Macht. Klaus-Jürgen Bruder

Macht - Klaus-Jürgen Bruder


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sie im Sinn der Herrschenden auch schiefgehen können. Das hat Peter Brückner sehr schön hervorgehoben:

      Es ist im Interesse von Herrschaft, dass einige Beherrschte lernen zu denken, aber dann können sie auch über das Interesse der Herrschaft nachdenken. Immer bereiten die gleichen Techniken der Sozialisation beides vor: die Auslöschung jeder Autonomie und die Tendenz, Freiheit zu maximieren. Das treibt zur Reflexion, nicht nur zur kontinuierlichen Unterwerfung. Diese Widersprüchlichkeit des Sozialisationsprozesses zwingt die Inhaber von Herrschaftspositionen zu einer fortlaufenden Nachproduktion falschen Bewusstseins. Nicht nur die Revolution, auch die Reaktion ist nur als permanente denkbar. (Brückner 1968, S. 153)

      Ein ungeheuer großer Apparat steht dafür zur Verfügung, zur Herstellung eines gesellschaftlichen Konsens. Diese Vielfalt und Größe der Beeinflussungsapparate zeigen zum einen, wie wichtig es den Mächtigen ist, Macht über Meinung, über Zustimmung, zu bekommen, und zum anderen, wie viel Anstrengung es kostet, damit das »autonome Subjekt« zum Schweigen gebracht wird, damit die Manipulation, die Beeinflussung funktionieren kann.

      Im Einzelnen und in besonderen Situationen scheint dies allerdings ziemlich einfach zu sein, wie wir angesichts der aktuellen Corona-Politik leider feststellen mussten. Mit den probaten Mitteln »Angst« und stetiger Wiederholung wurden große Teile der Bevölkerung rasant schnell mobilisiert.

      Es geht hier also bei der Meinungsherstellung um Zustimmung, um gesellschaftlichen Konsens. Denn unsere Gedanken, Ideen Meinungen und Bedürfnisse sollen so sein, wie die der Herren. Wir sollen wollen, was wir sollen. Nur dadurch haben die Herrschenden die Macht und können sie Macht behalten, lenken, dirigieren, kontrollieren.

      Albrecht Müller von den »Nachdenkseiten« stellte 2010 zu dieser Herstellung von Konsens fünf Thesen auf:

      1.Meinung macht Politik. Die öffentliche Meinung ist oft maßgeblich für die politischen Entscheidungen.

      2.In vielen Fällen bestimmt allein die veröffentlichte Meinung, also die von den tonangebenden Personen, Gruppen und Medien mehrheitlich vertretene Meinung, die politischen Entscheidungen.

      3.Meinung kann man machen.

      4.Wer über viel Geld und/oder publizistische Macht verfügt, kann die politischen Entscheidungen massiv beeinflussen.

      5.Die totale Manipulation, die gleichgerichtete Prägung des Denkens vieler Menschen ist möglich (Müller 2010, S. 10 f.).

      Müller zitiert dazu noch George Orwells Roman 1984: »Und wenn alle anderen die von der Partei oktroyierte Lüge akzeptierten […], dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit« (Orwell 1949/2020, S. 45).

      In dieser Einleitung wollen wir uns auf das Wirken der Massenmedien konzentrieren, und die Anfänge dieser wissenschaftlichen Praxis skizzieren.1 Wir sehen daran, in welche Vorstellungswelt über Demokratie und über das Publikum, diese Theorien und Praxis der Massenkommunikation eingebettet sind. Die Klassiker etwa ab der Zeit des Ersten Weltkrieges sprechen hierzu eine sehr offene Sprache, und die erschreckt. Auch wollen wir fragen, wie weit und wie lange wir relativ autonom sind, trotz der Beeinflussungen, oder wann es so weit ist und unter welchen Umständen, dass wir uns manipulieren lassen.

      Das Versprechen auf Demokratie in der Klassengesellschaft nach der Französischen Revolution war für die bürgerlichen Eliten bedrohlich, denn Kapitalismus, Besitz an Privateigentum und Demokratie, Herrschaft des besitzlosen Volkes, sind eigentlich unvereinbar.

      Die ideale Verpflichtung, Herrschaft auf das Volk zurückzuführen, und der reale Anspruch von Oligarchien, über das Volk zu herrschen, führten schon von Anbeginn des bürgerlichen Aufstiegs zur Macht in Schwierigkeiten (Agnoli 1968, S. 7).

