Der ultimative Jimi Hendrix Guide. Gary J. Jucha
zusammenwarfen, ging es weiter. Es war eine weiße Silvertone Danelectro – sogar mit einem Silvertone-Verstärker.
Kurz darauf malte er die Danelectro rot an und den Namen seiner Freundin Betty Jean in weißen Buchstaben auf den unteren Teil des Korpus. Betty Jean Morgan war seine zweite Freundin und nicht die erste, wie oftmals berichtet wird. Jimmy spielte die einzige Gitarre, die er nach einer Frau benannte, während seiner Zeit mit den Rocking Kings, Thomas and the Tomcats und den King Kasuals. Zuzeiten der letztgenannten Band diente er bereits als Soldat der 101st Airborne Division in Campbell, Kentucky, wobei er schon Pläne für eine frühzeitige Ausmusterung schmiedete. Von der Army schließlich befreit, gab Hendrix seine Danelectro als Anzahlung gegen eine rote Epiphone Wilshire ab, damals eine Art Gibson SG für Arme. Billy Cox, ein Kumpel aus der Armee und Bassist bei den King Kasuals, trat hier als Bürge in Erscheinung. (In den folgenden Kapiteln wird Cox noch eine wichtige Rolle spielen.)
Jimmy malte das schwarze Schlagbrett weiß an, um die Klampfe visuell aufzumotzen, und nahm sie mit nach Vancouver, wo er bei seiner Großmutter Nora lebte, um seinem Vater und Betty Jean Morgan aus dem Weg zu gehen. Im Dezember 1963 trat er dort mit den Vancouvers auf. Im Frühling tauchte er in Tennessee auf und spielte erstmalig die sogenannten Ochsentouren, kurze Engagements in Bars und Spelunken, entweder mit den King Kasuals oder als Mietmusiker bei Solomon Burke, Otis Redding (der später mit Jimi auf einem Live-Album des Monterey International Pop Festival von Reprise Records erschien) und den Marvelettes. Zu dem Zeitpunkt hatte Hendrix die Epiphone Wilshire gegen eine Wilshire Coronet eingetauscht, erneut eine Gibson-Kopie für Arme, und zwar von der Les Paul Junior.
Angelockt von der Aussicht auf Arbeit, die sich aber nie erfüllte, machte sich Jimmy im Dezember 1963 nach New York City auf. Damals manifestierte sich für zahlreiche Monate ein Muster. Jimmy versetzte seine Gitarre im Leih- und Pfandhaus, um über die Runden zu kommen, und erhielt dann Geld von seiner neuesten Flamme oder dem jeweiligen Bandleader, damit die Klampfe wieder vom Haken genommen wurde. Dort befand sie sich auch, als der Sänger Kelly Isley im Februar 1964 einen Gitarristen für die anstehende Tournee der Isley Brothers suchte. Man erzählte ihm von einem erstaunlichen Musiker, den er dann auch fand.
Jimmy kannte die Stücke der Isley Brothers, was einen unschätzbaren Vorteil darstellte, doch als man ihn bat, etwas vorzuspielen, musste er kleinlaut zugeben, sein Instrument versetzt zu haben. Kelly Isley löste die Gitarre aus und entdeckte, dass sie keine Saiten hatte, die er zu allem Überfluss also auch noch bezahlen musste. In kürzester Zeit war die Gitarre gestimmt und Jimmy ein Mitglied der Isley Brothers.
In seinen neun Monaten mit der Band tourte Jimmy regelmäßig, erhielt einen größeren künstlerischen Freiraum als andere Begleitmusiker, machte seine ersten Studioaufnahmen und schaffte sich eine blonde Fender Duo Sonic an. Es ist höchstwahrscheinlich dieselbe Gitarre, die er bei der Don-Covay-Session spielte, die zur ersten Top-40-Single führte, auf der Hendrix zu hören ist: „Mercy Mercy“ (nun auf dem West Coast Seattle Boy-Boxset erhältlich). Als eine ihrer Tourneen die Isley Brothers durch Nashville führte, stieg Jimmy aus. Dort schloss er sich Gorgeous George Odell an, erlitt in Kansas City „Schiffbruch“ und machte sich auf den Weg nach Atlanta, wo ihn Little Richard als Mitglied der Upsetters engagierte.
Eine neue Band bedeutete für Jimmy in der Regel eine neue Gitarre. So erklärt es sich auch, dass er auf Fotos mit den Upsetters mit einer Fender Jazzmaster in Sunburst zu sehen ist. Seit 1962 hatte Little Richard ein Comeback versucht, nachdem er auf dem Höhepunkt des kommerziellen Erfolgs dem Rock’n’Roll abschwor, um Prediger zu werden. (Hendrix und sein Bruder Leon besuchten im Sommer 1957 eine seiner Predigten in Seattle.) Als sein Versuch scheiterte, Geld aus dem Rock’n’Roll-Revival abzuschöpfen, versuchte er sich im R’n’B – mit noch geringerem Erfolg.
