Hölle auf zwei Rädern. Kerrie Droban

Hölle auf zwei Rädern - Kerrie Droban


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vollendeter Arbeit drehte er sich um und rannte zum Clubhaus, steckte das Messer in die Scheide und schlug mit der bloßen Faust das mattglasige Fenster in der Eingangstür ein. Fast Tank griff durch das Loch und versuchte den Riegel zu entfernen. Von draußen drang immer noch das Geräusch von entweichender Luft aus den Rädern. Ich hetzte die Treppe hoch, zwei Stufen auf einmal und hämmerte an die Tür des Versammlungsraums, bis meine Hände taub waren. Macht auf. Macht auf. Benommen und atemlos spürte ich das Klopfen meines Herzens bis unter die Schädeldecke. Unten rannte Fast Tank wie eine Dampfwalze durch den Raum.

      „Er hat alle Räder aufgeschlitzt“, platzte es aus mir heraus. Hinter der Tür wurde es auf einmal laut und ich hörte Flüche und Waffen, die entsichert wurden. Mit einem Knall flog sie auf. Saint stand mit knallrotem Gesicht da. Er drückte mich zur Seite und raste die Stufen runter. Ich beobachtete alles von oben und war mir nicht klar darüber, dass ich das ins Rollen gebracht hatte, dass sich Fast Tanks Schicksal wegen mir verdunkelte. Ich hatte nicht an die Konsequenzen gedacht. Brutalität mit einer klaren Absicht machte Sinn! Der Club wurde nach strengen Gesetzen und Regeln geleitet und es gab keine Ausnahmen. Fehler passierten nicht. Fast Tanks Verhalten provozierte eine Reaktion. Der Pagan musste nicht unbedingt sterben, doch es war wichtig, dass er seine Würde verlor, was schlimmer als der Tod ist.

      Tank stand neben Terrible, die Hände in die Hüften gestemmt, ein breites Grinsen im Gesicht. Saint packte ihn am Kragen und brüllte: „Motherfucker.“

      „Ich hab’s gemacht und hatte meinen Spaß.“ Worte, die einen anderen zum Killer werden lassen!

      Saint lockerte seinen Griff, packte Fast Tank am Pferdeschwanz und schleifte ihn in den Keller. Ich hastete hinterher, angetrieben von der Aussicht auf Action, hockte mich auf den Treppenabsatz, traute mich aber nicht, den beiden nach unten zu folgen. Instinktiv wusste ich, dass es besser gewesen wäre, abzuhauen, doch es war zu spät – ich konnte jetzt nicht mehr weg. Die Zeit strich zähflüssig vorüber. Brutalität im Clubhaus berührte mich nicht so sehr wie zu Hause. Ich fühlte mich hier sicherer – als stiller und unbeteiligter Beobachter. Ich erinnerte mich an ein Ereignis, das ich mit vier Jahren erlebt hatte. Damals kauerte ich auch auf einem Treppenabsatz und sah Leichen, die im Wohnzimmer übereinander gestapelt waren – wie rohes Fleisch. Ich verstand nicht, was dort vor sich ging, aber ein merkwürdiges Gefühl, das von meinem Rücken in den Kopf zog, zwang mich zum Wegrennen. Doch ich blieb sitzen – wie zu Stein erstarrt.

      In dem dunklen Gewölbe schubste Saint Fast Tank in eine Ecke und prügelte mit seinen Fäusten auf ihn ein. Andere Biker eilten hinzu und bearbeiteten Tank mit Holzknüppeln, traten auf seinen Schädel und die Brust. Ich hörte das Geräusch brechender Knochen. Blut spritzte über den rauen Betonboden. Saint kettete Tanks Hände an den Heizkörper. Nach einiger Zeit konnte ich nur noch Lumpen erkennen, dann gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und die schnellen Bewegungen. Ich hörte das Anfeuern der Meute und den dumpfen Klang von Fäusten, die auf ein Stück Fleisch einschlugen. Jeder kam an die Reihe und verpasste Fast Tank einen Hieb auf den Kopf.

      Stiefeltritte sorgten dafür, dass die Luft aus den Lungen des Pagan gepresst wurde. Sein Stöhnen ähnelte dem Muhen einer Kuh und hallte in meinem Kopf wider. Er lag jetzt auf dem Boden, ein Knie in die Kehle gepresst, die so aussah wie ein flaches Bündel Dollarscheine. Der Pagan musste sich übergeben. Bikes zu zerstören war ein noch schlimmeres Verbrechen, als einen geliebten Menschen umzubringen, der nichts getan hatte. Fast Tank war so gut wie tot.

      Die ganze Nacht über und bis in die frühen Morgenstunden ging das so weiter. Helle Sonnenstrahlen drangen oben durch die Vorhänge. Ich regte mich, die Beine taub von der Inaktivität. Wie lange noch? Als Tank nur noch einer riesigen Blutlache glich, befahl Saint, ihn mit einem Schlauch abzuspritzen. Der Pagan glich einem rohen und zerfetzten Fleischkadaver. Er wurde neben den Heizkörper geworfen, sein Gesicht war nicht mehr zu erkennen, die Nase gebrochen und die Augen waren von den Schwellungen zu kleinen Schlitzen reduziert. Die anderen machten eine Pause, spielten Billard, warfen einige Kugeln auf der Bowlingbahn, diskutierten die sich ihnen bietenden Möglichkeiten und das Problem, die Kohle für den entstandenen Schaden aufzubringen.

