Macht. Klaus-Jürgen Bruder

Macht - Klaus-Jürgen Bruder


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       Über den Autor

       Literatur

      Vorwort

      »Die herrschenden Gedanken sind die Gedanken der Herrschenden« (Marx). Wer die Macht hat, muss auch die Köpfe beherrschen. Es stellt sich immer wieder die Frage, ob und wie das gelingt. Eine wirkliche Meinungsvielfalt ist daher möglichst auszuschalten, vor allem in aufregenden in Zeiten, in denen etwas für die Bevölkerung Unangenehmes durchzusetzen gilt.

      Dieses Buch wurde noch vor der Coronazeit geplant und konzipiert. Es hatte daher also einen anderen Blickpunkt, aber die Belastungen und Irritationen von uns allen haben das Projekt verzögert und beeinflusst. So sind in verschiedenen Beiträgen Spuren dieser Thematik zu finden, dennoch ist das Buch kein »Corona-Buch«.

      Zu keinem anderen Zeitpunkt aber konnten wir besser sehen als heute, dass die Macht durch die »Meinung« herrscht, in überwältigendem Ausmaß nur eine offizielle, veröffentlichte Meinung, vorgetragen mit dem Anspruch des wissenschaftlichen Expertentums, unter der Drohung hoher Gefahr für Leib und Leben.

      In der Regel wirkt sie durch Überredung, Überzeugung, Verführung – durch die Register des Redens, der Behauptung, Belehrung, des Zeigens –, und des Versteckens, Verschweigens, kurz: des Diskurses, einfach dadurch, dass man in den Diskurs einsteigt und sich gemäß seiner Regeln in diesem Diskurs bewegt (s. Foucault 1982/1987, S. 255). Und Foucault meinte damals, nur im Grenzfall braucht sie Gewalt, Drohung, Befehl oder Vorschrift. Haben wir nun diesen »Grenzfall«?

      Es war vor einem Jahr und bis heute geradezu verblüffend zu sehen, wie schnell und offenbar weitgehend die Bevölkerungen fast aller Staaten (190 von 193) weltweit sich den Zumutungen der Corona-Pandemie-Politik gebeugt und sie akzeptiert haben. Am Anfang überrumpelt, sicher auch eingeschüchtert von der Angst vor der Ansteckung durch ein unbekanntes, unsichtbares Virus, scharte sich der Großteil der Bevölkerung in Deutschland ängstlich und vertrauensvoll um die offiziellen Verlautbarungen der Kanzlerin und ihrer Experten, des Robert Koch-Institut (RKI) und Christian Drosten, und verzichtete darauf, sich noch außerhalb der öffentlich-rechtlichen Medien zu informieren. So ließ sich die Bevölkerung fast den gesamten Bewegungsraum inklusive eines großen Teils der Arbeitsplätze einschränken. Dabei waren die Krankheitsfälle, auch die mit schweren Verläufen, und die Mortalität viel geringer als erwartet und vorhergesagt und geringer als bei vorherigen Grippeepidemien. Im Juni 2020 schreibt Klaus Schwab vom Davoser Wirtschaftsforum, die Coronakrise sei »eine der am wenigsten tödlichen Pandemien, die die Welt in den letzten 2 000 Jahren erlebt hat« (Schwab & Malleret 2020, S. 296).

      Das war nicht nur erklärbar durch den Schock und die Angst vor dem tödlichen Killervirus allein, sondern durch die Annahme einer entsprechenden Bereitschaft in der Bevölkerung zum Gehorsam: ein Autoritarismus, der nicht mehr der der klassischen »autoritären Persönlichkeit« zu sein scheint, sondern eine Haltung, die den Versuchspersonen des Milgram-experiments näherkommt, eine Haltung, die hinnimmt und damit regierungsaffirmative Orientierungen und Argumente unterstützt. Wir könnten hier eher, sinnvollerweise den Begriff der »Mentalität der Angepasstheit« einsetzen.

      Die Mentalität des loyalen, vielleicht sogar dankbaren, Staatsbürgers wurde oder hat sich lange vorbereitet. Nachdem in den 68er-Jahren die Herrschenden aus dem Tritt gekommen waren, wurden Schritt für Schritt die »Freiräume« wieder abgeräumt, die eine aufmüpfig oder übermütig gewordene Jugend den Herrschenden abgerungen hatte. Mit einer Melange aus den verschiedensten Herrschaftstechniken von Repression bis Verführung wurde allmählich ein Klima geschaffen von Resignation, von sich Einfügen in das, was nicht zu ändern sein sollte, Willfährigkeit und Geschmack daran finden, die Verführungen zu genießen (vgl. Bruder 2013). In diesem Klima konnte sich jene Loyalität gegenüber der Regierung entwickeln, die den Boden bereitete für jene schnelle, bereitwillige Akzeptanz der Politik.

