Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer. Johannes Chrysostomos

Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer - Johannes Chrysostomos


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zeigt, daß man nicht auf den Glauben allein sein Zutrauen setzen dürfe; denn jenes Gericht prüfe auch die Werke. — Beachte, wie der Apostel, wenn er vom Jenseits spricht, außerstande, die himmlischen Güter im einzelnen zu nennen, nur die Worte „Herrlichkeit“ und „Ehre“ gebraucht. Denn da jene Güter alle menschlichen Verhältnisse übersteigen, hat er kein Bild zur Verfügung, um von ihnen eine richtige Vorstellung zu geben. Er stellt sie uns dar, so gut es geht, durch Worte, unter denen wir uns etwas Großes denken, wie „Herrlichkeit“, „Ehre“, „Leben“. Das sind ja die Güter, nach denen das Streben der Menschen geht; aber jene himmlischen sind diesen nicht gleich, sondern viel besser, schon deswegen, weil sie unvergänglich und ewig sind. Siehst du, wie uns der Apostel gewissermaßen wie durch die Türspalte einen Blick tun läßt auf die Auferstehung des Leibes, indem er das Wort „Unsterblichkeit“ ausspricht? Gemeint ist die Unsterblichkeit des vergänglichen Leibes. Weil das aber noch nicht genug war, setzt er dann noch hinzu: „Herrlichkeit und Ehre“. Denn wir werden zwar alle unsterblich auferstehen, aber nicht alle zur Herrlichkeit, sondern die einen zur Bestrafung, die andern zur Herrlichkeit. * V. 8: „Für die andern dagegen, die nach ihrem Kopf weiter machen …“ *

      Wieder spricht der Apostel denen, die im Laster dahinleben, Verzeihung ab; er zeigt nämlich, daß sie aus Hartnäckigkeit und Fahrlässigkeit in die Sünde gefallen sind —

       „und der Wahrheit nicht nachgeben, sondern der Ungerechtigkeit sich überlassen.“

      — Sieh da eine weitere Anklage! Denn welche Entschuldigung sollte jemand haben, der das Licht flieht und die Finsternis aufsucht? Der Apostel sagt auch nicht: „überwältigt und beherrscht“, sondern: „die sich der Ungerechtigkeit überlassen“. Daraus sollst du ersehen, daß der Fall in die Sünde eine Tat der freien Wahl, daß die Sünde nicht ein Zwang ist.

       „Ungnade und Zorn, Bedrängnis und Angst über jede Seele eines Menschen, der Böses tut.“

      — D. h. ob jemand auch reich ist, eine Standesperson, gar ein Herrscher, auf niemanden nimmt jener Richterspruch Rücksicht. Da gilt nicht Rang und Würde.

      Nachdem nun der Apostel die übergroße Schwere der Krankheit dargelegt und die Entstehungsursache derselben festgestellt — daß sie von der Fahrlässigkeit der Kranken selbst kommt —, auf den Ausgang hingewiesen — daß diese Kranken zugrunde gehen müssen — und die Leichtigkeit der Heilung betont hat, spricht er den Juden wieder eine größere Strafe zu. Denn wer mehr Unterweisung genossen hat, der verdient eine größere Strafe, wenn er das Gesetz übertritt. Darum werden wir, wenn wir sündigen, um so mehr gestraft, je gescheiter oder je mächtiger wir sind. Bist du reich, so verlangt man von dir mehr Geld als von einem Armen, bist du gescheiter, so mehr Achtung auf das Gesetz, bekleidest du ein Amt, hervorstechendere gute Taten; so wird überall deine Leistung nach deiner Kraft bemessen.

