Die Geschichte von KISS. Gene Simmons

Die Geschichte von KISS - Gene  Simmons


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Voraussetzung. Album kommt bald. Bitte keine Zeitverschwender.“]

      BOB KULICK (FREUND UND GITARRIST): Die Village Voice war schon immer das geeignete Medium, um Musiker-Jobs in New York und Umgebung auszuschreiben.

      BOBBY MCADAMS (FREUND VON ACE FREHLEY): Ich war Aces bester Freund, seit ich 15 war. Eines Tages im Dezember 1972 brachte ich die Village Voice mit zu Ace – er lebte damals bei seinen Eltern – und vergaß sie dort. Er sah die Anzeige, in der nach einem Gitarristen mit Bühnenpräsenz gesucht wurde.

      PETER CRISS: Wir haben wahrscheinlich so an die sechzig Typen vorspielen lassen.

      PAUL STANLEY: Es war wirklich eine Freakshow. Wir hatten nonstop Typen da. Jedes erdenkliche Aussehen und Alter war vertreten.

      TOM PECK (LEADGITARRIST, DER SICH BEI KISS BEWARB): Ich meldete mich, nachdem ich die Anzeige in der Village Voice gelesen hatte. Damals nahm ich Jazz-Stunden und hörte Procol Harum. Ich kam mit meiner Gibson SG Les Paul und einem alten Marshall-Verstärker, und ich trug meine Schlechtwetter-Montur. Ich erinnere mich an ein paar höhnische Kommentare zu meinem Aussehen, weil es so gar nicht nach Rock ’n’ Roll aussah [lacht], aber mir ging es einfach darum, nicht zu frieren. Zuerst spielten sie mir einen Song vor, nur Gene, Paul und Peter. Dann stieg ich ein und spielte ein Solo. Mein Amp gab den Geist auf. Mir war das so peinlich [lacht]. Ich verhaute das Vorspielen und ruinierte den Verstärker! Sonderlich gut spielte ich nicht. Sie sagten mir, dass ich nicht zu ihnen passen würde, waren dabei aber sehr diplomatisch. Ehrlich gesagt, war mir ihre direkte offene Antwort nicht unrecht. Die meisten Bands sagen, dass sie sich bei dir melden. Und dann hörst du nie wieder von ihnen. Lustig war, dass ich ungefähr ein Jahr später als Roadie für Isis arbeitete, die als Vorgruppe für KISS im Coventry waren. Ich war sehr beeindruckt, wie sehr ihr neuer Gitarrist ihren Sound vorangebracht hatte.

      GENE SIMMONS: Da kam ein Kerl, ein Flamenco-Gitarrist, der hatte seine Akustikgitarre dabei und trug einen Poncho. Er spielte Flamenco-Stücke vor, und seine Frau, die er im Schlepptau hatte, schmolz dahin, während er spielte.

      PAUL STANLEY: Ein anderer Typ kam rein und behauptete, er wäre ein großer Rockstar in Italien. Er war schrecklich. Er trug diese großen Liebesperlen auf seiner Nehru-Jacke. Er sprach kein Englisch, und seine Frau dolmetschte für ihn. Seine Gitarre stimmte er erst gar nicht. Die meisten Leute, die vorbeikamen, passten einfach nicht. Es kommen immer Leute, die keine Ahnung haben, wer sie eigentlich sind. Ein Typ rief an, der sagte, dass er zwar erst seit zwei Monaten spielte, aber schon fantastisch wäre. Das ist schon mal unmöglich. Aber er war hartnäckig, und so was ist dann schon wieder interessant genug, um es sich mal näher anzusehen. Also kam er zu uns, stöpselte seine Gitarre ein, und nachdem er gespielt hatte, fragte er: „Und, wie war ich?“ Und ich antwortete: „Als ob du erst vor zwei Monaten angefangen hättest zu spielen.“ [lacht] Aber es kamen auch ein paar Jungs, die ziemlich gut waren. Wir einigten uns sogar auf einen, aber nachdem wir ihm erklärt hatten, dass er bei uns Make-up auflegen müsste, wollte er nicht mehr kommen.

      ACE FREHLEY: Meine Mom fuhr mich zum Vorspielen. Wir transportierten meinen 50-Watt-Marshall-Amp von der Bronx aus im großen Cadillac meiner Familie. Ich war von so einem Rauschgefühl befallen, dass ich versehentlich einen orangen und einen roten Sneaker anzog. Bevor ich zu ihnen raufging, kippte ich schnell zwei Dosen Bier, um locker zu werden. Als ich eintrat, waren da Bob Kulick, der Bruder von Bruce – echt schräg, wenn ich jetzt darüber nachdenke [Bobs Bruder Bruce stieg 1984 bei KISS als Leadgitarrist ein].

      BOB KULICK: Ich kreuzte in diesem dunklen, schmuddeligen Loft auf, um vorzuspielen. Sie hörten sich an, als ob sie es ernst meinten. Sie nannten auch Led Zeppelin als Einfluss, was mich aufhorchen ließ. Als riesiger Zeppelin-Fan wusste ich, dass dieser Job etwas für mich wäre. Ich spielte mit der Band und ich fand, dass es echt gut klappte. Ich merkte, dass sie sich dachten: „Wow, der Typ hat echt was drauf.“

      GENE SIMMONS: Bob war den anderen Typen, die zum Vorspielen kamen, haushoch überlegen. Er war derjenige, den wir wollten.

