Der ultimative Jimi Hendrix Guide. Gary J. Jucha

Der ultimative Jimi Hendrix Guide - Gary J. Jucha


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A Rolling Stone“, bekundete Chandler sein Interesse, Hendrix mit nach England zu nehmen und ihn dort zu produzieren. Doch das musste bis zum Ende der US-Tour der Animals im September warten. Zu dem Zeitpunkt war Hendrix aber schon längst aus seinem Hotel am Broadway ausgezogen und konnte nirgendwo gefunden werden. Plattenproduzenten hatten ihm schon zuvor leere Versprechungen gemacht, was das Verhalten erklärt. Mit Linda Keith zurück in England, verbrachte Chandler vier aufregende und chaotische Tage damit, den Musiker aufzuspüren, aus dem er einen Star machen wollte.

      Allerdings reagierte Hendrix zwischenzeitlich skeptisch auf die Perspektive, nach England zu reisen. Dem Meinungsumschwung ging ein siebentägiges Engagement als Begleitmusiker von John Hammond Jr. voraus. Die Band nannte sich „Screaming Nighthawks“ und trat im Café Au Go Go auf, einem eher noblen Club in Greenwich Village. Hammond war ein angesehener Blues-Musiker, der 1965 das Album So Many Roads mit Musikern aufgenommen hatte, die später Bob Dylan begleiteten und dann als The Band auftreten sollten. Sein Vater John Hammond zeichnete für die Laufbahnen von Musikern verantwortlich, die den Kurs der amerikanischen Popmusik während des 20. Jahrhunderts bestimmten. Er half dabei, die Karriere von Benny Goodman vorwärtszubringen, die des Gitarristen Charlie Christian und von Billie Holiday, Bob Dylan, Aretha Franklin sowie Bruce Springsteen. John Hammond Jr. hatte seinen Vater davon überzeugt, sich Hendrix anzuhören. Bedenkt man die Auftritte und John Hammonds Interesse, mag Hendrix das Gefühl gehabt haben, kurz vor dem Durchbruch in seinem Heimatland zu stehen, was ihn letztendlich dann aber nicht davon abhielt, nach England zu reisen.

      Allerdings beschlich ihn das Gefühl, in der Schuld der anderen Musiker von den Blue Flames zu stehen, woraufhin er versuchte, die Kollegen zum Mitkommen zu überreden. Wie Randy California erklärte, „war Chas [aber] überhaupt nicht an mir interessiert“, ein Gefühl, das durch Chandlers Kommentar in der Dokumentation Ultimate Hendrix bestätigt wird: „… (California) wollte ausschließlich Blues spielen, und ich glaubte nicht daran, dass der Blues ein Weg war, um einen Hit mit Jimi zu produzieren.“

      Wie sich California erinnert, geschah Folgendes: „Eines Tages stieß ich [zur Band] und fand heraus, dass Jimmy sich nach England aufgemacht hatte. Das war das Ende (der Blue Flames).“

      Linda Keith

      Während ihr Liebhaber in der Manning Bowl in Lynn, Massachusetts, spielte, entschied sich das englische Model Linda Keith gemeinsam mit zwei Freunden in New York auszugehen: Roberta Goldstein und Mark Kaufman. Es war der 24. Juni 1966. Das gähnend leere Cheetah mit seinen zwei Bühnen zählte zu den von ihnen besuchten Clubs. Trotz seiner Rolle als Bandleader der Blue Flames spielte Hendrix mal wieder „diesen Mist“ mit Curtis Knight and the Squires. Die Flames verdienten im Café Wha? sieben Dollar am Abend (als Band!), und so nahm Jimi aus finanziellen Gründen gelegentlich Jobs als Begleitmusiker an.

      Zuerst hegte Keith kein Interesse für die Gruppe, aber dann entdeckte sie Hendrix, „der versteckt in der hinteren Reihe spielte“, wie sie gegenüber Tony Brown erklärte, dem ersten Biografen des Musikers, der sie in Jimi Hendrix – A Visual Documentary zitiert. (Möglicherweise war es ihm unangenehm, wieder einer der Squires zu sein.) Keith fiel auf, dass sie Jimis Hände beobachtete. Zutiefst fasziniert, bat sie Kaufman mit einschmeichelnder Stimme, den Gitarristen zu einem Drink an ihren Tisch einzuladen, wonach die Gruppe zum Apartment der Freunde zog, aufgrund der mit rotem Samt ausgekleideten Wände aus als Red House bekannt. In dieser Nacht nahm Hendrix zum ersten Mal LSD und hörte – in Richards’ Hotelsuite im Hilton – erstmalig Dylans neustes Album Blonde On Blonde, zu dem er Gitarre spielte.

      Ob Keith und Hendrix nun eine Liebesaffäre hatten oder nicht, hängt von der jeweiligen Perspektive ab. Carol Shiroky glaubte es zumindest. Paul Caruso, Jimis Freund aus dem Village, teilte diese Auffassung. Auch die beiden ersten Protagonisten aus dem Musikbusiness, denen Keith Hendrix empfahl, stuften die beiden als Paar ein. Dazu gleich mehr.

