, entfuhr es ihnen. Dann ließen sie sich von mir die Nummer meines Vaters geben und riefen ihn an. Sie sagten: „Ihr Sohn ist als blinder Passagier in unserem Van mitgefahren. Was sollen wir mit dem Jungen machen?“
Ich nahm den Hörer und sagte: „Dad, ich möchte so sehr auf Tour gehen. Darf ich bleiben? Sie werden mir das ganze Zeug schon beibringen.“
Es waren gerade Sommerferien und er ließ sich erweichen. Auch die Band willigte ein: „Okay, Junge. Du darfst noch ein bisschen bleiben.“
Das war wie ein Traum für mich. Ich war mit einer echten Band auf Tour! Zum allerersten Mal spürte ich, welchen Weg ich beschreiten würde und es gab für mich kein Zurück mehr – diese Sache sollte für die nächsten paar Jahrzehnte in den Mittelpunkt meines Daseins rücken. Es machte mir nicht einmal etwas aus, dass ich in einem Hundekorb schlafen musste. Sie hatten eine Dänische Dogge, die mir ihren Schlafplatz überlassen musste, obwohl ich mich deswegen ein wenig schuldig fühlte, denn ich hätte gerne geteilt.
Sie nahmen mich zu ihren Gigs mit und zeigten mir alles – beispielsweise wie man einen Verstärker verkabelte und abnahm. Irgendwann ließen sie mich sogar zwei Songs in ihrem Vorprogramm spielen. So wurden wir zu Freunden und ich blieb mit ihnen für eine gefühlte Ewigkeit auf Tour, obwohl es wahrscheinlich nur zwei Wochen waren. Dann lieferten sie mich in Sunderland ab, wo sie auch meinen Dad kennenlernten.
Das war also der Anfang. Ich liebte es, mich mit einer Band herumzutreiben. Es war mein erster Kontakt mit dieser Welt. Sie waren ein wenig exzentrisch, klar, aber auf eine gute Weise, was mich ansprach. Ich fing daraufhin an, alleine Zugreisen zu unternehmen. Jeden Samstag begab ich mich zum Bahnhof in Sunderland und erkundigte mich, wohin ich für etwa einen Shilling oder einen Half Crown, was in etwa einem Achtel Pfund entsprach, fahren könnte.
Meine Gitarre hatte ich wie ein Baby in eine kleine Decke gewickelt und in einer Gitarrentasche verstaut, die ich auf dem Rücken trug. Als Dave Gibson nach York zog, um dort aufs College zu gehen, fuhr ich mit dem Zug dorthin, um ihn zu besuchen. Einmal traf ich mitten im Winter unangemeldet bei ihm ein. Allerdings war er für das Wochenende weggefahren, weshalb ich mit meiner winzigen Gitarren-Decke auf dem eiskalten Flur übernachtete. Jahre später schrieb ich einen Song über diese Zeit, als meine Mum uns verließ und ich zu all diesen Abenteuern aufbrach. Der Song hieß „Magic In The Blues“ und erschien auf meinem Album The Blackbird Diaries.
I was feeling empty-hearted
Colder than a stone
Walked around the house all day
Looking for a home
Lay down on my brother’s bed
Tried on my father’s shoes
Picked up my mother’s wedding ring
The one she tried to lose
When she went looking for some clues
To find Magic in the Blues.
Zu jener Zeit trat auch Brian Harrison, ein Aushilfslehrer, der gerade das College hinter sich gebracht hatte, in mein Leben. Er spielte Gitarre, wusste alles über Harmonien und hatte bereits viele Gigs in Folk-Clubs absolviert, als er noch das College besucht hatte. Außerdem war er mit einigen etablierten Folk-Duos wie den Dransfields (Robin und Barry) oder den Fureys (Eddie und Finbar) aus Irland befreundet. Diese beiden Duos spielten traditionellen Folk und waren großartige Sänger, die mehrere Instrumente beherrschten. Brian bot mir somit eine Eintrittskarte in eine Welt, für die ich gestorben wäre, um in ihr aufgenommen zu werden. Darüber hinaus schlug er mir noch vor, dass wir ein Duo wie die eben genannten bilden könnten.
Brian wurde mein Mentor und ich war ein extrem bereitwilliger Schüler. Für mich war dies das absolute Gegenteil von langweiligen Unterrichtsstunden über Algebra oder darüber, wie sich Kaulquappen in Frösche verwandelten, begleitet von einer gelegentlichen Kopfnuss. Schließlich braucht es mehr als reine Logik, um eine Raupe in einen Schmetterling zu verwandeln, wie mir mein Stiefvater Jahre später erklären sollte. Brian wirkte wie ein Katalysator auf mich, der mir die Welt des Folk-Sängers, des Troubadours öffnen würde, und ich war für seine Lektionen mehr als aufnahmebereit.
