Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson
könnte Cus sitzenlassen, mich anderweitig orientieren und sie damit ausbooten. Das hätte ich natürlich nie getan.
Cus ärgerte sich wahnsinnig und meinte, ich hätte keinen Wagen verdient. Schließlich hatte ich keine Goldmedaille geholt. Trotzdem fuhr er mit mir zu einem Autohändler in der Nähe. Er versuchte mir einen Oldsmobile Cutlass aufzuschwatzen, weil er ziemlich billig war.
„Nee, ich will einen Cadillac, Cus“, sagte ich.
„Mike, ich sage dir …“
„Wenn ich keinen Cadillac kriege, will ich gar keinen Wagen“, konterte ich standhaft.
Ich bekam meinen Wagen. Wir fuhren zurück und parkten ihn in der Scheune. Ich hatte weder einen Führerschein, noch konnte ich fahren. Aber wenn Cus mich nervte, schnappte ich mir die Autoschlüssel, rannte zur Scheune, stieg in den Wagen und hörte Musik.
Im September 1984 unterschrieb ich mit Bill Cayton und mit Jimmy Jacobs je einen Vertrag. Cayton besaß eine Werbeagentur und nahm mich für sieben Jahre als mein persönlicher Manager im Bereich Werbung und Produktpräsentation unter Vertrag.
Statt der sonst üblichen 10 oder 15 Prozent nahm er 33,3 Prozent Kommission. Ich unterschrieb einfach, ohne die Konditionen zu kennen. Einige Wochen später unterzeichnete ich den Vertrag mit Jimmy, der mein Manager wurde: ein üblicher Vierjahresvertrag mit Zweidritteln für mich und einem Drittel für ihn. Dann kamen beide allerdings überein, die Einnahmen aus den Verträgen miteinander zu teilen. Allerdings unterzeichnete auch Cus meinen Management-Vertrag. Unter seiner Unterschrift stand: „Cus D’Amato, Berater Michael Tysons. Alle Entscheidungen zu Michael Tyson bedürfen seiner endgültigen Zustimmung.“ Jetzt hatte ich ganz offiziell ein Management. Ich wusste, dass Cayton und Jimmy im Umgang mit Medien besonders gewieft waren und diesen ganzen Scheiß organisieren konnten. Und da Cus alle Boxentscheidungen traf und meine Gegner handverlas, konnte ich meine Profikarriere starten.
Bis ich nach einer Woche Training einfach für vier Tage abtauchte. Als mich Tom Patti schließlich aufspürte, saß ich in meinem Caddy.
„Wo warst du, Mike“, fragte Tom.
„Ich brauch diesen Scheiß nicht“, machte ich meinem Ärger Luft. „Der Vater meiner Freundin Angie ist Abteilungsleiter bei J.J. Newberry’s, diesem Kaufhaus. Er kann mir einen Job verschaffen, bei dem ich 100.000 Dollar verdiene. Und ich habe einen Caddy. Ich verschwinde.“
In Wahrheit machte mich einfach der Gedanke nervös, in Profikämpfen anzutreten.
„Bloß weil du mit seiner Tochter ausgehst, Mike“, sagte er, „wirst du keine 100 Riesen im Jahr machen.“
„Ich kann vieles“, sagte ich.
„Mann, du hast nicht viele Möglichkeiten. Geh in die Boxhalle zurück, gewinn deinen Kampf und mach weiter.“
Am nächsten Tag trainierte ich wieder in der Boxhalle. Als ich den Bammel überwunden hatte, war ich wahnsinnig stolz, dass ich mit nur 18 Jahren Profiboxer wurde. Und ich hatte auch ein großartiges Team in meiner Ecke. Neben Kevin Rooney hatte ich Matt Baranski. Matt war ein klasse Mann und ein gewiefter Taktiker. Kevin war eher der Typ, der einem den Frust ins Gesicht brüllte.
Wir diskutierten darüber, mir einen Spitznamen zu geben. Jimmy und Bill hielten das für überflüssig, aber Cus wollte mich „The Tan Terror“, der „gebräunte“ Schrecken, nennen – eine Hommage an Joe Louis, den „braunen Bomber“. Ich fand den Namen richtig gut, auch wenn wir ihn nie durchsetzen konnten. Und ich huldigte noch weiteren Helden, die ich verehrte: Ich ließ mir eine Schüssel über den Kopf stülpen und mir mit dem Elektrorasierer einen Schnitt wie Jack Dempsey verpassen. Ganz ernst sagte ich zu Cus, ich würde den Leuten Angst einjagen. Als ersten Schritt legte ich mir diesen missmutigen Dempsey-Arschloch-Look zu. Und dann setzte ich auf das spartanische Erscheinungsbild meiner alten Helden: keine Socken und keinen Boxermantel. Diesen Look wollte ich wieder im Boxen einführen.
Mein erster Profikampf fand am 6. März 1985 in Albany statt. Der Gegner war ein gewisser Hector Mercedes. Weil wir über ihn überhaupt nichts wussten, telefonierte Cus mit einigen Trainern und Betreibern von Boxställen in Puerto Rico, um sich zu vergewissern, dass Mercedes kein Geheimtipp war.
