Die Geschichte von KISS. Gene Simmons

Die Geschichte von KISS - Gene  Simmons


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wiederholte alles laut für die Leute auf seiner Party: „Trägst du einen Bart? Bist du fett? Siehst du gut aus?“

      PETER CRISS: „Bin ich gut gekleidet? Habe ich lange Haare?“

      GENE SIMMONS: Er hatte diese Rock-’n’-Roll-Arroganz, die mir gefiel, weil du die brauchst, wenn ein sehr steiniger Weg vor dir liegt. Zu dieser Zeit wussten wir schon, dass das Image genau so wichtig war wie die Musik.

      PETER CRISS: Und das Coole war, dass ich die neuesten Klamotten aus Samt und Seide im Schrank hatte, da ich gerade aus den Flitterwochen in England und Spanien zurück war. Also fuhr ich mit meinem Bruder Joey runter ins Electric. Ich trug eines meiner coolsten Outfits, goldene Satinhosen und türkisfarbene Stiefel. Ich sah aus, als wäre ich der Bruder von Hendrix. Und dann ging ich an diesen beiden Typen vorbei, die gegen ein Auto lehnten. Sie trugen Mod-Shirts. Ich schenkte ihnen keine Beachtung, sondern ging rein und fragte nach Gene Simmons und Paul Stanley. Als Antwort bekam ich, dass sie draußen stünden. Ich sah aus dem Fenster und dachte mir: „Nein, das können sie nicht sein. Diese Kerle fragen mich, ob ich stylishe Sachen trage?“ Sie sahen ja selbst aus wie Penner [lacht].

      PAUL STANLEY: Peter fragte uns, ob wir in der King’s Lounge in Brooklyn vorbeikommen wollten, um eine Band zu sehen, bei der er mitspielte. Er verströmte diesen Vibe, als ob er im Madison Square Garden auftreten würde und nicht in diesem Schuppen in Brooklyn.

      PETER CRISS: Wir trafen uns in ihrem Loft, um es mal zu probieren. Als ich bei ihnen eintrudelte, standen da die Drums von jemand anderem. [Sie gehörten Tony Zarrella von Wicked Lester.] Nun, jeder Schlagzeuger weiß, dass man nicht besonders gut auf den Drums von jemand anderem spielt, da es eine sehr persönliche Sache ist. Wenn irgendetwas ein paar Zentimeter abweicht, kann das für einen Schlagzeuger den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Egal, ich spielte jedenfalls lausig, und das zog uns alle runter, weil wir wollten, dass es funktionierte. Ich schlug also vor, es noch einmal mit meinem Schlagzeug zu versuchen – und das war entscheidend. Wir spielten toll.

      PAUL STANLEY: Als Peter bei uns vorspielte, war ich nicht wirklich überzeugt. Wir ließen ihn immer wieder kommen, weil er zweifellos etwas hatte. Aber es war kein Selbstläufer. Ich bin mir nicht sicher, ob Peter in puncto Style von Anfang an das war, was wir suchten. Aber mit der Zeit passten wir unsere Songs und unseren Sound ein bisschen an Peter an.

      GENE SIMMONS: Er war locker und ein bisschen ungeschliffen, wie zum Beispiel Charlie Watts von den Stones. Peter spielte nicht wie andere Rock-Schlagzeuger. Es erinnerte fast ein bisschen an Big-Band-Swing, aber irgendwie funktionierte es.

      PETER CRISS: Ich stand schon immer auf Phil Spector, die Ronettes, frühe Stones, frühes Motown-Zeug wie Marvin Gaye, die Four Tops und andere. Wir waren ein Schmelztiegel von Einflüssen, und so ergab sich etwas, das nicht nur aus einer Richtung kam und abgekupfert klang. Manchmal hört man bei uns Einsprengsel von vielen verschiedenen Stilen, die vor uns kamen. Heute ist es extrem schwer, originell zu sein – vielleicht sogar unmöglich. Man kann nur darauf hoffen, dass man die richtigen Einflüsse kombiniert.

      GENE SIMMONS: Als die Beatles populär wurden, war ihre Musik ein Hybrid aus Motown und Chuck Berry, aber sie schüttelten alles gut durch und machten es zu ihrem eigenen Ding. Auch wenn unsere Sachen wie ein Abklatsch von allem aus England und Amerika erscheinen mochten, was uns gefiel, so kam es doch aus unseren Mündern, und wir hatten es uns überlegt. Also war es doch wieder entschieden anders. Wenn man Platten der Beatles hört, so sprühen sie nur so vor Leben. Während englische Bands wie Jethro Tull oder Genesis sich von den Grundlagen des Rock ’n’ Roll verabschiedeten und Black Sabbath sich der Dunkelheit zuwandten, beschlossen wir, uns auf die Sachen zu konzentrieren, die Rock so großartig machten. Für uns waren das aufmunternde, optimistische Aspekte, ein Gefühl in der Art von „Du und ich gegen die Welt“.

      ROBERT DUNCAN (CHEFREDAKTEUR BEI CREEM, AUTOR VON KISS, DEM ERSTEN BUCH ÜBER DIE BAND): Little Richard war der Vorfahre von jedem, der jemals „glam“ war. Auch Elvis war nie komplett „macho“. Wenn man sich ihn ansieht – er war definitiv ein femininer Mann. Die Grenzen zwischen den Geschlechtern verschwammen. Alice Cooper verfolgte dieselbe Strategie. In vielerlei Hinsicht war er der Haupteinfluss auf den Look und den Sound von KISS.

