Sweet Dreams Are Made Of This. Dave Stewart

Sweet Dreams Are Made Of This - Dave Stewart


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Mein Zimmer wurde zur Bühne, zur TV-Show, zum Aufnahmestudio. Einfach zu allem, was ich wollte. Ich posierte mit meiner Gitarre vor dem Spiegel und stellte mir vor, der nächste große Sänger zu sein.

      Interessanterweise sah ich mich nicht als Teil einer Band, sondern als Troubadour, als Leonard Cohen, Ralph McTell, Donovan oder Bob Dylan. Und in meinem Tagtraum gab es auch keine kreischenden Girls. Die lauschten vielmehr aufmerksam meinen eloquenten Texten. Das einzige Problem war, dass ich noch gar keine Songs geschrieben hatte. Es sollten noch einige Jahre vergehen, bis ich das tat.

      Irgendwann begriff ich, dass meine Gitarre beinahe nicht spielbar war, da sich die Saiten so weit über dem Hals befanden, dass man sie kaum niederdrücken konnte. Jeden Abend tunkte ich meine Fingerspitzen in Essig, wie mir das gesagt worden war, um sie auf diese Weise aufzurauen. Eines Tages erklärte mir einer der Freunde meines Bruders, dass die Erfüllung meiner musikalischen Ambitionen um einiges erleichtert würde, wenn ich auf einer Gitarre spielte, die dies auch tatsächlich zuließe. Ich tauschte also meine Gitarre, spielte auf ein paar geborgten und benutzte etliche Second-Hand-Exemplare. Dann schließlich hatte ich eine Akustikgitarre von Eko, von der ich nicht mehr weiß, woher sie stammte. Ich weiß nur noch, dass ich ununterbrochen „Chimes Of Freedom“ von Bob Dylan auf ihr klampfte, den Text dazu auswendig lernte und mir beibrachte zu spielen, ohne dabei auf meine Finger zu schauen. Bevor mein Bruder auf die Universität ging, verbrachten wir Stunden damit, Dylans Lieder auf dem Plattenteller laufen zu lassen. Ständig hielten wir sie an, um die Textzeilen niederschreiben zu können.

      Als ich 14 war, gab es keinen Ort, an dem ich Pop- oder Rockgruppen hätte sehen können. Allerdings gab es von der Kirche organisierte Jugendclubs und es hieß, dass eine Band in der St. Gabriel’s Church Hall auftreten würde. Ich wollte unbedingt hin und ein Schulfreund begleitete mich. Das war das erste Mal, dass ich eine Band live sah – und auch mein erster Kontakt mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die Mum meines Freundes war Ärztin und als er mich von zu Hause abholte, um zum Konzert zu gehen, sagte er, er hätte etwas dabei, das uns eine gute Zeit garantieren würde. Er zog ein paar Pillen aus seiner Hosentasche und sagte: „Schluck zwei davon.“ Dann teilten wir uns noch eine Flasche Bulmers Cider, ein alkoholisches Getränk. Wir kippten sie schnell in uns rein, sprangen dann eine Minute lang auf und ab und machten uns auf den Weg zur St. Gabriel’s Church Hall.

      Ich kann mich nur noch an wenig erinnern, etwa an das Badezimmer des Vikars und wie er meine stark in Mitleidenschaft gezogenen Samthosen flickte. Als Nächstes erwachte ich dann während einer Kinovorführung des Films Alfie im Odeon-Kino. Jedenfalls bekam ich die Band erst gar nicht zu Gesicht und hatte ein Gefühl, als ob es mir egal gewesen wäre, wenn mir jemand ins Gesicht geschlagen hätte. Irgendwie schaffte ich es zurück nachhause und schlief die nächsten 18 Stunden durch. Was ich da so gierig verschlungen hatte, war Mandrax – auch als Quaaludes bekannt. Kein sehr zu empfehlendes Mittel, wenn man ausgehen und sich vergnügen möchte.

      David Gibson lebte zwei Häuser weiter und war so alt wie mein Bruder. Auch er spielte gerne auf der Gitarre, einer zwölfsaitigen, was ihm sein Vater, Len Gibson, beigebracht hatte. Ich mochte David und besuchte ihn, wann immer er zu Hause war.

      Len war während des Kriegs im berüchtigten Bantu-Gefangenenlager inhaftiert gewesen. Dort wurden Kriegsgefangene regelmäßig gefoltert und zu Sklavenarbeit gezwungen, etwa zum Bau der Thailand-Burma-Eisenbahn und der infamen Straße von Mergui, die von Hand Meter für Meter in den Dschungel und durch den Fels getrieben wurde. Nur wenige überlebten und Len war einer von ihnen. Während seiner Gefangenschaft entdeckte Len beim Küchengebäude eine Holzkiste, die er eines Nachts verstohlen in seinen Besitz brachte. In der Zeit darauf stellte er sein Talent als Instrumentenbauer unter Beweis, indem er die Kiste zu einer einfachen Gitarre umbaute. Für die Saiten stibitzte er Telegrafendrähte, von denen er wusste, dass sie aus Stahl und mit Kupfer ummantelt waren, denn er war ein Signalgeber bei der 125. Er drehte in mühsamer Kleinarbeit das Kupfer um den Stahl für die tieferen Saiten und dehnte den Draht für die höheren Töne. Den Öffner von einer Konservenbüchse benutzte er dazu, um Löcher für die Stimmwirbel zu schnitzen. Das einzige Problem, das Len nun hatte, bestand darin, dass er gar nicht wusste, wie man Gitarre spielte. Allerdings konnte er ein bisschen Banjo spielen.

