Apokalypse Für Einsteiger. Julian Birkner
Schwarz!«, flüsterte er kaum hörbar … »Es wird etwas Schlimmes passieren …«
Ich spürte einen leichten Anflug von Gänsehaut.
»Woher kennst du eigentlich meinen Namen?«
Der Junge ignorierte meine Frage und sah stattdessen traurig zu Boden. »Es wird bald ganz finster …«
»Ähm, brauchst du eine Taschenlampe.«
Der Junge schüttelte den Kopf.
»Oder Batterien?«
»Nein.«
»Wie haben auch Akkus.«
»Frau Schwarz, du musst die Welt retten!«
Eine Sekunde lang sah ich den Jungen entgeistert an und dann bekam ich so einen Lachflash, dass ich mich am Regal festhalten musste um nicht umzukippen.
»Du bist ja der Hammer, Kleiner!«, lachte ich lautstark auf. »Das hat mir jetzt echt den Tag gerettet. Knaller!« Ich bekam kaum Luft und mein Bauch schmerzte bereits durch den Lachanfall. »Ja wenn ich fertig bin mit der Milch, werde ich noch schnell die Welt retten.«
Verwirrt sah mich der Junge an. »Aber das ist doch gar nicht lustig. Das ist ernst. Du musst mir helfen …«
»Hör mal, kleiner Mann!«, erklärte ich ruhig, als der Lachkrampf endlich nachließ und ich mir die letzten Tränen aus den Augen gewischt hatte. »Ich finde das ja super, das du mit mir Superheld spielen willst, aber ich denke du solltest das mit deinen Eltern spielen … Ich habe auch noch eine Menge zu tun: Milch und Eier auffüllen, das Lager aufräumen und meine Kasse abrechnen. Die Welt retten steht da nicht auf meiner Liste.«
Ich spürte wie sich Panik in ihm breit machte. Offenbar nahm er das alles viel zu ernst. »Aber … aber … BITTE … Du MUSST mir helfen. Sonst …« Er packte mich am Arm und rüttelte daran so heftig, dass ich das Gleichgewicht verlor und unsanft auf meinem Allerwertesten landete. Natürlich voll in der Milch, die ausgelaufen war.
»Jetzt ist aber genug!«, rief ich unwirsch. Mein Kittel war klatschnass. »Ich werde weder heute noch morgen die Welt retten. Für so ein blödes Spiel bin ich die Falsche. Also geh zurück zu deinen Eltern und fall denen auf die Nerven!«
Update: Mit Kindern kann ich doch nicht gut …
Geschockt durch meine laute Ansage, blickte mich der Junge aus seinen großen, grünen Augen an und als sie sich mit Tränen füllten, tat es mir leid so hart gewesen zu sein. Sein Blick war so verzweifelt, dass es mir bis unter die Haut ging.
Ich bin sogar richtig scheiße darin.
»Aber du bist doch die Einzige, die das kann … Und wenn du es nicht willst, dann …« Er schlug die Hände vors Gesicht und rannte davon. Für eine Sekunde überlegte ich ihm hinterherzugehen. Als mich dann noch eine Kundin vorwurfsvoll und verächtlich ansah und den Kopf schüttelte, fühlte ich mich vollkommen schlecht.
Einen kleinen Jungen zum Weinen gebracht? Check
Sich fühlen wie der unsensibelste Mensch auf Erden? Check
Gleich den Feierabend genießen können? Error
Missmutig begann ich die Milch aufzuwischen und während ich Susanne um die Ecke biegen sah, die triumphierend die Telefonnummer von dem Margarine-Traumtypen in die Höhe reckte, fragte ich mich wie viel schlimmer der Tag noch werden konnte …
Kapitel 4
»Ah …! Das ist genau das, was ich jetzt brauche!« Zufrieden grinste Lina mich an.
