Apokalypse Für Einsteiger. Julian Birkner
Gott, TOM!
Mit einem Satz war ich aus dem Bett gesprungen. Ich würde ihn ja heute sehen. Er wollte heute in den Markt kommen und mich besuchen und wie würde er mich antreffen? Mit Augenringen, die ein bereits ein Eigenleben führten, einem Kittel, der jeglicher aufblühender Leidenschaft sofort ins Gesicht spuckte und mit einer Frisur, die Pumuckl neidisch machen würde.
Ich glaube so schnell wie an diesem Tag war ich noch im Badezimmer. Ich versuchte an der Fassade in meinem Gesicht noch so viel zu renovieren wie möglich war und legte ein Makeup auf, das sich gewaschen hatte. Ich wollte, dass er sah was er verloren hatte. Für einen kurzen Moment überlegte ich sogar meine neuen High-Heels anzuziehen. Die sahen einfach mal so scharf aus und ich wusste genau, dass er darauf abfahren würde. Nachdem ich mir dann aber vorstellte, wie ich in den Dingern schwere Kartons durch die Gegend tragen würde und wie viel schwerer meine ohnehin schon schwere Arbeit dadurch noch werden würde, entschied ich mich in weiser Voraussicht dagegen.
In der Straßenbahn trat ich nervös von einem Fuß auf dem anderen und malte mir aus wie unser Treffen verlaufen würde …
Er würde den Markt betreten mit einem großen Strauß Blumen in der Hand. Er würde mich sehen, von meiner Schönheit geblendet auf die Knie sinken und in Tränen ausbrechen und mich um Verzeihung anflehen und mir sagen, was für ein Idiot er doch war, so eine bezaubernde Göttin wie mich gehen zu lassen. Dann würde er mich packen und leidenschaftlich küssen, während meine lange Haare im Wind der Klimaanlage flatterten und gleich darauf würde er mir noch im Markt einen Heiratsantrag machen und 9 Monate später würden wir mit unseren neugeborenen Zwillingen auf einem Traumschiff in die Karibik segeln …
Oder er wollte einfach seine Comic-Sammlung zurück, die er nie abgeholt hatte und die bei mir auf dem Dachboden verschimmelte?
Oder ich war einfach eine verfluchte Idiotin, weil ich mir schon wieder Hoffnungen machte …
Die Zeit auf Arbeit wollte an diesem Tag zuerst überhaupt nicht vergehen. Alle paar Minuten sah ich zur Eingangstür und hoffte ihn irgendwo zu erspähen. So gut es ging, versuchte ich mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Da wir wieder gnadenlos zu wenig Personal waren, ging das dann aber einfacher als befürchtet. Ich befüllte Regale, bestellte Ware, stritt mich mit Lieferanten und deren Lkw-Fahrern und ertrug geduldig die schlechte Laune von Kunden und Kollegen, bis mir jemand auf die Schulter tippte. Hoffnungsvoll drehte ich mich um. Tom? Mit Blumenstrauß?
Nein. Kein Tom. Kein Blumenstrauß. Bloß eine kleine pummelige Kundin, die grimmig drein blickte.
Die korpulente kleine Dame kam direkt zur Sache: »Ich brauche ihre Beratung! Jetzt!« Auf der Höflichkeitsskala erreichten wir wohl gerade wieder einen neuen Rekord! Ich seufzte innerlich und trottete der Kundin hinterher. Der Kaffee wartete seit 10 Minuten im Pausenraum auf mich für die längst fällige Pause, die Toilettenschüssel hatte ebenfalls um einen Termin mit mir gebeten, wie mir meine Blase mit Nachdruck zu verstehen gab, und meine Nerven lagen wegen dem bevorstehenden Treffen mit Tom auch ziemlich blank, aber HEY ich hatte total Lust auf eine ausführliche Beratung!
Die Kundin deutete auf die Abnehmpulver und Diätmittelchen und fragte: »Welches davon ist das Beste?«
Oh ja... Super.... Das klingt nach richtigem Spaß!
Ich erklärte ihr die unterschiedlichen Produkte, die Wirkungsweisen und die Preisunterschiede... Nach nicht enden wollenden 3 Minuten, indem sie skeptisch die Produkte betrachtete und meine Blase mich wieder daran erinnerte, dass es da auch noch andere Geschäfte gab, die meiner Aufmerksamkeit bedurften, musterte mich die Kundin und fragte: »Welches nehmen Sie?«
Einen Moment lang war ich irritiert...
»Ich ähm nehme solche Produkte nicht!«
Die Gute bewegt sich grad auf sehr dünnem Eis!