      Einen so außergewöhnlichen und extravaganten Blues-Musiker gesehen zu haben, entflammte bei Keith einen geradezu missionarischen Eifer. Sie wollte Hendrix noch vor ihrer Rückkehr nach London bekannt machen, geplant nach Ende der 30-tägigen Rolling-Stones-US-Tour. Sie überzeugte den Stones-Manager Andrew Loog Oldham, ins Café Au Go Go zu kommen, wo die Blue Flames auftraten (möglicherweise unter dem Namen Rainflowers), um den Gitarristen zu erleben. Linda ging sogar so weit, sich Keith Richards’ weiße Fender Stratocaster „auszuleihen“, damit Hendrix das Instrument anstelle der ramponierten Klampfe aus dem Leih- und Pfandhaus nutzen konnte, die ihm Shiroky gekauft hatte.

      Oldham ließ die Chance verstreichen, Jimi als Manager zu betreuen, was zum Teil daran lag, dass ihm der Musikstil nicht zusagte. Zudem plagten ihn Sorgen hinsichtlich Keith Richards’ Reaktion, wenn dieser herausfände, dass seine Freundin mit einem schwarzen US-Musiker durch die Gegend zog, der sie direkt von der Bühne des Café Au Go Go angesprochen hatte.

      Auch Seymour Stein bemerkte die enge Beziehung zwischen Hendrix und Keith, als er die beiden zwei Mal gemeinsam traf. Deshalb schreckte er davor zurück, den „sensationellen Gitarristen“ zu managen. Während Steins erstem Besuch stritt sich das Paar über Keith Richards’ weiße Stratocaster, die Hendrix unvorsichtig behandelt und ramponiert hatte. Stein gründete später Sire Records, das Label der Ramones, Talking Heads und der Undertones, aber eben nicht von Jimi Hendrix.

      Linda Keith selbst betont hinsichtlich der vermeintlichen Affäre: „Ich war nicht seine Freundin, denn ich datete immer noch Keith Richards.“ Die Tatsache, dass sie alle Rolling Stones überredete, den Hendrix-Gig am 2. Juli im Ondine zu besuchen (nach einem Konzert der Band im Forest Hills Tennis Stadium in Queens, New York) führt in der Tat zu der Annahme, es handle sich um eine platonische Beziehung … zumindest zu dem Zeitpunkt. An dem Abend zeigte sich nur Bill Wyman von Hendrix beeindruckt, doch der Bassist konnte keine Hilfestellung leisten, da sich der Rolling-Stones-Tross schon bald zu einem Konzert in der Asbury Park Convention Hall in Asbury, New Jersey, aufmachte, das am folgenden Abend stattfand.

      Linda Keith hatte ihre Trümpfe ausgespielt, jedoch nichts erreicht. Am 2. August traf sie zufälligerweise Chas Chandler im Ondine. Die Animals tourten seit dem 1. Juli mit den Herman’s Hermits, doch waren nicht für drei Gigs im August in Atlantic City gebucht. Die Band flog aus diesem Grund direkt nach einer Show in West Hyannis, Massachusetts, nach New York. Als Chandler erklärte, dass er die Animals nach Tour-Ende verlassen wolle und nach einem zu produzierenden Künstler Ausschau halte, erzählte Keith (wie John McDermott in Setting The Record Straight berichtet), dass „da dieser Typ im Village spielt, den du dir unbedingt ansehen musst“. Zwar war für den folgenden Abend ein Animals-Konzert am Wollman Skating Rink im Central Park als Teil des im Sommer stattfindenden Rheingold-Festivals geplant, doch Chandler plante, Keith vor der Show im Café Wha? zu treffen.

      In einem Interview mit der Guitar World erinnerte sich Chandler: „‚Hey Joe‘ war der erste Song, den Jimi an dem Nachmittag spielte. Er hatte einfach alles. Man saß dort und dachte: Das ist doch unglaublich – warum hat noch niemand diesen Typen unter Vertrag genommen?“ (Einige wenige hatten sich schon für den Gitarristen engagiert. S. Kapitel 12.)

      Keith hielt sich an ihr Versprechen, Hendrix einen Manager zu vermitteln, doch sie war mittlerweile nicht mehr mit Keith Richards zusammen. Demzufolge besuchte sie einige von Jimi James’ August-Konzerten. Als der Ausnahme-Gitarrist Ende September dann in London ankam, tauchte sie ebenfalls auf. Obwohl sie die Hauptrolle in einigen wilden Geschichten spielt – darunter eine Kneipenprügelei und der „Diebstahl“ von Keith Richards’ weißer Stratocaster durch Hendrix –, verschwand sie nach 1966 allerdings weitestgehend aus Jimi Hendrix’ Leben.

      Kurz vor seinem frühzeitigen Tod erinnerte sich der Musiker oft an Linda Keith. Er nahm den neuen Song „Send My Love To Linda“ auf, nach eigenen Aussagen eine Ode, an die Frau gerichtet, die ihm einen Manager beschafft hatte. Während der Aufführung von „Red House“ beim Isle Of Wight Festival am 30. August 1970, änderte er den Text und sang, dass Linda nicht mehr in besagtem Haus lebe – und nicht sein „Baby“. Während der Woche vor seinem Tod traf er sie in Londons Speakeasy. Es war keine zufällige Begegnung. Hendrix übereichte ihr einen Gitarrenkoffer mit einer neuen Stratocaster, wobei er erklärte, dass er ihr das Instrument schuldig sei, da sie ihm beim Treffen 1966 in New York auch eine Strat beschafft habe. Erst als sie nach Hause kam, entdeckte


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