»Was?«, entgegnete ich schnippisch. »In einer überfüllten S-Bahn zu stehen mit verschwitzten Menschen, denen jeglicher Sinn für Mode fehlt? Das brauchst du jetzt? Steht auf meiner To-do-Liste nicht sehr weit oben!« Und mit einem abschätzenden und gleichzeitig fasziniertem Seitenblick auf die Dame neben mir, flüsterte ich: »Ich wunder mich immer wieder wieviel Bein in so eine enge Leggins passt …«
Lina knuffte mir in den Arm und schüttelte lachend den Kopf: »Nein du Witzbombe! Ich meine Shopping mit der besten Freundin! Lächle mal, du hast Feierabend?«
»Glaub mir! Nach dem was heute passiert ist hättest du auch schlechte Laune!« Mit Schrecken dachte ich an meinen Arbeitstag zurück. Der Geschmack des Trockenfischs von heute Morgen war immer noch nicht ganz verschwunden und diese Leute in der S-Bahn gaben mir den Rest! Ich beugte mich freundlich lächelnd zu dem jungen Mann neben mir und säuselte: »Entschuldigung! Hätten Sie eventuell ein Deo?«
»Ja klar!« Sofort begann er umständlich in seinem Rucksack zu kramen und fischte ein Deodorant heraus!
»Super«, sagte ich schon weniger freundlich. »Dann benutzen Sie das Ding auch! In Ihrem Rucksack nützt das niemandem!« Anschließend wandte ich mich wieder meiner Freundin zu und überhörte das »Zicke«, das er mir wütend in den Rücken zischte.
Lina packte mich am Arm und zog mich aus der Bahn. »Na wir sind ja heute wieder der Sonnenschein pur! Bewirbst du dich gerade um das Miststück des Monats? Meine Stimme hast du!«
»Er hat gestunken!«, rief ich zu meiner Verteidigung. »Ich habe der Welt einen Gefallen getan.«
»Ich weiß nicht, ob die Welt das auch so sieht.«, seufzte Lina. »Vielleicht brauchst du einfach nur wieder einen Mann an deiner Seite. Du hattest schon ewig keine feste Beziehung mehr …«
»Das hatte ich sehr wohl.«
»Ja? Wen denn?«
»Na zum Beispiel Sven.«
»Du zählst jetzt nicht ernsthaft den Typen dazu, der dich jedes Mal mit: »Hey jo Digga, was geht?« begrüßt hat und dir nach dem Sex immer einen Fist Bump gegeben hat?«
»Er hatte auch seine guten Seiten. Er hat mich zum Essen eingeladen.«
»Einen Döner mitbringen ist nicht zum Essen einladen, Emma.«
»Ach Männer kann man eh alle vergessen …«
»Süße, lass doch endlich die Vergangenheit hinter dir. Suche dir einen süßen Kerl und verliebe dich. Es gibt sie da draußen … Die tollen Männer, die einen auf Händen tragen, in den Schlaf küssen und niedliche Dinge ins Ohr flüstern. Männer, die nur Augen für dich haben und dir das Gefühl geben, du wärst eine Prinzessin …« Lina begann sich mal wieder in einem ihrer Tagträume zu verlieren.
»Wow! Darf ich dir mal eben ins Märchenbuch kotzen?«
»Du bist nur einfach verbittert. Aber dagegen machen wir jetzt etwas. Wir suchen dir einen Kerl!«
»WAS?«
»Gut, was ist mit dem? Der sieht doch ganz nett aus.« Sie deutete unauffällig auf einen jungen Mann rechts von uns.
»Der hat einen Bierbauch …«
»Okay … Hey dieser hier ist niedlich.«
»Der hat ein komisches Gesicht …«
»Hmpf … Aber der da drüben ist nun wirklich süß.«
»Der hat eine komische Hose …«
Lina rollte mit den Augen. »Ach Emma, du bist viel zu sehr aufs Äußere fixiert! Die inneren Werte zählen viel mehr!«
»Du meinst so Sachen wie Cholesterinspiegel?«, grinste ich.
Lina blieb abrupt stehen und hielt mich am Arm fest.
»Was ist los?«
»Sieh dir mal den an! Der ist echt heiß!« Sie zeigte auf einen etwa 25-jährigen jungen Mann in kurzen Jogginghosen, einem lässigen, grauen Shirt, das nur spärlich sein Sixpack bedeckte und dessen lange, blonde Filzzöpfe in sein Gesicht hingen. Innere Werte, alles klar!
Ich blickte ihn abschätzig an! »Auf so etwas stehst du? Die Haare gehen gar nicht!«
Lina