Queen intim. Peter Hince

Queen intim - Peter Hince


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Gelegentlich beschrieb er die Set-List von Queen als „unser Repertoire“, womit er alle meinte. Tja, allgemein betrachtet war Freddie Mercury ein redegewandter Mann und sehr belesen.

      „Scaramouche, and doing the fandango?“

      Er war äußerst gebildet und intelligent.

      „Thunderbolts and lightning, appeared to be very frightening!“

      Ein eloquenter Mann, der Songs von Tiefe und Komplexität schrieb – und von weit reichender Bedeutung.

      „He wanted to ride his bicycle …“

      Nachdem mir Fred bedeutet hatte, meinen Hintern in Bewegung zu setzen, überbrachte ich die Reihenfolge den wichtigsten Crew-Mitgliedern, damit sie die Songs mit den individuellen Ablauflisten abgleichen konnten, auf denen die Titel in abgekürzter Form standen: Aus „Bohemian Rhapsody“ wurde zum Beispiel „Bo Rhap“ und aus „We Are The Champions“ einfach „Champions“. Wurden Songs weggelassen oder neue Titel hinzugefügt, verzeichnete man notwendige Anmerkungen mit einem schwarzen Filzstift.

      Hinweise für Queen und die Crew wurden in abgekürzter Form hinter jedem Songtitel vermerkt. „Fat D“ bedeutete für John, die E-Saite seines Basses vor „Fat Bottomed Girls“ auf D runterzustimmen. („Fag B“ war hingegen lediglich der Hinweis für eine Zigarettenpause für John und mich, da Fred während dieser Zeit nicht auf der Bühne stand und wir ihn nicht konstant überwachen mussten.) Die respektlose Crew war so dreist und suchte sich andere Titel für die Songs auf der Set-List aus: „We Will Rock You“ – „We Will Rob You“ (Wir werden euch ausrauben), „Now I’m Here – „Now I’m Queer“ (Jetzt bin ich schwul), „I Want To Break Free“ – „I Want To Break Wind“ (Ich will furzen), „Flash!“ – „Trash!“ (Müll).

      Die mit einem Klebeband auf Freds Flügel befestigte Set-List gehörte zu den wichtigsten Insider-Informationen, die man örtlichen Helfern bei der Vorbereitung des Konzerts zukommen ließ. Sein schwarzer, fast drei Meter langer Steinway-Konzertflügel war das erste Instrument, das man auf der Bühne aufbaute. Er wurde in einem riesigen Flightcase von einem Kran herabgelassen und wartete dann auf sein drittes Bein. Zu dem Zeitpunkt studierte die lokale Crew die angedachte Konzertabfolge und kommentierte sie. Zwischenzeitlich lag der geschätzte Autor unter einer Tonne von Holz, Metall und Elfenbeinimitat und brüllte die Jungs an, „das verdammte Ding hochzuheben“, damit ich das letzte Bein an die dafür vorgesehene Position anschrauben konnte.

      Während des sich immer weiter nähernden Konzertbeginns platzierte man Handtücher und die Erfrischungen für die Band an den strategisch wichtigen Plätzen. Wasser und Bier für Fred, Bier für Brian und Roger und eine Backstage-Bar für John, in der sich Mineralwasser befand, Bier, Soft Drinks, Wein und was für Alkoholika auch immer oder welchen Cocktail er momentan mochte: Southern Comfort, Wodka oder Tequila. Zu Johns Cocktail-Lounge legten wir noch verschiedene Nusssorten und M&Ms. Die Minibar befand sich diskret versteckt neben seinem Kontroll-­Rack für die Elektronik, wo er gleichzeitig die Laufstärke regeln und sich einen Drink genehmigen konnte. Dort hing zur Orientierung für John und andere eine Kopie der Set-List – neben den Öffnungszeiten der Bar.

      In den Seiden-und-Satin-Tagen von Queen Mitte der Siebziger standen auf Freds Flügel Champagner-Gläser, um zwischendurch daran zu nippen. Ich bewahrte die Dinger in einem alten Handtuch in der Schublade eines Flightcases auf, polierte sie kurz vor der Show mit meinem T-Shirt und befüllte sie im Backstage-Bereich aus einem Wasserhahn.

      Es war niemals Champagner. An bestimmten Veranstaltungsorten versuchte ich es mit Perrier, da das Wasser aus dem Hahn eine überaus zweifelhafte Farbe hatte, wofür mich Fred verfluchte – bei Mineralwasser musste er ständig rülpsen. Nach einem Zwischenfall, bei dem sich ein Zuschauer verletzte, beauftragte man mich, sie durch Plastikimitate auszutauschen. Fred überkam das Grauen, als er die billigen Dinger aus einem Partyshop sah, und wir wechselten zu stinknormalen Plastikbechern, gefüllt mit Evian oder stillem Mineralwasser, als unser Catering ausgefeilter wurde.