Am Abend des Kampfs war ich nervös, aber kaum sah ich den Typen im Ring, wusste ich, dass ich ihn schlagen konnte. Ich wusste, dass sich Cus für meine ersten Kämpfe schwächere Gegner heraussuchte, um mein Selbstvertrauen zu stärken.
Ich hatte recht. Der Kampf wurde schon in der ersten Runde abgebrochen, als ich Hector in einer Ecke des Rings auf die Knie geprügelt hatte. Ich war in Hochstimmung – bis mir Cus im Umkleideraum alle meine Fehler aufzählte. „Du musste deine Hände höher halten. Du hast mit den Händen nur herumgefuchtelt.“
Die nächsten beiden Kämpfe fanden ebenfalls in Albany statt – praktisch in meiner Heimatstadt. Einen Monat nach Mercedes kämpfte ich gegen Trent Singleton. Ich trat in den Ring, verbeugte mich in alle vier Richtungen der Arena und riss dann wie ein Gladiator vor der Menge die Arme in die Höhe. Binnen kurzer Zeit schlug ich Singleton dreimal nieder. Der Ringrichter brach den Kampf ab. Ich schlenderte in seine Ecke, küsste ihn und strich ihm über den Kopf.
Einen Monat später sollte ich wieder antreten. Zwischen den Kämpfen trieb ich nichts anderes als zu laufen, zu trainieren und zu boxen. Mehr verlangte Cus nicht von mir. Boxen, boxen und nochmals boxen, sparren, sparren und nochmals sparren.
Am 23. Mai kämpfte ich gegen Don Halpin, einen deutlich erfahreneren Gegner. Halpin hielt drei Runden durch. Experimentierend pendelte ich zwischen der konventionellen und der Rechtsauslage hin und her, um Ringerfahrung zu bekommen. In der vierten Runde verpasste ich ihm eine Linke und eine Rechte, und als er schon zu Boden taumelte, setzte ich mit einem rechten Haken nochmals nach. Er blieb solange liegen, bis man ihn schließlich hochzog. Cus meinte natürlich, ich sei in den Gegner nicht richtig hineingegangen und hätte es versäumt, mich seitwärts zu bewegen. Aber Jacobs und Cayton waren von der Art, wie ich mich bislang geschlagen hatte, hellauf begeistert.
Mit den Kämpfen schuf ich mir allmählich eine Fangemeinde. Wie bei Baseball-Spielen tauchten sie mit kleinen Schildern auf. Auf einem stand: „GOODEN IST DR. K., ABER MIKE TYSON IST DR. KO.“ Und auch Groupies zog ich an. Damals nutzte ich ihre Annäherungsversuche noch nicht aus. Ich war zu sehr in mich selbst verliebt, um an andere zu denken. Cus meinte, dass ich es etwas übertreibe. Ich solle doch mehr ausgehen. Folglich ging ich nach Albany und trieb mich mit Freunden rum.
Mit diesen ersten Kämpfen verdiente ich kaum Geld. Mein erster Kampf endete für den Promoter im Minus. Aber Jimmy gab mir 500 Dollar. Davon zweigte er allerdings 50 Dollar für Kevin ab und zahlte 350 Dollar für mich auf der Bank ein. Mir blieben also nur 100 Dollar. Diese ersten Kämpfe dienten mehr dazu, mir einen Namen zu machen, als Geld zu verdienen. Jimmy und Cayton machten Aufnahmen von den Highlights der Kämpfe, von allen meinen Knockouts, und verschickten die Videokassetten an sämtliche Box-Journalisten im Land – damals eine höchst innovative Idee.
Obwohl ich Sensationelles leistete, wurde Cus immer missmutiger. Manchmal dachte ich, dass er mich für einen servilen Onkel Tom hielt. Wenn ich mich bemühte, höflich zu sein und brav „Ja, Ma’am“ und „Nein, Sir“ sagte, mischte er sich ein.
„Warum redest du mit denen so? Meinst du, die sind was Besseres? Diese Typen sind alle Angeber“, sagte er. Aber wenn ich dann den arroganten Unnahbaren gab, wie er es mir immer vorschrieb, schaute er auf mich herab: „Das gefällt dir wohl, wenn die Leute zu dir aufschauen, hä? Weil Typen wie Cayton und Co. dir sagen, wie großartig du bist.“
Ich glaube, er brauchte einfach einen zum Herummäkeln. Wie mein Tag verlief, hing davon ab, mit welchem Bein Cus zuerst aufgestanden war. Ich hatte inzwischen den Führerschein und fuhr ihn zu verschiedenen Treffen und Besprechungen.
Am 20. Juni, kurz vor meinem 19. Geburtstag, kämpfte ich in Atlantic City gegen Ricky Spain. Es war mein erster Profi-Kampf außerhalb von Albany, aber Cus hatte mich schon zu großen Kämpfen in Städte überall im Land geschickt, um mich an die Arenen zu gewöhnen.
„Mach die Arena zu deinem Zuhause, mach dich