Zuerst spielten und sangen wir in der Küche meines Dads, weil der Boden dort verfliest war, wodurch die Akustikgitarren einen klaren, tollen Klang hatten. Außerdem war nie wer zu Hause, weshalb wir stundenlang ungestört proben konnten. Ich lernte Harmonie-Parts zu singen und wurde hinsichtlich meiner Zupf- und Schlagtechniken ziemlich verlässlich. Die Songs, auf die wir uns einigten, waren eher melancholisch angehauchte schottische und irische Nummern oder ein paar northumbrische Weisen. Unser Repertoire umfasste Songs wie „Dirty Old Town“ von Ewan MacColl und „The Galway Shawl“, eine irische Komposition, die wir von den Fureys kannten. Wir lernten alte englische Folk-Songs, die Bands wie Steeleye Span spielten. Einer, den wir später auch aufnahmen, hieß zum Beispiel „A Blacksmith Courted Me“.
Ich begeisterte mich für eine neue Gruppe, die Incredible String Band, weshalb wir mit „Painting Box“ einen ihrer Songs einstudierten. Wir spielten außerdem auch Instrumentalstücke von John Renbourne. Wenn Brian sich verabschiedet hatte, spielte ich noch stundenlang weiter, bis ich etwa „Angie“, eine wunderschöne instrumentale Nummer, die der Folk-Sänger Bert Jansch performte, spielen konnte. Ich spielte so lange, bis sich enorme Furchen von den Gitarrensaiten auf meinen Fingerspitzen entwickelten, weil ich wollte, dass meine Version wie seine klang.
Bald hatten wir ein ganzes Set von Songs beisammen, die wir gemeinsam spielen konnten – und bevor ich mich versah, war ein neues Duo geboren. Von nun an war ich die eine Hälfte von Stewart & Harrison. Wir spielten Gigs und fuhren mitunter bis zu 75 Kilometer in Brians Auto, um zu den Auftrittsorten zu gelangen. Es war unglaublich. Wir parkten und stiegen aus – und alle hatten einen anderen Akzent.
Eddie und Finbar Furey trafen 1968 in Sunderland ein, um dort zu spielen. Nach der Show lud Brian sie zu einem Drink ein. Ich hatte schon so viel von Brian über sie gehört, weshalb ich es kaum erwarten konnte, sie kennenzulernen und ihren Anekdoten zu lauschen. Wir blieben fast die ganze Nacht wach, tranken Whiskey, sangen, spielten und lachten. Ich war 15 und hatte selbst schon einige Abenteuer erlebt, aber das hier war anders. Es war fast so, als wären zwei Zauberer eingetroffen. Als Eddie seine Stiefel auszog und buchstäblich Hunderte Pfundnoten herauspurzelten, war ich total baff. Ich war von der ersten Minute an gefesselt von ihnen. Sie waren einfach ein phantastisches, herumvagabundierendes Folk-Duo, das wunderbare Songs schrieb und performte. Finbar war bereits als Champion im irischen Dudelsack ausgezeichnet worden. Darüber hinaus war er ein Singer-Songwriter, beherrschte das fünfsaitige Banjo und spielte Gitarre. Eddie sang, spielte Gitarre und hatte eine wunderschöne Stimme: Ich konnte ihm stundenlang zuhören.
Ich trieb mich auch mit den Fureys eine Zeitlang herum und begleitete sie bis nach Peebles oben in Schottland. Wir lebten gemeinsam in einem verlassenen Eisenbahnschuppen. Eines Abends tranken wir in einem Pub zusammen Whiskey und diese Jungs waren geeichte Trinker. Es kam schließlich zu einem Handgemenge, weil sie Iren waren und sich zu laut in einem schottischen Pub aufgeführt hatten. Ich bekam gar nicht mit, was da vor sich ging, als sie mir plötzlich zuriefen: „Unter den Tisch mit dir, Junge!“
Während sich die Keilerei entfaltete, ging ich unter dem Tisch in Deckung. Ein paar Minuten später wurde ich wieder hervorgezogen und wir machten uns auf den Weg zurück zu unserem Schuppen. Sie riefen: „Beeil dich! Wir müssen die Türen vernageln!“ Wir liefen zum Schuppen und begannen, wie wild Bretter vor die Türen zu nageln, um zu verhindern, dass etwaige Verfolger die Scheiße aus uns herausprügeln konnten. Es war gleichzeitig beängstigend und aufregend. Ich fuhr schließlich erleuchtet zurück