      Kurz vor der Show geleiteten wir Brian zu seinem Gitarrenraum backstage, wo er die Instrumente stimmte und sich warm spielte. Dabei unterhielt er sich unweigerlich mit einem Gast, vergaß die Welt um sich herum und wusste dann nicht mehr, welche Gitarren er nun gestimmt hatte und welche nicht – somit begann alles wieder von vorn.

      Die Zeit vor dem Auftrittsbeginn rückt immer näher und Brian versucht verzweifelt, eine Ukulele mit einem elektrischen Stimmgerät mit Leucht­anzeige einzupegeln.

      „Brian, es ist ein akustisches Instrument!“

      Er grinst und stimmt sie nach Gehör.

      Ich stimmte Johns Bass und Freds Gitarren immer auf der Bühne, da ich mich dann dort befand, wo sie auch zum Einsatz kamen. Nach den ersten Shows einer Tournee verzichteten Fred und John meist auf einen Soundcheck. Sie vertrauten ihren Crew-Mitgliedern. Zusätzlich hatte das natürlich den Vorteil, dass sie länger schlafen konnten.

      Die Queen-Musiker waren selbstbewusste Individuen, doch manchmal, bei großen Open Airs, in riesigen Stadien oder neuen Städten, zog die Aufregung die Nerven in die Länge. In solchen Momenten halfen ihnen die dreisten und frechen Lästereien der Crew beim Entspannen und sorgten für gute Laune. Queen konnten meist über sich selbst lachen und auch die witzige Seite ihres pompösen Gebarens erkennen. Es half ihnen, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben, da zahlreiche Schleimer ihnen nur allzu gerne versicherten, dass alles, was sie taten, ach so wunderbar und unerreichbar sei.

      „Die Zuschauer sind jetzt alle da, Fred.“

      „Gut – wie sehen sie aus?“

      (Wie sehen sie aus? Was für eine Frage! Begeistert? Schlau? Verärgert?)

      „Tja, es scheint ein nettes Pärchen zu sein.“

      „Du Bastard!“

      „Ach ja, bevor ich es vergesse, das neue Album ist jetzt …“

      „Gold? Platin? Doppel-Platin?“, fuhr einer der Musiker dazwischen.

      „Nein – auf gutem Vinyl erhältlich.“

      „Fuck off!“

      „Mir kam zu Ohren, eine Frau in Slough habe sich eine Scheibe zugelegt.“

      „Fuck off und stirb! Lasst uns weitermachen. Wann müssen wir rauf?“

      Queen brennen förmlich darauf, auf die Bühne zu gehen. Die Aufregung nimmt zu und man spürt die sich steigernde nervöse Energie in den Fluren des Backstage-Bereichs. Die Crew trägt laminierte „Access All Areas“-Pässe, die an einer Kordel um den Hals baumeln, und begibt sich auf die Bühne, um das Equipment einem letzten Test zu unterziehen und das weibliche „Vergnügungspotential“ in den ersten Reihen zu checken.

      In der Garderobe von Queen halten sich nur noch die wichtigsten Personen auf, da es nun an die Kostümierung geht. Sie bereiten sich vor und putzen sich für die aufregende und beängstigende Feuerprobe heraus. Um die nervöse Anspannung zu mildern und die Stimme aufzuwärmen, schreien sich Fred und Roger in hohen Stimmlagen an, wobei sie wie zwei streunende Kater in der Nacht klingen. Roger hält zwei Drumsticks in den Händen und trommelt damit auf allen möglichen Geständen herum – sogar auf seinem Assistenten und ehemaligem Roadie Chris Taylor alias Crystal (nein, die beiden sind nicht miteinander verwandt). Das Aufwärmtraining dient der Geschmeidigkeit und Flexibilität seiner Handgelenksmuskulatur.

      Manchmal betraten Queen die Bühne zu spät, doch bei einem Konzert in Spanien lag die Schuld nicht bei ihnen. Joe Trovato, damals zuständig für das Licht-Design der Band, hatte sich den billigen, lokalen Wein im Übermaß hinter die Binde gekippt, was seinen Magen rumoren ließ und erdbebenähnliche Flatulenzen und lange „Sessions“ auf dem Backstage-­Klo nach sich zog. Unglücklich und zeitvergessen hockte er auf dem Klo, bis er ein dezentes, leises Klopfen an der Tür hörte und eine besorgte, deutlich erkennbare Stimme, die ihn fragte: „Alles klar bei dir da drin?“ Joe öffnete die Tür und erspähte die Gesichter von Freddie und der um ihn herum versammelten Band, die ihn anstarrten – alle schon im Bühnen­dress und bereit, sich dem Publikum zu stellen. Mit einem verzerrten Gesichtsausdruck


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