Raumkrieger im Wurmloch: 6 Science Fiction Abenteuer auf 1660 Seiten. Mara Laue
wollte die Gelegenheit nutzen, um ungestört mit seinem Stellvertreter reden zu können.
Sie machten sich etwa eine Standardstunde nach Aufgang des Mitternachtsmondes zu einer der Anhöhen in der Umgebung auf und lösten dort die Gardisten Antoku Seiwa und Sam Uitveeren ab.
Die Nacht war durch das Licht der beiden bisher aufgegangenen Monde recht hell. Allerdings würde der Abendmond in etwa einer Stunde hinter dem Horizont verschwinden. Die drei Monde Eldorados waren niemals alle zur gleichen Zeit am Himmel zu sehen.
Die beiden Männer beobachteten aufmerksam die Umgebung.
"Wenn dieses Wrack wirklich ein Ablenkungsmanöver unserer Gegner ist, dann wäre die Nacht eigentlich der ideale Zeitpunkt für einen Angriff", meinte Kurt. "Wir haben kaum technisches Gerät dabei, und ich denke, dass Karalaitis' ahnt, wie wir ausgerüstet sind."
Die Gardisten hatten nicht einmal Nachtsichtgeräte dabei. Karalaitis' Truppe hingegen konnte ihre technische Ausrüstung gefahrlos einsetzen. Zwar dämpften die einfachen Kampfanzüge der Gardisten Bio-Impulse und Infrarotabstrahlung, so dass für die Gegenseite der Einsatz jeglicher Ortungstechnik erschwert wurde. Aber unter dem Strich blieb für Karalaitis' Truppe in dieser Hinsicht ein immenser Vorteil.
Vorausgesetzt, sie wussten ungefähr, wo sie Kurt Farmoons Leute antreffen konnten.
Und genau das erschien Kurt wenig wahrscheinlich.
Aber da war noch ein anderer Punkt, der ihn nicht zur Ruhe kommen ließ.
Wladimir wusste gleich, worauf der frischgebackene Fähnrich hinauswollte.
"Du meinst, wenn alles mit rechten Dingen zuginge, hätten Karalaitis' Leute schon angegriffen!"
"Ja. Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl bei dieser Mission. Die Rauchsäule am Horizont, der abgestürzte Gleiter... Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas mit dem Vorposten nicht stimmt."
"Es gibt keine konkreten Beweise dafür, Kurt."
"Ich weiß."
"Und du kennst Karalaitis! Wer weiß, was der alte Fuchs sich für uns ausgedacht hat!"
"Das sage ich mir auch immer wieder—und verdammt nochmal, ich hoffe, dass du recht hast. Aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass da was nicht stimmt."
Wladimir zuckte die Achseln.
"Eldorado ist ein Paradies. Sowohl für die Besiedlung als auch für den Abbau von Rohstoffen wie geschaffen."
"Mehr als das, Wlad! Im Datenmaterial steht etwas von Tirifotium-Vorkommen. Jedes raumfahrende Sternenreich der Galaxis, dessen Triebwerkstechnologie auf den Hinterlassenschaften der Alienwandler beruht, wird sich dieses Kleinod unter den Nagel reißen wollen, sobald diese Erkenntnis sich verbreitet."
Wladimir schwieg eine Weile.
Ein erfrischender Wind strich über die grasbewachsenen Ebenen.
In der Ferne bemerkte Kurt Farmoon einige nur als dunkle Umrisse sichtbare Gebilde, die aus der Schattenzone einer Anhöhe herausstrebten.
Die vereinzelten Bäume in der Umgebung ermöglichten eine recht zuverlässige Vergleichsschätzung der Größe. Danach waren Objekte etwa zwanzig Meter lang und drei Meter hoch.
"Was ist das?", fragte Wladimir.
"Nichts wovor wir uns fürchten müssen", meinte Kurt. Die Objekte bewegten sich recht schnell. Sie erreichten nun eine Zone, die vom Licht des Mitternachtsmondes beschienen wurde.
"Eldorado-Riesenschnecken!", entfuhr es Wladimir. "Ich habe über diese Biester im Datenmaterial einiges gelesen."
"Eine ziemlich große Herde", stellte Kurt Farmoon fest.
Die Tiere glichen gewaltigen Nacktschnecken und ernährten sich vorwiegend von Gras. Die Kolosse waren absolut friedlich, was damit zusammenhing, dass sie selbst über sehr wirksame Abwehrwaffen verfügten. Ihr Körper war mit einem stark ätzenden Schleimfilm umgeben, der auch die größten auf Eldorado beheimateten Raubtiere davon abhielt, sie anzugreifen.
