Das Mädchen und der Maler. Barbara Cartland

Das Mädchen und der Maler - Barbara Cartland


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wurde, aber er ist so arm, daß er alles versetzt hat, was nicht niet- und nagelfest ist.“

      „Wie schrecklich!“ rief Margret. „Wie heißt Ihr Meister?“

      „Claude Monet“, antwortete Paul Beaulieu.

      „Tatsächlich? Ich habe eines seiner Bilder gesehen. Natürlich nicht das Original, sondern eine Abbildung davon. Es heißt Frühlingslandschaft.“

      „Das Bild hat Monet vor sechs Jahren gemalt. Gefällt es Ihnen?“

      „Unheimlich gut“, sagte Margret.

      Paul Beaulieu legte seine Palette weg und sah Margret erstaunt an.

      „Sie sind nicht nur hübsch, sondern auch ein bemerkenswertes Mädchen.“

      Margret blickte den Maler mit großen Augen an. Etwas schwang in seiner Stimme mit, was ihr völlig fremd war. Und plötzlich schien etwas zwischen ihm und ihr zu geschehen, was sie noch nie erlebt hatte, was aber denselben Zauber zu besitzen schien wie das Bild von Monet. Es war etwas Anziehendes und etwas Faszinierendes und gleichzeitig etwas, was Angst einflößte.

      Sie stand auf.

      „Ich - ich muß jetzt aber wirklich gehen“, stammelte sie. „Mama erwartet mich. Es ist sicher schon spät.“

      „Kommen Sie morgen wieder?“

      „Ich weiß es noch nicht“, antwortete Margret. „Es kommt darauf an, ob ich Zeit habe.“

      „Bitte, versuchen Sie es einzurichten.“

      Paul Beaulieu stand plötzlich direkt vor ihr, und sie sah zu ihm auf. Er war ein gutes Stück größer als sie. Sie hatten sich zwar eben erst getroffen, aber Margret hatte das Gefühl, diesen Mann schon ewig zu kennen.

      „Bitte kommen Sie“, sagte er und sah ihr direkt in die Augen. „Ich kann Sie nicht gleich wieder verlieren. Vielleicht macht mich das Gemälde berühmt. Wenn es unvollendet bleibt, dann müssen Sie sich vielleicht lebenslang den Vorwurf machen, meine Karriere auf dem Gewissen zu haben.“

      Seine Stimme klang ernst, aber in seinen Augen saß der Schalk.

      „Sie schmeicheln mir, damit ich von meiner Wichtigkeit überzeugt bin“, entgegnete Margret. „Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich bloß die arme Verwandte bin.“

      „Eine Göttin sind Sie“, sagte Paul Beaulieu.

      Margret lächelte.

      „Ich werde versuchen, zu kommen. Aber möglicherweise kann ich nicht lange bleiben.“

      „Ich werde voll Ungeduld auf Sie warten.“

      Er nahm ihre Hand und küßte sie.

      Sie hatte nicht damit gerechnet. Ein Schaudern lief ihr über den Rücken. Dann eilte sie in den Wald, der an den Park anschloß.

      Paul Beaulieu blickte ihr nach, bis sie verschwunden war, dann machte er sich mit Eifer an seine Arbeit.

      Es war schon Viertel vor fünf, als Margret im Dorf ankam. Um lästigen Fragen zu entgehen, lief sie direkt in den Hühnerstall, fütterte das Federvieh und sammelte die frischgelegten Eier in den Korb. Anschließend gab sie den Pferden Heu und frisches Wasser, stellte die Eier in der Küche ab und ging ins Wohnzimmer.

      Lady Evelyn, ihre Mutter, saß auf dem Sofa und stopfte Strümpfe.

      „Da bist du ja, Margret!“ rief sie. „Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wo du nur bleibst.“

      „Ich habe die Hühner und die Pferde gefüttert, Mama“, sagte Margret, „und wollte eben Papa daran erinnern, daß sich der Kirchenrat um fünf Uhr trifft.“

      „Mein Gott, das habe ich ja ganz vergessen“, rief Lady Evelyn. „Zum Glück hast wenigstens du daran gedacht. Lauf schnell zu Papa, Margret, und achte darauf, daß er eine Krawatte trägt und nicht wieder in Hausschuhen weggeht.“

      „Ja, Mama.“

      Froh, daß keine Fragen gestellt worden waren, lief sie ins Arbeitszimmer ihres Vaters und erinnerte ihn an seine Pflichten.

