The Who - Maximum Rock III. Christoph Geisselhart

The Who - Maximum Rock III - Christoph Geisselhart


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vorher angekündigt – und war in weniger als einer Stunde ausverkauft. Auch dies ist wohl ein weiterer und oft zitierter Beleg dafür, dass The Who mit dem wiedererwachten Modkult ganz oben schwammen. Im Melody Maker stand jedoch über das Konzert zu lesen:

      „Der Anteil der Modbelegschaft war bestürzend gering. Ein halbes ­Dutzend Parkaträger, eine Flaggenjacke und eine einsame Lambretta Li150, auf die nicht mal ein zusätzlicher Scheinwerfer montiert war. Falls die hastig auf die Beine gestellte Who-Feier eine Armee von alternden Mods aus ihren Höhlen gelockt hatte, dann waren die meisten von ihnen in Tarnung unterwegs.“

      Waren die in Zeitungen und Who-Chroniken besungenen Heerscharen eines neuen Modkults also nur ein Medienphantom? Der Ex-Mod Kenney Jones musste an diesem 2. Mai 1979 in jedem Fall aus der Deckung kommen, um seinen Einstand als Nachfolger Keith Moon zu geben, der allgemein als unersetzlich gegolten hatte. „Mir standen nur fünf Tage zur Verfügung, um zehn Jahre Material einzustudieren“, sagt Kenney. Die Osterferien hatten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, die Band konnte deswegen nicht die vereinbarten zwei Wochen lang proben. „Alle dachten natürlich, dass ich die Who-Songs bestens kannte, aber mein Gedächtnis war schon immer miserabel, und alles, woran ich mich erinnern konnte, waren alte Faces-Songs. Die Proben waren ein ziemlicher Alptraum.“

      Man darf aber annehmen, dass Kenney Profi genug war, um sich mit den relevanten Who-Songs auf anderem Weg vertraut zu machen, auch wenn er Roger, John und Pete sagte, dass er bei sich zu Hause nicht die ganze Zeit ihre Platten laufen lasse. Solche Äußerungen zielten vermutlich eher darauf ab, erstens den schier übermenschlichen Erwartungsdruck zu mildern, den ­Kenney­ fraglos verspürte, und zweitens deutlich zu machen, dass hier nicht irgendwer in die zu großen Fußstapfen eines Trommeltitans treten wollte, sondern­ dass es Kenney Jones war, ein Mann mit eigenständigem Profil und eigener ruhmreicher Vergangenheit.

      Zur Premiere der neuen Who im Rainbow Theatre war es dreitausendfünfhundert Fans gelungen, eine Eintrittskarte zu ergattern, und sie wurden Zeugen eines erstaunlichen Neubeginns, wie der Melody Maker berichtete:

      „Fünf Figuren betraten gegen halb neun im Laufschritt die Bühne und stürzten­ sich in eine eigenwillige, fast respektlose Darbietung von ‚Substitute‘, was das gesamte Publikum vom ersten Takt an auf die Beine riss. Für die nächsten beiden Stunden setzte sich niemand mehr hin. Dass die Band ein Killerset hinlegen würde, wurde schon nach der Hälfte der nächsten Nummer klar: ‚I Can’t Explain‘ hatte nichts gemeinsam mit den heimeligen Erwartungen, die sich die Fans offenkundig auf die Fahnen geschrieben hatten. Daltrey, Townshend und Entwistle spielten in Bestform; Bundrick­ und Jones bemühten sich, deren einschüchternde Präsenz durch eine Mischung aus Zuversicht und Entschlossenheit zu bekräftigen. Es soll festgehalten werden, dass Kenney Jonnes nicht Keith Moon ist und auch nicht versuchte, dessen einzigartigen Stil nachzuäffen. Er hielt sich klug an eine Spielweise, die sich irgendwo zwischen Carmen Appice und Prairie Prince bewegt, was heißt, dass er alle erforderlichen Ausschmückungen einflocht, ohne sich um die notwendige Aufgabe zu drücken, eine machtvolle Basis für Bass und Gitarre zu bilden. Er begann sichtlich bange, sogar nervös, bis Daltrey, wie um die Befürchtungen der Anhängerschaft zu ­zerstreuen, in gespieltem Ernst ‚zwei neue Mitglieder der Band‘ vorstellte: Entwistle und Townshend. Erst daraufhin verschwand einiges von der Anspannung in seinem Gesicht.“

      Aufmerksamen und kundigen Beobachtern entging freilich nicht, dass Jones, der früher auf einem eher elementaren Schlagzeug agiert hatte, plötzlich ­hinter einer ähnlichen Trommelburg saß wie sein legendärer Vorgänger. Er nutzte die ganze Bandbreite des fünfzehnteiligen Schlagzeugs aber kaum – ja, er gestand sogar unumwunden ein, dass zumindest die zweite Basstrommel für ihn ein bloßes Zierobjekt war. Ob Roger, Pete und John ihm das über­proportionale Drumkit verordnet hatten, um ihre musikalische Tradition dem Anschein nach fortzuführen, oder ob Kenney sich selbst hinter die monumentale Beschickung versetzt hatte, blieb ungeklärt und war letztlich auch unwichtig, solange er erfüllte, wofür ihn Pete und John engagiert hatten: eine eher solide als einfallsreiche Quintessenz des Schlagzeugfeuerwerks wiederzugeben, das Keith Moon als erratischer Pionier seiner Zunft in vierzehn Jahren in die Welt gesetzt hatte.

