You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson. Jermaine Jackson

You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson - Jermaine  Jackson


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       Danksagung

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      Zitat

      Ich errichtete ein Monument, dauerhafter als Erz

      und höher als die königlichen Pyramiden. …

      Vergehen werde ich nie ganz, ein großer Teil von mir

      wird nach dem Tode weiterleben.

      Wachse ich doch immer weiter durch der Nachwelt Lob.

      Horaz, 23 v. Chr.

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      Der Badezimmerspiegel des kleinen Hotels im kalifornischen Santa Maria ist beschlagen, und von meiner morgendlichen Dusche hängt so viel Dunst im Raum, dass mein Spiegelbild nicht zu erkennen ist. Wie ich so vor dem Waschbecken stehe, tropfnass in ein Handtuch gehüllt, mutet die opake Glasoberfläche wie eine Leinwand an, die dazu einlädt, einen Gedanken festzuhalten, den ich in meinem Kopf ständig wiederholt habe.

      Mit einem Finger schreibe ich aufs Glas: „MICHAEL JACKSON, ZU 1.000 % UNSCHULDIG.“ Aus dem Punkt am Ende mache ich einen lachenden Smiley. Man muss daran glauben, dass alles ein gutes Ende nehmen wird.

      Nun starre ich diese Botschaft an und konzentriere mich auf den möglichen Ausgang: Sieg, Gerechtigkeit und Rehabilitation. Wir schreiben den 10. März 2005, und heute ist der elfte Tag dieses Schauprozesses, in dem sich mein Bruder wegen sexueller Belästigung von Kindern verantworten muss.

      „MICHAEL JACKSON, ZU 1.000 % UNSCHULDIG“, lese ich erneut. Immer wieder gleitet mein Blick zur linken oberen Ecke des Spiegels, und ich sehe dem Smiley dabei zu, wie er langsam verläuft. Wie versteinert erinnere ich mich plötzlich an eine ganz ähnliche Szene in Michaels Badezimmer, in Hayvenhurst bei Encino vor den Toren von Los Angeles, wo er vor seinem Umzug nach Neverland wohnte, und ich merke, dass ich jetzt genau das Gleiche tue wie er 1982. Damals nahm er einen schwarzen Edding, damit die Schrift zum schwarzen Marmor passte, und kritzelte in die linke obere Ecke seines Spiegels: „Thriller! 100 Millionen Exemplare verkauft … Stadion-Tournee ausverkauft.“

      So geht das: einen Gedanken in Worte fassen, daran glauben, ihn umsetzen. Mit aller Kraft daran arbeiten, dass er wahr wird, so wie unsere Mutter Katherine und unser Vater Joseph uns das beibrachten, als wir noch Kinder waren. „Ihr schafft das … und das hier schafft ihr auch“, pflegte Joseph bei den frühen, noch recht holprigen Proben der Jackson 5 immer zu sagen. „Wir werden es noch einmal und noch einmal probieren, bis ihr alles richtig hinbekommt. Denkt daran, sprecht es aus, stellt euch vor, wie ihr es tut, stellt euch vor, dass es geschieht … und dann geschieht es auch.“ Und unsere Mutter setzte etwas sanfter hinzu: „Fokussiert eure Gedanken und konzentriert euch mit ganzem Herzen darauf.“ All das wurde uns eingetrichtert, schon lange, bevor positives Denken groß in Mode kam. Unsere Köpfe sind so programmiert, dass sie keine Zweifel oder Halbherzigkeiten zulassen.

      Michael war sich völlig im Klaren darüber, welche Dimensionen der große Durchbruch, die Innovation und der Erfolg haben sollten, die er als Solokünstler mit seinem Album Thriller anstrebte, und dass er diesen einen Gedanken auf den Spiegel schrieb, war für ihn ein Mittel der Visualisierung. Jahre später, als er schon längst in Neverland wohnte, war der Schriftzug verblasst und eigentlich gar nicht mehr zu sehen, aber dennoch hatte er seine Spuren auf dem Glas hinterlassen, denn jedes Mal, wenn der Spiegel beschlug, tauchte ein Schatten der Worte wieder auf, wie eine Geheimschrift, die man mit einem Zauberstift angebracht hat. Und so werden mich beschlagene Spiegel immer an Michaels visualisierten Ehrgeiz erinnern.

      Seit den Achtzigern ließ er sich beim kreativen Prozess nicht mehr in die Karten schauen, und neue Werke wurden erst vorgestellt, wenn die Zeit dafür reif war; er pflegte Ideen und Konzepte jedoch stets irgendwo aufzuschreiben, wo er sie jeden Tag sehen konnte, oder aber er sprach sie in ein Diktiergerät, um sie gelegentlich abzuspielen und sie sich so wieder ins Gedächtnis zu rufen. Er teilte seine Ideen niemandem mit, weil er keine Einmischung von außen wollte; er verließ sich ganz auf seine eigene mentale Stärke. In der Zeit zwischen November 2003, als er festgenommen und angeklagt wurde, und dem heutigen Tag im März 2005 hat er diese große innere Kraft dann wirklich gebraucht.

