Pink - 2 Gesichter. Paul Lester
Beziehung zu meinen Eltern ist heute besser als jemals zuvor“, gibt sie zu, ohne den Nachsatz zu vergessen, dass „jeder von seinen Eltern psychisch missbraucht wird. Ist es nicht genau das, was bei Eltern vermutet wird? Ich wollte [aber] nicht, dass mein Vater uns verlässt, und so stritt ich mich mit meiner Mutter.“
„[Es begann] im Alter von neun Jahren“, bestätigt sie den Zeitpunkt des Beginns ihrer aufmüpfigen Jugendjahre. „Ich bin froh, dass alles schon so früh anfing, denn jetzt bin ich entspannt und mit mir im Reinen.“
Ihre Teenagerzeit war aber alles andere als entspannt. Während dieser Phase lebte sie bei jedem Bekannten, der ihr Unterschlupf bot. Sie sah dabei zu, wie ihre Freunde das Leben mit Alkohol und Drogen verschwendeten und an sich vorbeiziehen ließen. Eines Nachts wurde sie sogar mit einer Waffe bedroht, konnte die Situation aber entschärfen und ins Lächerliche ziehen, indem sie dem Angreifer klar machte, dass er einen starken Mundgeruch hatte!
Nach der Trennung der Eltern zog Pink zuerst bei ihrer Mutter ein, danach bei ihrem Vater. Eine Zeit lang lebte sie mal hier, mal dort. Ihre Mutter hatte schwer zu kämpfen, um die zunehmend aufsässiger werdende Tochter zu bändigen. Wann Pink mit dem Rauchen anfing, ist nicht sicher, aber Berichten zufolge ging es mit den Zigaretten schon mit neun Jahren los, gefolgt von Marihuana mit zehneinhalb. Sicher ist aber, dass sie im Alter von zwölf mit den „bösen Jungs“ aus der Nachbarschaft abhing und schon bald, nachdem sie die Schule verlassen hatte, ihren Körper mit Tattoos und Piercings verzierte und harte Drogen auszutesten begann.
Mit 14 wurde der rebellierende Teenager, der ernsthaft die Meinung vertrat, dass es Kindern ab elf Jahren erlaubt sein sollte, mit Ecstasy zu experimentieren, von ihrer Mutter zu einem Therapeuten geschleppt. Sie erzählte ihm „allen möglichen abgedrehten Scheiß. Wenn er mich fragte, was ich an dem Tag so gemacht hatte, antwortete ich: ‚Oh, ich habe mir vorgestellt, eine Flasche zu zertrümmern und mit einer Scherbe dem Lehrer die Kehle aufzuschlitzen.‘“
Mitten in der Pubertät hatte sich Pink zu einem sogenannten „wandelnden Pulverfass“ entwickelt. Ihre Persönlichkeit vereinte unterschiedliche Tendenzen – eine beängstigende Unreife gepaart mit einem ungewöhnlichen, frühreifen Verhalten. Das ging sogar so weit, dass sie sich in der örtlichen Bibliothek informierte, wie viele verbotene Rauschmittel man konsumieren konnte, ohne sich dabei umzubringen.
Leider konnte dieses vernunftorientierte Verhalten sie nicht davon abhalten, mit 16 den selbstzerstörerischen Weg fast bis an sein Ende zu gehen. An Thanksgiving 1995, zwei Jahre nach dem durch eine Überdosis verursachten Tod des Schauspielers River Phoenix vor dem Viper Room in Hollywood, schlich sich Pink in einen Nachtclub in Philadelphia. Ganz offensichtlich hatte sie nicht nur Bier getrunken und Marihuana geraucht, sondern auch verschiedene andere Drogen eingeworfen – Crystal Meth, Ketamin, Angel Dust, Ecstasy, Kokain – und Distickstoffmonoxid eingeatmet, besser bekannt als Lachgas. Danach schluckte Pink LSD, Mengen an LSD. Plötzlich verfärbten sich ihre Lippen blau. Sie legte sich auf den Boden und stellte sich darauf ein, dass ihre letzte Stunde auf Erden geschlagen hatte.
Das grundlegende Problem bestand darin, dass ihr gesamtes Umfeld aus Drogenabhängigen bestand. Alle Freunde waren, wie Pink unverblümt erzählt, „auch absolut abgefuckt“. Für Kids ihres Alters stellte der Konsum toxischer Substanzen ein völlig normales Gebaren dar. Sogar der Tod einiger Bekannter, verursacht durch anhaltenden Drogenmissbrauch, konnte sie nicht davon abhalten, einfach weiterzumachen.
