Missing you, Baby!. Nicole Stranzl

Missing you, Baby! - Nicole Stranzl


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Als sie dann auch noch herausfand, was Tom getan hatte …

      Sie wollte ihn eigentlich damit konfrontieren, aber dann setzte die Morgenübelkeit ein und ihre Brüste spannten und der Schwangerschaftstest war positiv. Und auf einmal wandte sich alles zum Guten. Tom hatte sich so über die Nachricht gefreut. Als Waisenkind, das im Heim groß geworden war, träumte er schon immer davon, eine eigene Familie zu gründen. Das wusste Laura. Sie hatte gedacht, mit einem Baby könnte alles wieder gut werden. Das Strahlen in Toms Augen als er den gelben Strampelanzug in die Höhe hielt, hatte Laura ewig nicht mehr an ihm gesehen.

      »Die Farbe ist neutral. Das kann sowohl ein Bub, als auch ein Mädchen tragen«, hatte Tom gesagt.

      »Ich glaube, du bist der einzige Mann, der freiwillig Babysachen kauft.« Sie hatte gelacht. Zum ersten Mal seit Langem hatte sie sich richtig befreit gefühlt. Toms Verhalten ihr gegenüber hatte sich drastisch verändert seit der Schwangerschaft. Zum Positiven. Als habe man einen Schalter umgelegt. Böse Zungen hätten wohl behauptet, er habe sich vom bösartigen Mr. Hyde zurück in den gutmütigen Dr. Jeckyll verwandelt.

      »Was ist daran falsch?« Tom hatte sein typisches Grinsen aufgesetzt, seine Hand auf ihren Bauch gelegt und ihr einen Kuss auf die Schläfe gedrückt.

      »Es dauert doch noch so lange. Weißt du, dass es angeblich Unglück bringt, so früh einzukaufen? Es kann noch so viel passieren.« Sie dachte an ihre Fehlgeburt. So viele Schwangerschaften wurden frühzeitig abgebrochen. Mehr als man erwartete. Nachdem sie ihr erstes Baby verloren hatte, waren einige Bekannte mit ihren Geschichten rausgerückt. Ein verlorenes Ungeborenes war ein Thema, über das in der Öffentlichkeit normalerweise nicht gesprochen wurde. Bis man selbst zum Club der Sternenkinder gehörte und all die Horrorgeschichten erzählt bekam. Eine glückliche, normale Schwangerschaft war bei Weitem keine Selbstverständlichkeit.

      »Die kritischen drei Monate sind vorbei, mein Schatz! Denk nicht immer so negativ. Es wird alles gut werden. Warum auch nicht? Wir sind jung und gesund.« Toms Optimismus hatte sie angesteckt. Alles hätte gut werden können. Vielleicht hatte Tom mit seinen Worten aber auch das Schicksal herausgefordert. Vielleicht war es ihnen einfach nicht vergönnt, Eltern zu werden. Was, wenn Mia es tatsächlich nicht schaffte? Laura hatte sich schon so darauf gefreut, Mama zu werden. Wenn ihr Baby nun wieder nicht lebte … Noch einmal war sie nicht stark genug für diese Prozedur. Und ihre Ehe wäre es auch nicht.

      »Ich weiß nicht, ob Sie fit genug sind, Ihre Tochter zu sehen. Es ist ein recht weiter Weg.« Kritisch betrachtete die Ärztin Laura und holte diese aus ihrer Gedankenwelt zurück in die Gegenwart.

      »Das ist mir egal!« Eigentlich hatte Laura nicht so unfreundlich sein wollen, aber … verdammt! Ihre ganze Welt stand Kopf. Gestern noch hatte sie sich Sorgen um die Kinderzimmereinrichtung gemacht und mit Tom darüber diskutiert, welchen Film sie im Abendprogramm sehen wollten und heute war alles ein einziger Albtraum.

      »Schatz, du darfst dich nicht aufregen!« Tom drückte ihre Hand. In seinen Augen standen Tränen.

      »Ich soll mich nicht aufregen?!« Laura wurde schlecht und ein grauenhafter Schmerz durchzog ihre Bauchdecke. Gepeinigt schloss sie die Augen und sammelte sich, ehe sie weitersprach: »Mein Baby ist …« Ihre Stimme brach. »Wer weiß, ob unsere Kleine so lange durchhält, bis ich es hier rausschaffe! Und dann hab‘ ich sie nie gesehen! Sie nie gehalten!« Unbewusst strichen Lauras Finger über ihren Bauch. Ihren schmerzenden, leeren Bauch. Ihr Baby war ihr entrissen worden. Einfach so. Keine Tritte mehr. Kein Strampeln. Nein. Mia war brutal in die Welt geholt worden. Eine Welt, für die sie noch nicht bereit war. Genauso wenig wie Laura bereit für all das war.

      Tom starrte auf die Wand hinter Laura, während er ihre Hand beinahe zerquetschte.