      Er steht an jedem Verhandlungstag um 4:30 Uhr auf, bereitet sich emotional vor und macht sich innerlich stark, um einen weiteren Tag ritualisierter Erniedrigung zu überstehen.

      Gestern, am 9. März, machte Gavin Arvizo, der Fünfzehnjährige, der als „das Opfer“ präsentiert wird, seine fragwürdige Zeugenaussage und ging dabei bis in die kleinsten Einzelheiten. Ich saß, wie schon seit Prozessbeginn, die ganze Zeit über hinter Michael.

      Nach außen zeigt mein Bruder eine harte Schale: distanziert, ausdruckslos, beinahe kalt. Innerlich aber knirschen die Eisenklammern, die ihn zusammenhalten, und eine nach der anderen gibt unter dem Druck mit einem Krachen nach.

      Frische Luft strömt ins Bad, und ich betrachte mein Spiegelbild, das der Dunst nun langsam wieder freigibt. Meine Gedanken sind fest auf das Eine gerichtet: Michael wird für unschuldig befunden werden. Ich würde es in den Grabstein meiner Großmutter eingravieren, wenn ich es könnte. Einen Gedanken in Worte fassen, daran glauben, ihn wahr werden lassen.

      Aber sosehr ich mich auch konzentriere, es gelingt mir nicht, den Schmerz und die Besorgnis auszuschalten, die unsere ganze Familie ergriffen haben. Ständig merke ich, dass ich mich in die Zeit zurückversetze, in der wir noch glaubten, Hollywood sei ein zauberhafter, ein magischer Ort.

      In meinem Zimmer sehe ich mir die Lokalnachrichten im Fernsehen an und warte auf den Verhandlungstag Nummer 11. Ich denke an Michael in Neverland. Die Autos fahren jetzt vermutlich vor der Tür vor. Er wird schon seit vier Stunden auf sein, das Frühstück in seinem Zimmer auf einem Silbertablett serviert bekommen haben, allein. Diese wenigen Minuten zwackt er sich für sich selbst ab. Dann geht er nach unten; für die Fahrt zum Gericht ist eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Sein Tag ist minutiös durchgeplant, wie der Ablauf einer aufwändigen Show.

      Ich muss an all das denken, was er erreicht hat, und an all das, was er nun durchmachen muss.

      Wie ist aus einer so wunderschönen Geschichte etwas so Hässliches und Verzerrtes geworden? Lag das am Ruhm? Ist dies der Entscheidungskampf, wie er einem Schwarzen bevorsteht, wenn er am amerikanischen Traum festhält und sich erdreistet, in diesem Ausmaß Erfolg zu haben? Oder ist es das, was passiert, wenn ein Musiker größer wird als seine Plattenfirma? Geht es hier um Verlagsrechte? So nach dem Motto, wir machen den Menschen dahinter fertig, lassen aber die „Cash cow“ unangetastet?

      All diese Fragen gehen mir durch den Kopf.

      Halten sich seine Hollywood-Freunde und früheren Anwälte, seine Verbündeten und Produzenten jetzt fern von ihm, weil sie glauben, dass er sie gefährdet, und weil Freundschaft für sie eigentlich nur ein anderes Wort für einen Sponsoring-Deal ist? Was ist mit diesen Leuten, die früher so viel Zwietracht säten und gerne darauf hinwiesen, dass man uns, seine Familie, auf Abstand halten sollte, weil uns nicht zu trauen sei? Wieso sind die jetzt nicht an seiner Seite und flüstern ihm aufmunternde Worte der Unterstützung ins Ohr?

      Michael erkennt jetzt, wer sein Freund ist und wer nicht, und er merkt, was Familie bedeutet. Aber in diesen Tagen steht seine Freiheit auf dem Spiel, und alles, was er sich je aufgebaut hat, läuft Gefahr, in sich zusammenzustürzen. Am liebsten würde ich die Zeit zurückdrehen: die Nadel von der Platte heben und wieder mit dem ersten Track der Jackson 5 anfangen, mit einer Zeit der Gemeinschaft, der Einheit und des brüderlichen Zusammenhalts. „Einer für alle, alle für einen“, wie Mutter immer sagte.

      Während ich dieses „Was wäre wenn“ immer wieder von Neuem in meinem Kopf durchspiele, kann ich mich der Überlegung nicht verschließen, dass wir die Dinge hätten anders handhaben sollen, ja sogar müssen, vor allem, was Michael betraf. Wir zogen uns viel zu sehr zurück, als er seinen


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