      Ich hielt mich im Hintergrund, unsicher, was das Reglement von mir erwartete, da es schließlich die erste Bestrafung war, bei der ich zugesehen hatte. Sollte ich hier bleiben oder abhauen oder vielleicht oben neben der Jukebox in den Schlaf fallen? War Saint wütend, weil ich das Ganze beobachtet hatte? In meinem Kopf rechtfertigte ich das Geschehene – die Aktion gegen Fast Tank war nicht kriminell gewesen, sondern notwendig. Pagans begingen keine Straftaten, sie führten nur eine Bestrafung durch. Fast Tank musste für die Reifen bezahlen, die er zerstört hatte. Gerechtfertigte Brutalität war in Ordnung, sogar unvermeidlich.

      Diese Rechtfertigung half mir, die Ereignisse der Nacht zu verarbeiten. Fast Tank hatte stundenlange Folter ertragen, doch das Resultat verwirrte sogar die Pagans – er weigerte sich einfach zu sterben. Mir war nicht klar, ob die Gangmitglieder wirklich seinen Tod wollten. Sie mussten ihm eine Lektion verpassen, und eine läppische Diskussion schien da nicht mehr angemessen zu sein. Offensichtlich gab es hier kein großes Finale, niemand, der auf immer und ewig im Keller vermoderte, keine eindeutige Vergeltung, sondern nur Schadensbegrenzung und Aufräumarbeiten. Das Blut sickerte durch Fast Tanks Klamotten. Nass und mit geronnenem Blut bedeckt, klebten sie an ihm und ähnelten einer zweiten Haut. Schließlich riss Saint ihm die Hose vom Leib. Der fette Pagan lag in der Ecke wie ein aufgedunsener, überdimensional verformter Buddha. Kurze Zeit später warf Saint eine Wolldecke über die Schultern seines Freundes. In dem Augenblick wurde mir klar, dass Saint kein Psychopath war – er verspürte Mitleid mit Tieren.

      Ich stand da, die Hände praktisch mit dem Geländer verwachsen, nicht in der Lage den Ort zu verlassen, festgehalten von der Dunkelheit, der realen Brutalität, die zu einem Teil meines Lebens geworden war. Seltsamerweise fühlte ich mich ruhig und friedvoll. Es gab keinen Ausweg, keine Verhandlungen. Das Leben bestand nur aus Aktion und Reaktion.

      Angus tauchte aus dem Dunkel auf, seine Gestalt so einschüchternd wie sein Intellekt. Er arbeitete als Schuldeneintreiber des Clubs und hegte eine enge Freundschaft mit Saint. Vor ihm musste ich keine Angst haben. Ich respektierte ihn. Hier gab es einen Unterschied. Angus kam aus „besseren Verhältnissen“, wusste aber, wer er war – eine Missgeburt, die wie die anderen auch vor der eigenen Hässlichkeit flüchtet. Sie passten sich ihrer Umgebung an, um zu überleben. Er war ein Outlaw und man erwartete von ihm, dass er sich auch so verhält. Innerhalb weniger Minuten hatte Angus Fast Tanks Zähne ausgeschlagen.

      „Das durftest du nicht!“, heulte Tank. Er reckte sich vor und spuckte blutige, würfelähnliche Zahnsplitter aus dem Mund. Ich hielt die Luft an. Der Verlust von Zähnen – mehr als der jedes anderen Körperteils – symbolisierte Machtlosigkeit, ein Inneres, das langsam verfaulte, egal wie stark ein Biker auch äußerlich erschien.

      Ich fuhr mit der Zunge über meine Zähne, die noch gesund und weiß waren. Mein Magen knurrte. Fast Tank hatte schon seit Stunden keine Nahrung mehr bekommen. Angus warf Tank einen alten, gepuderten Donut mit Marmeladenfüllung zu. Bei offenen Wunden brannte Zucker wie Batteriesäure.

      „Gorilla hat sich seinen Bock geschnappt“, meinte Saint nüchtern. Seine Hände waren überzogen von blutigen Schürfwunden. Sein lockiges Haar klebte verschwitzt am Kopf und er musste sich vor Erschöpfung an der Wand abstützen. Angus nickte, offensichtlich unberührt von der Tatsache, dass er vor wenigen Minuten Tank die Zähne ausgeschlagen hatte, und schaltete die Kellerbeleuchtung ein. Die grellen Leuchtstoffröhren erhellten eine Szene des Grauens – Blutlachen, dunkle Schleifspuren, ein in sich zusammen gesunkener Körper, an einem Heizkörper festgezurrt, und die beiden Angreifer mit trüben Blick.

      „Sollen wir es einfach nehmen?“ Angus putzte sich das Blut an der Weste ab, das wie eine Medaille der Brutalität aussah. Saint zuckte mit den Schultern. Es stellte eine einfache Lösung für das Problem der Rückzahlung dar. Warum sie nicht schon vor Stunden daran gedacht hatten, war jetzt auch egal. Fast Tank musste seine Lektion lernen. Jetzt würden sie ihm sein Bike nehmen.

      „Ja, für den Anfang reicht das. Wir werden es verkloppen und mit der Kohle zehn Paar neue Reifen kaufen.“ Fast Tank stöhnte protestierend. Der Verlust des Bikes gehörte zu den schlimmsten Erniedrigungen,


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