Enttäuscht sah sie mich an. »Ach... echt nicht?«
Sag mal, wie kommt die darauf, dass ich sowas nehme? Gut der Kittel trägt vielleicht ein wenig auf. Aber ich bin ja wohl schlank wie ein Model...Mit etwas dickeren Beinen vielleicht …
»Ach so... Ich hatte extra Sie angesprochen! Ihre Kollegen sind alle so schlank!«
Da steuert gerade jemand frontal auf ein lebenslanges Hausverbot zu!!!
»Haben Sie vielleicht noch andere dicke Kollegen, die damit Erfahrung haben?«
Ich brauchte paar Sekunden um das wirken zu lassen...
Noch ANDERE DICKE KOLLEGEN???? Sag mal willst du eine Beratung oder einen Freiflug zum Mond? Die Lady hat doch nicht mehr alle Löcher im Käse! Wie unverschämt kann man denn sein?
Ein Kollege, Herr Jens, der vorbeilief grinste mich unverschämt an. »Du hast heute richtig Spaß an der Arbeit, was? Hast du nicht schon seit einer Viertelstunde Pause?« Offenbar genoss er es mich in so einer Lage zu sehen.
... Du Junge ... In dem Shuttle zum Mond ist auch Platz für zwei!
Ich versuchte mich zu beruhigen und nicht wie geplant gleich auszurasten.
Doch in frechem Ton setzte die Kundin dann hinzu: »Hören Sie, ist es zu viel verlangt hier eine vernünftige Beratung zu bekommen? Gerade eine Person wie Sie sollte doch das Bedürfnis und die Wichtigkeit abzunehmen kennen!«
Das war es. Der letzte Tropfen … Ich sah rot und konnte meine ganze angestaute Wut nicht mehr unterdrücken!
»Was glauben Sie zu überdimensionales Marshmellow eigentlich, wer Sie sind? Ich bin NICHT DICK! Ich habe nur starke Beine! Und wenn Sie unbedingt abnehmen wollen, dann treiben Sie gefälligst Sport wie jeder andere normale Mensch auch und fangen Sie an, Ihre Ernährung umzustellen. Faul auf der Couch liegen, sich mit Chips vollstopfen und dann eine Diätpille einzuwerfen wird nichts an ihrem Gewicht ändern!«
Das linke Auge der Kundin begann nervös zu zucken. Ihre Lippen pressten sich aufeinander und ich befürchtete, dass sie nun ihren Kiefer ausrenken und mich im Ganzen verschlingen würde. »Das … Das ist eine Unverschämtheit! Ich werde mich über Sie beschweren. Nicht zu fassen wie hier Kunden behandelt werden!«
Mir war das alles egal. Ich wollte nur noch in die Pause, aufs Klo, einen Kaffee trinken und meine Ruhe. Ich wollte gerade die Tür zum Pausenraum öffnen, als die Stimme meiner Chefin durch den Lautsprecher hallte: »Frau Schwarz bitte umgehend ins Büro …!«
Den Kaffee konnte ich wohl vergessen …
Kapitel 8
»Nun das war ja mal eine Glanzleistung, nicht wahr?« Spöttisch musterte mich meine Chefin Frau Nilsson und rückte nervös ihre strenge, schwarze Brille zurecht. Ihre dunkelrote Bobfrisur flatterte hin und her, weil sie ihren Kopf meist ruckartig bewegte. Ich fand das schon immer gruselig, aber es war wohl nicht der richtige Zeitpunkt ihr das mitzuteilen.
»Die wievielte Beschwerde war das jetzt?« Sie begann in ihren Unterlagen zu wühlen und ich fragte mich, ob sie in dem Chaos überhaupt den Durchblick hatte.
»Also in dieser Woche war es die Erste!«, sagte ich ruhig und musste ein Grinsen unterdrücken.
Gut, es ist ja auch erst Dienstag!
»Und in diesem Monat war es, glaube ich, die Siebte!«
Für einen Moment stoppte meine Chefin das Wühlen und warf mir einen Blick zu, mit dem man sogar Freddy Krüger hätte verjagen können.
»Ich meine ja nur … Im Vormonat waren es 12. Also statistisch gesehen habe ich mich sogar verbessert. Ich denke, da wäre ein Lob angebracht!«
Okay, das war jetzt vielleicht etwas drüber.
»Frau Schwarz!« Der Ton meiner Chefin wurde nun schärfer. »Unsere Mitarbeiter bestechen durch Freundlichkeit, Höflichkeit und stets gute Laune!
Nun das sollten Sie mal Ihrem