Obwohl Jimmys Gastspiel in der Band rund neun Monate dauerte – und einige Studiotermine beinhaltete –, war es jedoch keine so lohnende Erfahrung wie die Zeit mit den Isley Brothers. Little Richard bot seiner Band kaum Entfaltungsmöglichkeiten. Darüber hinaus zeigte er sich deutlich verärgert, wenn andere ihm die Show stehlen wollten – sei es durch die Garderobe oder das Bühnengebaren –, was zu Konfrontationen mit Maurice James (so Jimmys damaliger Künstlername) und sogar Geldstrafen führte. Wegen seines Misserfolgs konnte Little Richard seinen Musikern zudem nicht die versprochene Gage bezahlen. Was Hendrix aus der Zeit mit dem Rock’n’Roller blieb, war die Fähigkeit der Nachahmung, denn in späteren Jahren kannte man ihn als talentierten Imitator.
Im Sommer 1965 in New York City gestrandet, versuchte Hendrix händeringend Arbeit als Session-Musiker zu finden. Er unterschrieb einen Zweijahres-Vertrag bei Juggy Murray, dem Besitzer von Sue Records, wonach sich die beiden niemals wiedersahen. Weitaus länger anhaltende Konsequenzen resultierten aus einem Treffen mit Curtis Knight in der Lobby des Hotel America, am Times Square in der 47th Street gelegen. Hendrix hatte seine Jazzmaster mal wieder versetzt, und als ihm Knight einen Job in seiner Band Squires anbot, ließ er ihm eine Danelectro auf Pump zukommen.
Knight erlaubte Hendrix mehr Freiraum, nicht zu vergessen die Studio-Sessions, darunter eine, die schon am darauffolgenden Tag stattfand. Das PPX Studio gehörte Ed Chalpin, der Hendrix, nachdem er ihn gehört hatte, für einen Dollar (!) unter Vertrag nahm. Es sollte sich als schicksalhafter Vertrag herausstellen, der dem Musiker wie ein dunkler Schatten sein Leben lang anhing.
In den PPX-Studios nahm Hendrix an vielen Sessions von Curtis Knight teil (und sogar einer Aufnahme für Jayne Mansfield, der vollbusigen Schauspielerin aus B-Movies), die alle ein gemeinsames Schicksal zu teilen scheinen – sie werden bis ans Ende der Zeit wieder und wieder als minderwertige posthume Veröffentlichungen in den Markt gedrückt.
Während dieser geschäftigen Zeit spielte Hendrix auch weitere Sessions mit den Isley Brothers, tourte mit Joey Dee and the Starliters (bekannt durch den „Peppermint Twist“) und stieg auch für sechs Monate bei King Curtis’ All Stars ein. Die Arbeit mit King Curtis gipfelte in einem Auftritt als Hausband bei einer großangelegten Veranstaltung von Atlantic Records im Mai 1966, bei der sich unter anderem Wilson Pickett die Ehre gab, dessen „In The Midnight Hour“ zu den Lieblingssongs von Hendrix zählte.
Im selben Monat spielte Jimmy mit seiner Fender Duo Sonic mit Curtis Knights Squires, einer Band mit ständig wechselnder Besetzung, darunter auch der Saxofonist Lonnie Youngblood, der sich später als eine weitere Quelle fragwürdiger posthumer Aufnahmen erweisen sollte. Am 20. Mai 1966 stieg Jimmy bei den Squires aus.
Knights Gitarre wurde nun beim Kauf einer weißen Fender Stratocaster in Zahlung gegeben – die Differenz bezahlte Hendrix’ weiße Freundin Carol Shiroky. Am 3. Juni 1966 – nach einem Gig mit Carl Holmes’ Commanders – zog er den Klinkenstecker bei exakt dieser Gitarre und sagte: „Das ist das letzte Mal, dass ich so einen Scheiß spiele!“
Seit fast vier Jahren war Hendrix nun bei den sogenannten Package-Tourneen mit Legenden wie Sam Cooke und Curtis Mayfield aufgetreten und hatte Rhythm-and-Blues-Ikonen wie Otis Redding, Ike und Tina Turner und den in kommerzieller Hinsicht abgehalfterten Little Richard als Mietmusiker unterstützt. Mies bezahlt und oft am Straßenrand zurückgelassen, dachte er sich nun, er könne genauso gut als „Frontman“ seiner eigenen Band verhungern denn als Mietmusiker. Trotz Bedenken und seiner Unsicherheit hinsichtlich seiner Gesangsfähigkeiten, war Hendrix nun bereit dafür, eine eigene Band ins Rennen zu schicken.
2
Das Ticket zum Erfolg
Im Nebel der Frühzeit
Chas Chandler erzählte, er habe den Text von Bob Dylans „Like A Rolling Stone“ erst verstanden, nachdem er den Song bei einem Auftritt von Jimi Hendrix und den Blue Flames in Greenwich Villages Café Wha? hörte. Der Grund dafür lag in dem beinahe schon unheimlichen Geschick des Musikers, die von ihm aufgeführten Coversongs authentisch umzusetzen. Dylan mag zwar den Text geschrieben haben, doch Hendrix hatte ein solches Leben geführt, kannte das Gefühl, ein „Rolling Stone“ zu sein. Von Jimi gesungen, stellten die Zeilen mehr als ein geschicktes Wortspiel dar, waren tiefgreifend und nachhaltig. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass Jimi Hendrix Dylan mit dessen eigenem Werk übertrumpfte.
Jimi wusste, was es bedeutete, mit leerem Magen eine