      Es geht in diesem Buch um die Herstellung von kurzfristigeren Meinungen und gleichzeitig um längerfristige Wertmaßstäbe, Normen und Weltbilder. Es gilt dabei aufzuzeigen, mit welchen Mitteln, unter welchen Voraussetzungen, mit welchen Institutionen, unter welchen Formaten dies erfolgreich gelingt. Das Projekt ist die Herstellung von Meinung durch Medien der verschiedenen Arten und Techniken, durch Sozialisations- und Bildungsinstitutionen wie Familie und Schule, Konsum, Arbeitssituation, um die Wirkung von Zuschreibungen, die als Verleumdung gemeint sind (wie »Antisemitismus« oder »Verschwörungstheorie«) sowie um die Darstellung von politischen Großereignissen. Die Analysen haben zwar die aktuell gegenwärtige Situation vor Augen, wollen aber zugleich grundlegender die Prinzipien und Mechanismen der Beeinflussung und Manipulation an ausgewählten Beispielen untersuchen.

      Die Geschichte der Herausbildung des modernen »Meinungsmanagements« stellt Almuth Bruder-Bezzel im einleitenden Kapitel »Propaganda und Macht« dar. Sie zeigt, wie die Herrschenden ihre Gedanken und Interessen zu herrschenden Meinungen machen können. Und dies im großen Maßstab der Massenmedien und Massenkommunikation. Es werden hierzu die Pioniere der Massenkommunikationstheorien herangezogen. Es geht schließlich auch um die Frage, welche psychologischen Prozesse und Dynamiken bei den einzelnen Individuen eine Rolle spielen.

      Klaus-Jürgen Bruder schließt in seinem Beitrag daran an. Für die Übernahme der Gedanken und Ideen der Herrschenden durch die Beherrschten ist es entscheidend, dass diese als eigene ausgegeben werden, um ihnen folgen zu können. Wir tun so, als folgten wir dem eigenen Befehl. Darin realisiert sich das Subjekt als Herr seines eigenen Sprechens und Handelns.

      Die Herstellung dieser Loyalität läuft nicht nur über die Medien, die »Meinungsmacher« (Albrecht Müller), die »Manufakturen des Konsens« (Noam Chomsky). Auch wenn der Konsens dort produziert und reproduziert wird, gibt es viele andere Produktionsstätten der Meinung als nur die öffentlichen Medien. Die Medien arbeiten mit Meinungen, die es bereits gibt, oder besser: mit Teilen von Meinungen, Bildern, Vorstellungen, Aussagen, die die Menschen mitbringen, aus anderen Bereichen, Feldern, in denen bereits Meinungen gebildet worden sind: in der Familie, in Schule, Ausbildung, Beruf, in kulturellen Räumen und Veranstaltungen der Freizeit.

      Diesen Orten, den Erfahrungen dort, in denen sch Meinungen gebildet, beziehungsweise ausgetauscht, übertragen, angeeignet werden, wenden wir uns zu.

      Mit dem Beitrag »Die vererbte Meinung« stellt Anton Perzy die ganz grundlegende Ausgangssituation der Entstehung von Meinung in der Familie dar. Über diese Sozialisationsagentur werden – wie über andere – Meinungen zum Ausdruck eines gesellschaftlichen Verhältnisses, zum Erbe der sozialen Umstände und herrschenden Machtverhältnisse und so – aktuell – zu einem Ergebnis neoliberaler Interessen.

      In der Schule, die im Beitrag von Magda von Garrel als Normierungs- und Selektionsanstalt charakterisiert wird, werden die mitgebrachten Ungleichheiten durch Gleichschaltung reproduziert und zugleich Grundhaltungen und Sekundärtugenden geformt, die die Kinder auf ihre Rolle von »stummen Werkzeugen« vorbereitet.

      »Stumme Werkzeuge« ist auch der Titel von Werner Rügemers Aufsatz und seine Bezeichnung für die Arbeitnehmer. Bereits im Bürgerlichen Gesetzbuch sind sie als weisungsgebundene, fremdbestimmte, in persönlicher Abhängigkeit gehaltene Menschen definiert. Als solche werden sie – in der Öffentlichkeit der Medien – zum Schweigen verurteilt und in Schweigen gehalten, können ihre Lage und ihre Haltung im Arbeitsunrecht nicht artikulieren und im Durchschnitt damit auch nicht zu Bewusstsein bringen.

      In der Sphäre des Konsums schließlich wird die Formierung der Subjekte vollendet, wie Burkhard Bierhoff in seinem Beitrag in den verschiedenen Phasen des Kapitalismus aufzeigt. In der Konsumgesellschaft ab den Fünfzigerjahren wurden die Lebenswelten der Logik des Massenkonsums unterworfen, das Subjekt wurde für den Massenkonsum formiert, Wünsche und Bedürfnisse wurden stimuliert und produziert, Konsum


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