      „Muß ich denn da hin?“ fragte der Vikar unwillig. „Ich bin gerade an einem sehr interessanten Gedankengang, und wenn ich herausgerissen werde ...“

      „Du mußt, Papa“, fiel ihm Margret ins Wort. „Die Kosten für die Reparatur des Kirchturms stehen auf der Tagesordnung, und das ist wichtig. Laß dich bloß nicht von der gräßlichen Lady Boddington mundtot machen. Sie will sich immer bloß aufspielen.“

      Der Vikar legte widerstrebend die Feder weg.

      „Ich bin gerade beim Einfluß der Ägypter auf die frühgriechische Zivilisation, und das ist ein höchst interessantes Thema.“

      „Du mußt mir vorlesen, was du geschrieben hast, Papa“, sagte Margret. „Aber nicht jetzt.“

      „In Gottes Namen.“ Der Vikar seufzte. „Dann gehe ich eben. Daß ich aber auch immer im wichtigsten Moment unterbrochen werden muß! Das macht mich rasend!“

      „Ich weiß, Papa. Aber es ist nun einmal nicht zu ändern.“ Margret wollte ihren Vater gerade aus dem Zimmer schieben, als sie den Korb stehen sah. „Papa?“ fragte sie. „War Henry Gordon nicht heute da und hat von seiner Mutter etwas ausgerichtet?“

      „Doch, ich glaube schon“, meinte der Vikar.

      „Aber Papa“, sagte Margret und schüttelte verzweifelt den Kopf. „Du hättest ihm doch die Tinktur mitgeben sollen, die Mama extra für Mrs. Gordon gemacht hat.“

      „Ach, du meine Güte!“ Er faßte sich an den Kopf. „Das habe ich total vergessen.“

      „Dann bringe ich ihr es schnell“, sagte Margret. „Mrs. Gordon schwört auf Mamas Kräutermixtur.“

      Wenn Margret schnell ging, konnte sie in zwanzig Minuten dort sein, und ihre Mutter merkte dann vielleicht nicht, daß ihr Vater wieder einmal total in seiner Welt versunken gewesen war und alles um sich herum vergessen hatte. Nicht, daß Lady Evelyn ihrem Mann je böse gewesen wäre. Sie liebte ihn wie am ersten Tag, war jedoch manchmal traurig, daß er wegen des Buchs, das er gerade schrieb, die Dorfbewohner vernachlässigte.

      Wenn Papa mit seinen Büchern wenigstens etwas Geld verdienen würde, dachte Margret, als sie mit dem Korb am Arm quer über die Felder ging. Doch die Gedanken an Geld waren schnell verweht. Sie befaßten sich jetzt mit dem großen, fremden Mann.

      Paul Beaulieu war ganz anders, als Margret sich einen Künstler vor gestellt hatte. Kein Bart, kein affektiertes Benehmen, keine Allüren. Der Franzose war selbstsicher, fast autoritär, ohne dabei bestimmend zu wirken. Margret war überzeugt davon, daß ihm alles gelang, was er anpackte.

      Vielleicht würde ihn die Welt eines Tages als Genie anerkennen. Vielleicht würde ihr Portrait ihm tatsächlich Ruhm und Vermögen einbringen. Sie mußte ihn wiedersehen! Sie mußte alles versuchen, wenigstens eine Stunde Zeit für ihn zu haben.

      Die Sonne stand bereits tief am Himmel, als Margret sich wieder auf dem Heimweg befand. Sie war so in Gedanken versunken, daß sie die offene Kutsche, die vor dem Pfarrhaus stand, erst im letzten Moment bemerkte. Was wollte denn der Schloßherr zu so ungewöhnlicher Stunde bei ihren Eltern? Margret konnte sich den Besuch nicht erklären, war jedoch überzeugt davon, daß es nur Onkel Lionel sein konnte, denn niemand in der Gegend außer ihm besaß ein so teures und elegantes Gefährt.

      Vor dem Spiegel in der Diele strich sich Margret schnell die Haare aus der Stirn. Ob sie sich umziehen sollte? Der Saum ihres Kleides war staubig. Ach was, dachte sie. Er ist schließlich mein Onkel.

      Margret öffnete die Tür zum Wohnzimmer und ging hinein. Zu ihrem Erstaunen war auch ihr Vater da. Den Mann, der bei ihren Eltern saß, erkannte Margret nicht sofort. Erst als sie die Ähnlichkeit mit Onkel Lionel feststellte, wußte sie, daß es nur ihr Cousin William, der Baron Cottesford, sein konnte, den sie seit drei Jahren nicht gesehen hatte.

      Wenn


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