      BOB KULICK: Die Musik ging in die Richtung, die ich mir vorstellte. So wie ich kamen sie aus Brooklyn und Queens, und sie mochten auch dieselbe Musik wie ich: Cream, Hendrix, The Who und Led Zeppelin. Nach meiner Probe zeigte mir Gene einige Polaroids, die mir die Ideen für das Make-up näherbringen sollten. Er fragte mich, was ich davon halten würde. Ich entgegnete: „Ich weiß nicht, ob das so wichtig ist wie die Musik.“ Gene meinte: „Das wird ein echt cooler Gimmick.“ Worauf ich antwortete: „Wenn man echt gut ist, wozu dann ein Gimmick?“ Da ich mit englischen Bands wie Hookfoot und Long John Baldry gearbeitet hatte, kannte ich natürlich auch die ganzen Glam-Acts, die Make-up trugen, David Bowie und T. Rex etwa, aber ich war einfach ein unglaublicher Esel [lacht] und interessierte mich nur für ihre Musik. Sie fragten, ob ich dabei wäre, und ich erklärte, dass ich für alles offen war. Ungefähr nach der Hälfte meines Vorspielens kam ein Typ zur Tür herein. Das war Ace Frehley, der gleich nach mir dran war.

      BOBBY MCADAMS: Ace kam rein, stolperte und fiel hin. Er war ein echter Tollpatsch. Sie hielten ihn für einen Freak. Er sah ja auch echt eigen aus. Er ist ein halber Indianer und halb Deutscher. Das steckt hinter seinem Aussehen.

      ACE FREHLEY: Ich saß in der hinteren Ecke des Raums, um Bob genügend Platz zu lassen. Nach ein paar Minuten zog ich meine Firebird Reverse mit einem Tonabnehmer aus der Tasche und begann mich warmzuspielen. Plötzlich kam Gene zu mir rüber und sagte, dass ich die Gitarre weglegen solle.

      GENE SIMMONS: Bob spielte vor, aber Ace bekam das gar nicht mit. Er machte Lärm, sprach mit lauter Stimme und lachte. Nachdem Bob mit einem der Songs fertig war, drehte ich mich um und fragte: „Kannst du verdammt noch mal leise sein und diesen Typen hier vorspielen lassen und warten, bis du dran bist?“ Ich hielt ihn für ein Arschloch und konnte ihn nicht leiden.

      ACE FREHLEY: Er sagte, ich wäre unhöflich und würde Bob nervös machen. Ich verstehe das bis heute nicht. Es war ein Vorspielen – was war da schon dabei? Ich war noch gar nicht an den Amp angeschlossen. Egal, nachdem Bob weg war, war ich an der Reihe. Sie befahlen mir gut aufzupassen, denn sie wollten, dass ich gleich mitspielen könne.

      GENE SIMMONS: Wir sagten: „Wir spielen dir die erste Strophe und den ersten Refrain vor, und dann, wenn das Solo kommt, steigst du ein.“

      ACE FREHLEY: Zum Glück spielten sie „Deuce“, das zu einem meiner liebsten KISS-Songs werden sollte. Als ich es mir angehört hatte, steckte ich meine Gitarre an und ließ es krachen. Lautstärke auf 11.

      GENE SIMMONS: Sobald er anfing zu spielen, sahen Paul und ich uns an. Sobald er das Solo spielte. Wir hatten endlich den richtigen Sound gefunden.

      PAUL STANLEY: Ace gehörte in die Band. Er war das fehlende Puzzlestück, der Missing Link.

      GENE SIMMONS: Er hatte eine gefährliche Unbeständigkeit an sich, aber er war auch ein ausgezeichneter Musiker.

      ACE FREHLEY: Wir jammten noch ein paar andere Songs, und schließlich sagten sie: „Uns gefällt sehr, wie du spielst. Wir rufen dich an.“

      PETER CRISS: Gene und Paul hatten ihre Zweifel. Andererseits waren wir eine so unorthodoxe Band, dass ich mir gleich dachte: „Der perfekte Typ für die Band.“

      BOBBY MCADAMS: Es brauchte eine Weile, bis sie mit diesem komischen Kauz warm wurden.

      PAUL STANLEY: Es ist weithin bekannt, dass Ace ein einzigartiges Individuum ist. Eine Persönlichkeit wie ihn waren wir überhaupt nicht gewohnt. Er war absolut individuell, und es war schwer, ihn zu begreifen. Aber als er sich einklinkte, fühlte sich alles richtig an. Es war ein entscheidender Moment. Musikalisch war es eine sehr kompatible, aber auch sehr explosive Mixtur.

      ACE FREHLEY: Obwohl sie mich an diesem Tag nicht fragten, ob ich einsteigen würde, war ich mir sicher, dass sie das tun würden. Ich kam zwei Wochen später noch einmal, und die Sache war geritzt. Ich kam von der Probe heim und erzählte meinen Eltern: „Jetzt habe ich wohl eine gute Band gefunden. Ich glaube, das ist die richtige.“ Ich hatte das Gefühl, dass das die lange erwartete Chance war. Und das war sie auch.

      PAUL STANLEY: Klanglich brachten wir mit den ersten paar Songs, die wir gemeinsam spielten, den Boden unter unseren Füßen zum Beben.


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