      Eines Tages sagte er zu mir: „Du spielst gerne Gitarre, Junge, oder etwa nicht?“

      Ich bejahte.

      „Dann sieh her.“ Er spielte mir auf seiner Gitarre vor und sang dazu. Ich war hin und weg, da es wie eine Memphis-Blues-Schallplatte klang. Ich begriff, dass das damit zu tun hatte, wie die Gitarre gestimmt war. Jahre später, als ich einen Film über den Blues drehte, dämmerte es mir schließlich, dass auch die Instrumente dieser Musiker bloß aus ein paar Stücken Holz und Drähten bestanden hatten. Lange Zeit spielte ich so wie Len auf eigentümlich gestimmten Gitarren. Bis mir schließlich ein weiterer Freund meines Bruders, John Graham, zeigte, wie man eine Gitarre „normal“ stimmte. Auch brachte er mir ein paar Akkorde bei, die mir alle am Anfang sehr seltsam vorkamen. Doch mit der Zeit gewöhnte ich mich daran. Ich lernte mit den Fingern zu zupfen, indem ich Mississippi John Hurt exakt nachahmte. Alles, was er spielte, saugte ich wie ein Schwamm in mich auf. Ich verbrachte täglich Stunden damit, zu spielen und zu lernen. Damals war ich 14 Jahre alt und hatte nicht viele Freunde, allerdings lernte ich zu dieser Zeit einen Typen namens Richard Allison kennen, der ein enger Freund werden sollte. Er besaß eine alte Gitarre und wusste, wie man die Noten in die Länge zog – wie beim Blues eben. So wie Eric Clapton oder Buddy Guy war auch er ganz anders als alle anderen, die ich jemals in Sunderland spielen gehört hatte. Richards Spiel faszinierte mich einfach.

      Das war also die Musik, die ich als erstes auf der Gitarre zu spielen lernte: Blues und Folk. Ich versuchte alle Songs von Bob Dylans erstem Album zu lernen. Damals stand ich nicht so auf die Beatles oder Pop, obwohl sie ständig im Radio liefen. Aber nach meiner musikalischen Erweckung begann ich, Musik mit anderen Ohren wahrzunehmen. So dachte ich mir nun zum Beispiel: „Oh, die Beatles spielen in E-Moll.“

      Ich hatte einen Punkt erreicht, an dem ich wusste, dass ich woanders spielen müsste als in der Küche oder meinem Zimmer. Jedoch war mir nicht klar, wie ich das bewerkstelligen sollte. Ich blätterte in unserer lokalen Tageszeitung und fand die Namen von ein paar Pubs in Sunderland. Eines hieß Londonderry und dann waren da noch das Dun Cow sowie das Rose and Crown. Dort gab es Hinterzimmer oder Räume im ersten Stock, wo Leute Folk-Songs vortrugen. Ich musste dorthin!

      Inzwischen war ich 15 Jahre alt, jedoch wirkte ich drei Jahre jünger, weshalb man mich nicht einlassen wollte. Wild entschlossen setzte ich mich genau vor dem Pub auf den Bürgersteig und schlug und zupfte auf meiner Gitarre herum. Irgendwann realisierten die Leute vom Pub, dass ich tatsächlich spielen konnte und ließen mich rein. Ich bekam sogar ein Bier spendiert. Ich machte mir einen Namen als „dieser kleine Junge mit der großen Gitarre“. Dave Doherty, dem die einzige Boutique auf der Wearside gehörte, verpasste mir noch einen weiteren Spitznamen – „die Wespe“. Sobald ich genug Geld hatte, ging ich in seinen Laden und bestellte bei ihm eine weitere maßgeschneiderte Lederjacke.

      Als Teil der lokalen Folk-Szene von Sunderland fühlte ich mich wie im Himmel, aber in meiner Vorstellung war das hier wie das Greenwich Village. Es gab Alkohol, Zigarettenrauch und ältere Frauen in schwarzen Strümpfen. Ich war nun Musiker und realisierte schon bald, dass ich auch mit anderen Leuten zusammenspielen konnte. Das war wie eine Erleuchtung für mich – so als wäre ich mit der Tardis von Dr. Who in eine andere Welt gereist. Natürlich war die hiesige Folk-Szene isoliert und im englischen Nordosten verankert. Da sangen haarige Männer mittleren Alters über die Kohleminen, die Arbeitslosigkeit, Fischerei-Unglücke und fette Mädels mit Namen wie Cushie Butterfield:

      Sie ist ein großes Mädel, eine hübsche

      Und, ja, ihr schmeckt ihr Bier

      Und man nennt sie Cushie Butterfield

      Und ich wünscht mir, sie wär hier.

      Ein anderer lokaler Song, der mir sehr gefiel und den ich heute noch rezitieren kann, hieß „The Day We Went To The Coast“, in dem es unter anderem um Eiscreme ging.

      Wie bei den meisten Sachen, die ich ausprobiere und mir gefallen, gehe ich schon bald voll in ihnen auf. Und so lief ich schon bald


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