Sie besaßen keinerlei natürliche Feinde.
Der einzige Faktor, der ihre Zahl in Grenzen hielt war offenbar ihre sehr komplizierte und langwierige Vermehrung. Ihre Spezies besaß insgesamt fünf Geschlechter und der Fötus musste im Lauf seiner Entwicklung jeweils von einem Geschlecht zum anderen weitergegeben werden. Die Gesamttragezeit hatte noch niemand erforscht. Die Wissenschaftler der Boulanger-Crew hatte sie auf mehrere Eldorado-Jahre geschätzt.
"Diese Herde hat denselben Weg wie wir", stellte Kurt fest. Er atmete schwer und wandte sich an Wladimir. "Wir müssen darauf gefasst sein, dass dies vielleicht keine Übung mehr ist, Wlad."
*
Noch vor Aufgang des Morgenmondes brachen die Gardisten auf und setzten ihren Marsch fort. Die Paralysatoren hielten sie ständig im Anschlag. Sie mussten jederzeit auf einen Angriff von Karalaitis' Gruppe vorbereitet sein.
Kurt Farmoon zerbrach sich den Kopf darüber, welchen Plan der Master Sergeant wohl verfolgte.
Vielleicht war es Teil seiner Kriegslist, die "Angreifer" zunächst näher an den Vorposten herankommen zu lassen. Zeitpunkt und Ort eines Gefechtes bestimmen zu können, bedeutete einen unschätzbaren Vorteil, der mitunter für den Ausgang von entscheidender Bedeutung sein konnte. Jeder Gardist lernte das schon zu Beginn der Taktik-Schulung.
Kurt wünschte sich im Augenblick nichts mehr als einen Angriff der Gegenseite. Denn das hätte bedeutet, dass sie sich tatsächlich noch immer im Rahmen einer Übung befanden und nicht in einem scharfen Einsatz.
Das Morgengrauen bot ein einzigartiges Lichtspiel der Farben. Die Sonne ging blutrot am Horizont auf, gleichzeitig sank der Morgenmond diesem entgegen. Ein eigenartiges Zwielicht entstand.
Die Gardisten hatten zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Kilometer hinter sich gebracht. Die Marschgeschwindigkeit war recht hoch. Der hohe Sauerstoffgehalt der Eldorado-Atmosphäre trug dazu sicher bei. Außerdem war den Männern klar, dass Zeit einen der entscheidenden Faktoren in diesem Manöver darstellte. Sie mussten sich so schnell es ging dem Vorposten nähern.
Jede zusätzlich verstreichende Stunde erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass sie entdeckt wurden.
Das Gebiet, in das Kurts Zug jetzt gelangte, war nur noch vereinzelt mit kleinen Waldstücken bewachsen. Das Land wurde immer offener und übersichtlicher. Deckung boten Hügel und vereinzelte Baumgruppen. Von den Kronen der Bäume hingen die verlassenen Kokons der Riesenfalter herab, wurden vom Wind hin und her bewegt und verursachten dabei ein charakteristisches Rascheln.
Von den ausgeschlüpften Faltern war nichts zu sehen. Sie waren längst davongeflogen.
Kurt ließ den Zug in einer breit auseinandergezogenen Formation marschieren. Immer fünf oder sechs Mann bildeten eine Gruppe. Sämtliche Gruppen hielten Blickkontakt.
Schließlich trafen sie auf breite Schneiden im hohen Gras. Ein scharfer Geruch hing in der Luft.
"Das müssen die Spuren der Riesenschnecken sein, die wir gestern Nacht gesehen haben", meinte Kurt an Wladimir gewandt.
Tom Black Feather befand sich in ihrer Nähe.
"Die Pflanzen wurden durch den Schleimfilm weggeätzt", meinte er, ehe Wladimir etwas hatte sagen können. Der Indianer beugte sich kurz nieder, nahm etwas Erde mit den Fingern und roch daran. Dann erhob er sich wieder. "Wir sollten es vermeiden, direkt in den Spuren zu laufen", meinte der Blackfoot-Indianer.
"Wieso, glaubst du, dass unsere Stiefel von dem Schneckenschleim zersetzt werden?", fragte Kurt.
Tom schüttelte den Kopf. "Nein, keine Gefahr. Die Säure zersetzt sich offenbar schnell und geht Verbindungen mit den Mineralien des Bodens ein. Aber dabei scheinen