Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht. Marco Gehrig
Ausblick, FER-RK 34).
Die Regelungen der einzelnen Fachempfehlungen gehen dem Rahmenkonzept vor (FER-RK 1). Entsprechend den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen der Anwender sind für börsenkotierte Gesellschaften im Swiss Reporting Standard und grössere private Aktiengesellschaften von «wirtschaftlicher Bedeutung» einerseits und für kleinere Unternehmungen andererseits differenzierte Normen vorgesehen.
Eine Organisation, die Swiss GAAP FER anwendet, hat – vorbehaltlich zukünftiger gesetzlicher und regulatorischer Bestimmungen – nach FER-RK 4 zwei Möglichkeiten:
• Einhaltung der Kern-Standards, der sog. Kern-FER,
• Einhaltung des gesamten Regelwerkes der Swiss GAAP FER (Kern-FER und alle weiteren FER, in der Praxis Best-Practice-FER genannt).
Falls zwei der nachstehenden Kriterien in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht überschritten werden, zählt man als kleine Organisation und kann sich auf die Anwendung der Kern-FER beschränken (FER 1/2):
• Bilanzsumme von CHF 10 Mio.,
• Jahresumsatz von CHF 20 Mio.,
• 50 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.
Es ist anzugeben, ob nur die Kern-Standards eingehalten werden oder das gesamte Regelwerk der Swiss GAAP FER. Unter Swiss GAAP FER sind alle in der gewählten Stufe verlangten Informationen offenzulegen. Nicht FER konforme Prinzipien der Rechnungslegung können nicht durch entsprechende Offenlegung gerechtfertigt werden (FER-RK 4). Es ist demnach nicht möglich, dass eine Unternehmung in einem Abschluss nach Swiss GAAP FER einzelne, ihr nicht genehme Regeln nicht beachtet (Verbot des «Rosinenpickens»).121 Das Konzept von Swiss GAAP FER ist wie folgt aufgebaut.
Konzept der Swiss GAAP FER
Rahmenkonzept für kleine und mittelgrosse Organisationen KERN-FER (für kleinere und mittelgrosse Organisationen)
Rahmenkonzept
FER 1: Grundlagen
FER 2: Bewertung
FER 3: Darstellung und Gliederung
FER 4: Geldflussrechnung
FER 5: Ausserbilanzgeschäfte
FER 6: Anhang
Weitere FER (für grössere Unternehmen)
FER 10: immaterielle Werte
FER 11: Ertragssteuern
FER 13: Leasinggeschäfte
FER 15: Transaktionen mit nahestehenden Personen
FER 16: Vorsorgeverpflichtung
FER 17: Vorräte
FER 18: Sachanlagen
FER 20: Wertbeeinträchtigung
FER 22: langfristige Aufträge
FER 23: Rückstellungen
FER 24: Eigenkapital und Transkationen mit Aktionären
FER 27: Derivative Finanzinstrumente Konzernrechnung (für kleine und grössere Unternehmen)
FER 30: Konzernrechnung
Kotierte Unternehmen
FER 31: ergänzende Fachempfehlungen für kotierte Unternehmen
Branchenspezifische Swiss GAAP FER
FER 14: Konzernrechnung von Versicherungsunternehmen
FER 21: Rechnungslegung für Nonprofit-Organisationen
FER 26: Rechnungslegung von Vorsorgeeinrichtungen
FER 41: Rechnungslegung von Gebäudeversicherer und Krankenversicherer
Swiss GAAP FER sind – gleich wie die IFRS – ein Musterbeispiel für so genanntes Soft Law, d. h., für Normen, welche durch Selbstregulierung eines Fachgremiums erlassen werden. Je breiter die Akzeptanz, desto mehr können diese als «Usanz» betrachtet werden. Wie bei den Deutschen Rechnungslegungsstandards DRS (HGB) und den IFRS (EU-Verordnung) gilt die Fachkommission der Swiss GAAP FER als privates Rechnungslegungsgremium für anerkannte Standards der Rechnungslegung über die entsprechende Verordnung. FER erlangt somit Gesetzeskraft für die Konzernrechnung in der Schweiz.