      »Sie können Ihre Tochter jetzt ohnehin noch nicht halten. Sie muss im Inkubator bleiben und ihre Haut ist sehr empfindlich«, sagte die Ärztin mit einem bedauernden Unterton. »Frühchen in diesem Stadion können nur großflächige Berührungen aushalten, Sie dürfen Ihre Tochter also nicht mal sanft streicheln.«

      Laura entging der finstere Blick nicht, den Tom der Medizinerin zuwarf. »Sind Sie immer so empathisch in Ihrem Job?« Laura hätte es nicht für möglich gehalten, aber Toms Griff verstärkte sich und ihre Hand wurde bereits weiß.

      »Es tut mir leid …«, setzte die Ärztin zu einer Entschuldigung an, als Laura sie leise unterbrach: »Wird sie es überhaupt schaffen? Ich meine … hat sie realistische Chancen?«

      Der Blick der Ärztin wechselte zwischen Laura und Tom hin und her. »Ich will ehrlich sein: Es sieht nicht gut aus.«

      Laura erstarrte. Tom ließ ihre Hand los. Es war wie ein Zeichen. Ohne Mia würde ihre Ehe in die Brüche gehen. Der Gedanke war unerträglich. Verlor Laura ihr Baby, verlor sie alles.

      Ein Piepen ertönte. »Tut mir leid, ich muss weiter!« Die Ärztin schaltete das nervende Geräusch ihres Pagers ab und machte sich auf den Weg zu einem anderen Patienten.

      »Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen dabei, zu Ihrem Baby zu kommen!«, meldete sich die junge Krankenschwester zu Wort, deren Anwesenheit Laura beinahe schon vergessen hatte. Sie war so jung. Lange konnte sie diesen Job noch nicht ausüben. Trotzdem war sie bei Weitem mitfühlender und sympathischer als die Ärztin. Tränen glitzerten in ihren Augen, die sie jedoch hinter einem Lächeln zu verbergen versuchte.

      »Ist Laura denn schon stark genug?« Tom stand auf. »Die Ärztin hat doch gerade gesagt …?!«

      »Tom?« Zum ersten Mal, seit sie aufgewacht war, schaffte Laura es, bestimmt zu klingen.

      »Ja, mein Schatz?«

      Sie konnte in seinem Gesicht sehen, dass er seinen Ärger nur mühsam unterdrückte und dass er es rein ihr zuliebe tat. Deswegen war es noch schwerer für sie, die nächsten Worte auszusprechen. Sie tat es trotzdem: »Halt den Mund!«

      »Wenn deine Verletzungen dadurch schlimmer werden …«, setzte er an, doch Laura unterbrach ihn: »Ich will mein Baby sehen! Jetzt!«

      Die Schwester nickte. »Ich helfe Ihnen in den Rollstuhl!«

      »Ich halte das für keine gute Idee. Was, wenn die Nähte aufreißen?« Tom redete mehr mit der Krankenschwester als mit Laura.

      »Herr Weiß, wäre ich Ihre Frau, würde ich mein Baby auch sehen wollen.«

      »Ich werde gehen«, sagte Laura entschlossen. Sie setzte sich auf. Die Gerätschaften piepten. Grauenhafte Kopfschmerzen zogen wie Blitze durch ihre Schläfen.

      »Laura?!«

      Sie wollte etwas erwidern, aber die Pein war zu groß. Dunkelheit hüllte sie ein.

      Als Laura zu sich kam, saß sie in einem Rollstuhl. Auf dem Weg zur Neo-Intensiv-Station. Sie sah die Tür vor sich. Las das Schild. Wie kam sie hierher? Verwirrt sah sie sich um. Tom stand hinter ihr und schob den Rolli. Die Unebenheiten am Boden schüttelten Lauras Körper und verursachten Schmerzen. Schweiß tropfte von ihrer Schläfe, obwohl sie nur saß und ihr nicht heiß war.

      Beinahe bereute Laura ihre Entscheidung herzukommen. Allerdings nur beinahe. Sie würde jetzt bestimmt nicht jammern. Die Worte der Ärztin hallten in ihren Ohren nach. Vielleicht würde Mia es nicht schaffen. Wenn das tatsächlich so war, dann wollte Laura ihre Tochter wenigstens ein einziges Mal gesehen haben.

      Toms Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie standen vor der Tür, warum machte er sie nicht auf? Worauf wartete er? Er sagte irgendetwas, doch sie konnte ihn nicht verstehen. Seine Stimme klang gedämpft, als spräche er durch eine Wand zu ihr.

      Ein Schleier legte sich vor ihre Augen. Schwindel setzte ein und schwarze Punkte tanzten vor ihr. Vernebelten ihre Sicht. Nicht schon wieder! Hatte sie von dem Unfall etwa Kopfverletzungen davongetragen, von denen ihr niemand erzählt hatte? Laura wollte etwas sagen. Sie konnte nicht.

      Tom redete weiter. Seine Lippen bewegten sich, doch sie verstand ihn nicht. Es könnte genauso gut Chinesisch sein, das er von sich gab. Schritte. Getrampel. Eine Person legte ihren Arm frei. Tom schrie irgendjemanden an. Alles wurde schwarz. Und dann war Toms Stimme verstummt.


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