      Ganz neue Songs präsentierten The Who ohnehin nicht. Vom letzten Album gab es aber immerhin drei Kostproben: „Who Are You“, „Sister Disco“ und, als wichtigster Triumph der Erneuerung, „Music Must Change“, jenen musicalartigen Sechsachtelschunkler, an dem Keith Moon im Studio gescheitert war. Kenney bewältigte das für Rockmusiker eher untypische Metrum souverän. Damit wurde „Music Must Change“ natürlich kein besseres Stück, jedenfalls kein mitreißender Who-Song. Doch der Beweis war erbracht, dass die neue Besetzung mit Kenney und dem unauffällig das Soundspektrum erweiternden Rabbit, dessen Keyboards meist deutlich leiser abgemischt waren als Rogers Stimme, das zeitgemäße Medium darstellte, das Pete für seine neuen Kompositionen brauchte. Zwar gab es diese neue Stücke noch nicht, oder sie blieben in Petes Asservatenkammer verborgen, aus der er sich bald für sein erstes Soloalbum bediente;­ doch The Who spielten im Rainbow immerhin noch zwei Quadrophenia-Titel, die früher gern daneben gegangen waren, „The Punk And The Godfather“ und „The Real Me“, dazu das von Pete als notwendig erachtete „Dreaming From The Waist“, ebenfalls ein schwieriger Song mit Taktwechseln.

      All dies funktionierte so reibungslos, dass die Fans glücklich und die Kritiker­ des Lobes voll waren: „Es war ein hervorragender, großartiger, wunder­schöner Rock’n’Roll-Auftritt: nicht mehr und nicht weniger; eine erstklassige Show, wie nur The Who sie zustande bringen können“, schrieb der New Musical Express. „Auf rätselhafte und magische Weise belebten The Who ihre Geschichte nicht nur neu, sondern sie gestalteten sie um, als begännen sie wieder von vorn.“ Dieser letzte Satz gilt bis heute und ließe sich problemlos in eine Konzertkritik der jüngsten Who-Tournee einfügen.

      Auch Pete und John waren sehr zufrieden. „Ich muss mich nicht mehr so viel um die Drums kümmern“, sagte ein sichtlich entspannter Who-Bassist nach der Show. „Keith war so unberechenbar; ich hatte ständig Sorgen, dass er aus dem Takt geriet. Kenney ist viel beständiger, und man kann mit ihm viel einfacher zusammenspielen. Es gibt wohl keinen Schlagzeuger auf der Welt, mit dem das Zusammenspiel schwieriger war als mit Keith.“ Schwieriger, aber eben auch ergiebiger, wie man bald merken sollte. Roger lag nicht falsch in seiner Analyse, dass Keith Moons „Funktion nicht bloß ‚bumm-tschick‘ war. Seine spezielle Spielweise hielt den ganzen Laden zusammen. Wenn man dagegen Kenney nimmt ... alles, was der machte, war ‚bumm-tschick-bumm-tschick‘, und das brachte mich fast zum Wahnsinn. Manchmal wäre ich auf der Bühne am liebsten gestorben.“

      Roger war der einzige in der Band, der sich fortan uneingeschränkt zum Keith-Moon-Fan erklärte. Er hatte auch äußerlich den radikalsten Schnitt vollzogen. Seine blonden Engelslocken waren dem Fortschritt zum Opfer gefallen, Tommy gab es nicht mehr. Jetzt gab es Mods und New Wave und eine anstehende Filmrolle als McVicar, und deswegen trug Roger das Haar nun kurz und akkurat. „In seiner schwarzen Bomberlederjacke sah er kerniger aus und sang kraftvoller denn je und gab damit anderen Fünfunddreißigjährigen im Publikum neue Hoffnung, die sich gefragt haben mochten, ob sie es auf irgendeine Weise bis an die Vierzig­ schaffen konnten“, kommentierte Mark Williams im Melody Maker.

      Solcherart gestützt, gestutzt und gestärkt setzten The Who in der Woche nach der Rainbow-Premiere nach Frankreich über, um die Erstaufführungen ihrer beiden Leinwandproduktionen The Kids Are Alright und Quadrophenia zu bewerben, die beide bei den Filmfestspielen von Cannes starteten. Zeitgleich dazu fanden am 12. und am 13. Mai zwei Who-Konzerte vor insgesamt fast achtzehntausend ekstatischen Fans im Amphitheater von Fréjus statt. Schon der erste Auftritt bestätigte den hervorragenden Eindruck, den die neuen Who bei ihrem Debüt in London hinterlassen hatten. Die vielen mitgereisten ­englischen Journalisten waren des Lobes voll. Nach der Show offenbarte sich freilich auch der Unterschied zu früher, wie der langjährige Wegbegleiter Chris Welch vermerkte:

      „Auf der Filmleinwand nahm Keith Moon sein Schlagzeug auseinander und schleuderte die Reste inmitten von Rauchwolken und dem glorreichen Kreischen des Feedbacks übers Parkett. Auf der Bühne dagegen trieb ­Kenney Jones die Who zu einer neuen Reife voran. Die beiden verkörpern vielleicht den stärksten Kontrast zwischen damals und heute. Keith hätte jede Minute dieses Medienspektakels


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