Wesentliche Merkmale von Swiss GAAP FER sind:
• True and Fair View (FER-RK 1),
• modularer Ansatz mit dem Rahmenkonzept,
• Pflichtbestandteile: Bilanz, Erfolgsrechnung, Anhang, Geldflussrechnung und Eigenkapitalnachweis,
• Gliederung: Mindestvorschriften,
• Differenzierung nach den Informationsbedürfnissen (Kern-FER und weitere FER),
• Vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis insbesondere für KMU.
3.4.3 International Financial Reporting Standards IAS/IFRS
Das International Accounting Standards Committee (IASC), aus dem das heutige International Accounting Standards Board (IASB) hervorgegangen ist, wurde 1972 als privatrechtliche Organisation durch eine Vereinbarung mit den Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfer aus zehn Ländern mit dem Ziel errichtet, die Rechnungslegungsgrundsätze von Unternehmungen und anderen Organisationen durch die International Accounting Standards (IAS) weltweit zu harmonisieren und zu verbessern. Das Regelwerk der IAS wurde – vor allem in den 1990er Jahren – nach und nach umfangreicher wie auch engmaschiger, insbesondere durch eine spürbare Einschränkung von Alternativen bei der Behandlung identischer Geschäftsfälle.
Ab 2001 erfolgte eine grundlegende Neuausrichtung der IAS-Organisation, insbesondere im Hinblick auf die angestrebte Anerkennung durch die US-Börsenbehörde. Um die Unabhängigkeit von der Gründerorganisation IFAC (Weltverband der Wirtschaftsprüfer) zu lockern und die Fachkompetenz des IASC als professionellen, globalen, nicht mehr im Milizsystem arbeitenden Standardsetter zu gewährleisten, wurde das IASC in eine Stiftung (IASC Foundation) überführt und damit organisatorisch wie konzeptionell neugestaltet.
An der Spitze steht das Board of Trustees (22 Mitglieder) als Vertreter der verschiedenen an der Rechnungslegung interessierten Gruppen. Dieses ernennt das aus 14 Mitgliedern bestehende Board (IASB), von denen 12 hauptamtlich tätig sind. Als beratendes Gremium steht dem Board das aus rund 50 Mitgliedern zusammengesetzte Standard Advisory Council zur Seite. Seit 2001 erfährt zudem das gesamte Regelwerk des IASB eine fortlaufende Überarbeitung. Neu hinzukommende Standards werden nunmehr jedoch als International Financial Reporting Standard (IFRS) veröffentlicht. Für die durchweg mehr oder weniger stark revidierten «alten» Standards bleibt hingegen die Bezeichnung IAS erhalten. Die International Financial Reporting Standards (IFRS) als Oberbegriff umfassen sowohl die bislang bestehenden IAS als auch die neu veröffentlichten IFRS.
Zu Interpretations- und Anwendungsfragen nimmt nun das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC), ehemals Standing Interpretations Committee (SIC), Stellung. Die Bearbeitung einzelner Projekte wiederum obliegt einem Steering Committee (Lenkungsausschuss). Nachdem die EU seit 2005 weltweit die grösste Anwenderin der Normen ist, soll künftig Vertretern der EU-Kommission im Board of Trustees und im IASB ein verstärkter Einfluss eingeräumt werden.
Als privatrechtliche Organisation hat das IASB keine Möglichkeit, die Standards rechtsverbindlich durchzusetzen. Ein entscheidender Durchbruch zur weltweiten Akzeptanz der IFRS wurde jedoch durch die Verbindung mit der internationalen Organisation der Börsenaufsichtsbehörde International Organisation of Securities Commissions (IOSCO) erreicht, deren einflussreichstes Mitglied die amerikanische SEC ist. Die IOSCO empfiehlt ihren Mitgliedern, im Rahmen der Börsenzulassung von ausländischen Emittenten, die Rechnungslegung