„Mein Leben war der totale Wahnsinn“, erzählte sie 2006 der Journalistin Caroline Graham, „aber ich habe niemals an den Tod gedacht – obwohl ich zu den Beerdigungen von drei Freunden ging, die alle an einer Überdosis Heroin gestorben waren … Ich musste mit ansehen, wie sie an Drogen verreckten. Auf einem Friedhof zu stehen, zu sehen, wie der Sarg deines Freundes in das Grab hinabgelassen wird – man sollte meinen, dass das eine heilsame Wirkung hat und dich von Drogen abhält, aber das funktionierte nie.“
Letztendlich hatten die Geschehnisse dieser schicksalhaften Nacht im November 1995 aber doch ihre Auswirkungen, denn glücklich darüber, überlebt zu haben, schwor sie, fortan die Finger von Drogen zu lassen und clean zu werden. „Ich ging nicht in eine Entzugsklinik oder zu den Anonymen Drogensüchtigen. Ich habe einfach damit aufgehört, denn mein Leben als Sängerin lag mir am Herzen. Das ist ein Job, bei dem eine starke Selbstkontrolle sehr wichtig ist.“
Nicht dass sie ihren wilden Eskapaden damit abgeschworen hätte – weit gefehlt! In einem Gespräch mit der Journalistin Louise Gannon gibt Pink zu, dass sie ihren Eltern verdammt viele Probleme machte. „Ich war genau das Kind, das jeder Mutter die schlimmsten Albträume bereitet. Ich war wütend, war verwirrt, war wild und überall, wo ich auftauchte, gab es Ärger. Ich flog von der Schule. Ich wurde so oft verhaftet, dass meine Mutter jeden Polizeibeamten Philadelphias namentlich kannte! Mein Verhalten kam teilweise von dem Gefühl, nirgendwo dazuzugehören, aber auch von meinem Charakter – ich bin eben von Natur aus eine Rebellin. Ich machte das, wozu ich Lust hatte, ohne dabei an die Konsequenzen zu denken – meistens brachte das auch eine Menge Fun.“
Ihrer Mutter hingegen überhaupt nicht! Als ihr klar wurde, dass sie Pink nicht mehr länger bändigen konnte, schickte sie das junge Mädchen zu ihrem Vater, um bei ihm zu wohnen.
Jim Moore war ein politisch engagierter Vietnam-Veteran und seine zweite Frau, Pinks Stiefmutter, arbeitete ebenfalls als Krankenschwester. Sie pflegte im Krieg Verwundete. Nachdem Moore jahrelang den Horror, den er in Südostasien erlebte, verleugnet und verschwiegen hatte, entschied er sich im Alter von 40 Jahren zu einer Therapie. Er wollte die Dämonen austreiben, mit denen er seit der Rückkehr aus dem Krieg kämpfen musste, und so entschied er sich zur Gründung einer Selbsthilfegruppe mit dem Namen „Vietnam Veterans Chapter 210 of Bucks County“. Das Ziel lag darin, Benefizveranstaltungen zu organisieren und Hilfe in Form von Gruppentherapien für alle Veteranen des Bezirks zu ermöglichen. Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr ging Pink auch zu diesen Treffen, wo sie voller Erstaunen sah, wie erwachsene Männer zusammenbrachen und wie kleine Kinder weinten. Manchmal half sie ihrem Vater auch bei der Essensausgabe in Suppenküchen oder nahm an Protestmärschen für die Rechte der Veteranen teil. Statt gelangweilt oder sogar schockiert zu sein, faszinierten diese ganzen Aktivitäten das junge Mädchen. „Ich liebte diese Zeit, denn sie gab mir das Gefühl, über glühende Kohlen zu gehen – richtig zu leben.“
Pinks Vater war ein übermächtiger Charakter, den sie wahlweise als „blöden Arsch“, „unglaublich stark“ oder „durchgeknallt“ beschrieb. Andererseits hat sie von ihm respektvoll als Sportschützen und Biker gesprochen und sein Wissen und seine Erfahrung in Karate und „Guerillakriegsführung“ hervorgehoben, wie auch seinen Spleen, in der Garage – aus was für einem Grund auch immer – einen Haufen Raketenwerfer zu lagern.
Während Pinks Mutter die nötige Härte vermissen ließ, stellte ihr Vater, eine ernsthafte, autoritäre Persönlichkeit, im Umgang mit seiner starrköpfigen und unbeugsamen Tochter das genaue Gegenteil dar. Die beiden stritten sich heftig. Trotzdem hatte Pink den größten Respekt vor ihrem Vater. „Ich habe nie an Autoritäten geglaubt. Ich wusste immer, was ich wollte. Ich mochte ganz einfach keine Regeln“, erzählte sie dem Guardian 2006. „[Aber] ich respektiere meinen Vater, denn wenn ich es nicht getan hätte, wäre ich durch eine Wand geflogen. Bei ihm gab es eine klare Linie und das konnte ich respektieren. Wenn er mich warnte, zählte er immer bis drei, aber ich habe ihn höchstens bis zweidreiviertel kommen lassen. Bei Jim Moore traust du dich nicht, Scheiß zu bauen – das machst du einfach nicht.“
„Er konnte dir eine gehörige Abreibung verpassen, dich zum Lachen bringen oder dir etwas beibringen. Er war schon ein cooler Typ“, ergänzte sie.
Mit dem Gefühl dieser kindlichen Begeisterung, vielleicht sogar Verehrung, beschreibt sie ihn als ihren „ersten Rockstar“ (auf dem Album I’m Not Dead aus dem Jahr 2006 sangen die beiden dann übrigens den Song „I Have Seen The Rain“ zusammen). Tatsächlich war es auch Moore, der Pink inspirierte, denn er erkannte frühzeitig, dass sie eine kräftige Gesangsstimme besaß, trotz eines Asthmaleidens während ihrer gesamten Kindheit. Er hatte ihr schon von früh an Songs auf der Gitarre vorgespielt und dabei gesungen, was in Pink den Wunsch weckte, auch selbst zu performen.
Sie erklärt sich sein aufbrausendes