      Im Herbst 1972 probten Gene, Paul und Peter als Trio, feilten an ihren Fähigkeiten und arbeiteten an unausgereiften Songs in einem heruntergekommenen Loft nahe dem Flatiron Building in der 23rd Street, über einer Bar namens Live Bait. Sie hatten den Namen Wicked Lester noch nicht endgültig verworfen.

      GENE SIMMONS: Es wimmelte nur so von Kakerlaken. Es war eine Bruchbude ohne Fenster. Sie kostete 200 Mäuse im Monat, was damals viel Geld war.

      PAUL STANLEY: Unser Loft war ein kleiner Raum im dritten Stock. Wir hängten Eierkartons an die Wände, um den Krach zu absorbieren, aber das half nichts. Wir probten unablässig, weil wir nicht wollten, dass die Leute erst sagten: „Oh, sind die schrecklich“, um dann später festzustellen: „Oh, sie sind besser geworden.“ Wir wollten ein gewisses Niveau erreichen, bevor wir uns vor ein zahlendes Publikum stellten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir immer noch dabei, das, was wir machten, zu perfektionieren.

      RIK FOX (EIN FRÜHER KISS-FAN): Ich bin Teil eines sehr elitären Kreises, der die Entwicklung von KISS tatsächlich von Anfang an verfolgte. Damals ging ich mit Peter Criss’ Schwester Joanne. Ich sah die Band als Dreiergespann im Loft proben. Man konnte die magische Saat beim Aufgehen beobachten. Damals war der Song „Stuck in the Middle with You“ von Stealers Wheel gerade sehr angesagt im Radio. Immer wieder und ohne Vorwarnung begann Paul eine Zeile aus dem Song zu singen: „Clowns to the left of me“, und Gene antwortete: „Jokers to the right“, und dann sangen beide zusammen den Refrain: „Here I am, stuck in the middle with you“. Sie nahmen sich populäre Songs zur Brust und übten ihre Harmonien damit. Ich erinnere mich auch, dass der Name „Jack Bruce“ auf der SVT-Bassbox geschrieben stand.

      GENE SIMMONS: Ich kaufte mir eine Bassbox, die mal Jack Bruce von Cream gehört hatte. Sie war ein Symbol dafür, dass es einen Weg auf den Olymp gab, dass der Gipfel nicht unerreichbar war. Ursprünglich wollten wir ein Power-Trio wie The Who oder die Jimi Hendrix Experience sein. Als Trio spielten wir viele Monate lang immer und immer wieder unsere Songs. Wir schrieben viel, probten aber auch andere Sachen wie „Go Now“ von Moody Blues. Wir spielten als Trio für Don Ellis [den stellvertretenden Direktor, für A&R verantwortlich] von Epic Records vor. Wir wollten unser neues Ding präsentieren.

      TOM WERMAN (ASSISTENT DES A&R-CHEFS, EPIC RECORDS): Ich begleitete Don Ellis. Nachdem ich schon mit Wicked Lester gearbeitet hatte, waren KISS ein echter Schock, aber ich liebte sie. Ihre Performance war sehr frisch, stark und vital. Ich mochte ihre Theatereffekte. Sie trugen nur weiße Schminke ohne ausgearbeitete Details. Am Ende ihres Sets schüttete Paul uns einen Kübel voll Konfetti entgegen. Für einen Sekundenbruchteil dachten wir, es wäre Wasser, aber zum Glück war es nur Konfetti [lacht]. Es war ein fantastisches Finale. Leider war Don total unbeeindruckt. Ich erinnere mich, dass wir auf die Straße runter gingen und Don fragte: „Was zum Teufel war das eben?“ [lacht] Gar nicht abwertend, sondern einfach verwirrt. Er sagte, dass er es nicht verstünde, aber dasselbe sagte er auch über Lynyrd Skynyrd. „Tolle Band, aber keine Songs.“ Er war ein feiner Kerl, aber er hatte keine Ahnung von Rock ’n’ Roll.

      GENE SIMMONS: Unnötig hinzuzufügen, dass Epic absagte.

      PAUL STANLEY: Bevor Ace bei uns einstieg, feierten wir Thanksgiving mit Sandwiches und tranken Sherry, um uns warmzuhalten. Es entsprach dem romantischen, idealisierten Bild des hungerleidenden Künstlers. Ich sah es jedenfalls so. Vielleicht halfen mir diese Erinnerungen, durch ein paar der härteren Zeiten zu kommen.

      LYDIA CRISS: Sie probten ein paar Monate im Loft, bevor sie auf Ace trafen.

      GENE SIMMONS: Ich habe keine Ahnung, warum wir ein Quartett wurden, außer dass die Songs, die wir schrieben, nach einer zweiten Gitarre für Harmonien und Gegenakkorde verlangten.

      PAUL STANLEY: Ich wollte kein Leadgitarrist sein. Darin lag zu viel Verantwortung, und ich wollte keine Kompromisse in Bezug auf meine Performance eingehen. Ich wollte mir nicht die Last aufhalsen, Solos schreiben zu müssen. Ich war nicht fähig zu liefern, was ich von einer Leadgitarre erwarte. Also gaben


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