      Es mussten »Demokratieformen« und Techniken entwickelt werden, die für die Mächtigen, die Regierenden, »für die besitzende Klasse risikofrei sind«, bei denen tatsächlich die Elite herrscht, nicht das Volk, sodass wir in einer »Illusion von Demokratie« leben, »mit oligarchischen Strukturen unter demokratischem Deckmantel«, wie Rainer Mausfeld dies in aller Schärfe formuliert (Mausfeld 2018, S. 24, 29). Repräsentative Demokratie ist dafür genau das richtige Mittel, »das Mittel zur Verhinderung von Demokratie« (ebd., S. 91). Damit das Volk weiterhin keinen Einfluss bekommt, ist entweder Meinungsmanipulation, die für die Übernahme der Meinung der Herrschenden sorgt, oder die Entpolitisierung des Volkes für die Herrschenden günstig.

      Die Eliten, die Herrschenden, brauchen aber Zustimmung, brauchen Massen, um ihre Geschäfte ungestört und unter Mithilfe erledigen zu können. Sie brauchen den »sozialen Frieden«, und der ist – mit Agnoli ausgedrückt – erreicht,

      wenn gegen die Herrschaft keine Forderungen mehr erhoben […] werden, die Massen ihr Interesse an einer Veränderung der Gesellschaft verlieren und von der Befreiung auf die Befriedung und Befriedigung … zurückgebracht werden […]. Konsumlusterweckung und optimale Lustbefriedigung … helfen dabei, den Verlust an Politik zu kompensieren und die Notwendigkeit der Politik zu verdecken. (Agnoli 1968, S. 22)

      Unter dem Einfluss der Corona-Politik haben wir darüber hinaus erlebt, dass unter besonderen Umständen mehr als nur Apathie nötig ist, sondern sehr aktive Mitwirkung, voller Einsatz und Gehorsam.

      Wie lässt sich nun garantieren, dass die herrschende Meinung – das ist doch eigentlich die öffentliche Meinung – die Meinung der Herrschenden ist beziehungsweise bleibt, unter den Bedingungen der Demokratie und unter den Bedingungen der Ungerechtigkeit, Spaltung der Gesellschaft?

      Es geht darum zu erforschen, wie die »Masse« denkt, fühlt, sich verhält, wie sie tickt, was sie antreibt und wie ihre inneren psychologischen Prozesse ablaufen. Dies ist wichtig, um die Bevölkerung in die gewünschte Richtung lenken und kontrollieren zu können, um die gewünschte öffentliche Meinung und Verhaltensweisen herzustellen. Denn das ist für die Herrschenden die beunruhigende und die zu lösende Aufgabe in der Demokratie. Wie sonst soll gewährleistet werden, dass die Demokratie nicht die des Volkes, sondern die Staatsform der Elite ist und bleibt?

      Ziel der Sozial- und Massenpsychologie ist also die Beherrschung der Massen, »systematische Steuerung und Kontrolle der Psyche« mit dem Ziel, »den Einzelnen mit der Lebensform auszusöhnen, die ihm von der Gesellschaft aufgezwungen wird.« (Marcuse 1968, S. 12 f.). Diesem Zweck dient die Manipulation von Meinungen, aber auch panem et circenses, Brot und Spiele, Weckung von Konsumbedürfnissen sowie deren Formung und Lenkung. Allgemeiner gesagt:

      Wer auf Herrschaft aus ist und ein Interesse daran hat, die Repression der Bürger zu verewigen, erklärt die Privatsphäre zum Heiligtum, denn nur in ihr entwickeln sie sich zum stillen Agenten und Akklamateur eben jener Herrschaft […]. Erst als verinnerlichte sind Könige vor der Guillotine sicher. (Brückner 1968, S. 100)

      Man braucht Instrumente, um die Massen zu manipulieren, um sie zu entmachten. Dabei dürfen »die Techniken des Herrschens den Beherrschten« nicht »zum Bewusstsein gebracht werden«. Daher muss auch

      politikwissenschaftliche Erkenntnis«, die »aufzeigt, wie manipuliert wird und damit auch, wie man sich der Manipulation entziehen kann, […] in den Grenzen des Akademischen gehalten [werden]. (Agnoli 1968, S. 12)

      Massenpsychologie: Le Bon

      Um den Ausschluss aus der Demokratie zu legitimieren, wurde der Bevölkerung, den »Massen«, vor allem jede Rationalität und Verantwortungsbereitschaft abgesprochen, weshalb sie unfähig zu einer Führungsposition seien. So werden die Elitenherrschaft und die Notwendigkeit der Führung und Kontrolle der Massen gerechtfertigt. Zugleich konnte man aufzeigen, dass und wie die Massen in aktuellen Zusammenschlüssen tatsächlich emotional aufgeheizt werden können und dadurch manipulierbar sind – etwas, was man ihnen wiederum zum Vorwurf macht. Das geht so weit, dass man sie zum Beispiel für den Faschismus verantwortlich gemacht hat.

      Solcherart Psychologie


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