       V. 10: „Herrlichkeit und Ehre und Friede jedem, der das Gute betreibt, dem Juden in erster Linie und dem Heiden.“

      Welchen Juden meint er da, und von welchem Heiden ist da die Rede? Von denen, die vor der Ankunft Christi lebten. Noch ist nämlich die Erörterung nicht bis in die Zeiten der Gnade gediehen, sondern es ist noch die Rede von den Zeiten vorher. Trotzdem räumt der Apostel schon jetzt mit dem Unterschied zwischen Juden und Heiden auf. Er tut es schon hier, damit man nicht meine, wenn er später, von der Gnadenzeit sprechend, es tut, daß er etwas Neues und etwas Lästiges vorbringe. Denn wenn in den Zeiten vorher, wo die Sonne der Gnade noch nicht so erstrahlte, wo das Judentum bei allen angesehen und hochberühmt war und als eine Auszeichnung galt, wenn damals kein Unterschied bestand, was ließe sich für ein Grund dafür geltend machen für die spätere Zeit, da die Gnade in solcher Fülle erschienen war? Darum legt der Apostel hier mit solchem Nachdruck den Finger darauf. Denn ist der Leser einmal darüber belehrt, daß dies schon in früherer Zeit so gewesen ist, wird er es um so mehr für die Zeit des Glaubens zugeben. Unter „Heiden“ meint hier der Apostel nicht die Götzenanbeter, sondern jene Gottesverehrer, welche dem natürlichen Gesetze nach alles, was zur Frömmigkeit gehört, beobachteten mit Ausnahme der Satzungen des Judentums. Solche waren Melchisedech und seine Leute, ein solcher war Job, solche waren die Niniviten, ein solcher war Kornelius. So arbeitet also der Apostel schon jetzt der Niederlegung der Scheidewand zwischen Beschnittenen und Unbeschnittenen vor. Er hebt diese Unterscheidung schon jetzt auf, und zwar so, daß man seine Absicht kaum merkt und meint, er sei durch den notwendigen Zusammenhang der Rede darauf geführt worden. Es ist dies eine stete Eigenheit des klugen Verfahrens des Apostels. Hätte er nämlich dies [die gleiche Behandlung von Juden und Heiden seitens Gottes] von der Zeit der Gnade behauptet, so wäre diese Behauptung verdächtig erschienen. Weil er aber da im Zusammenhange darauf zu sprechen kommt, wo er von der Sündhaftigkeit spricht, die von der ganzen Menschheit Besitz genommen hatte, und von der Lasterhaftigkeit, die von den damaligen Menschen auf die Spitze getrieben worden war, macht er seine Lehre unverdächtig.

       4.

      Daß er aber in dieser Absicht seine Gedankenfolge so formt, ist aus der ganzen Stelle ersichtlich. Wenn ihm nicht daran gelegen gewesen wäre, dies zu erweisen, hätte er nach den Worten: „Mit deiner Verstocktheit und deinem unbußfertigen Herzen häufst du dir nur Gottes Zorn am Tage des Zornes“, mit diesem Punkte Schluß machen können. Der Gegenstand war zum Abschluß gebracht. Weil es aber nicht des Apostels Absicht war, bloß von dem zukünftigen Gericht zu sprechen, sondern auch zu zeigen, daß der Jude nichts vor dem Heiden voraus habe, damit jener sich nichts einbilde, darum geht er noch weiter, und zwar in dieser Gedankenfolge: — merk auf! Er hat den Leser in Furcht gesetzt; er hat ihm den Tag des Schreckens angekündigt; er hat ausgesprochen, wie schlimm es sei, in der Sünde zu leben; er hat gezeigt, daß niemand aus Unkenntnis (des Gesetzes) sündige und darum nicht straflos ausgehen werde, sondern daß er, wenn nicht gleich, so doch ganz gewiß einmal seine Strafe erfahren werde. Daraus will er nun die Folgerung ableiten, daß die Kenntnis des jüdischen Gesetzes nicht unbedingt notwendig sei; denn nach den Werken richtet sich Strafe und Lohn, nicht nach Beschnitten- oder Nichtbeschnittensein. Nachdem der Apostel gesagt hat, daß der Heide ganz gewiß seine Strafe erfahren werde, und, dies angenommen, gefolgert hat, daß er auch seine Belohnung bekommen werde, hat er damit dargetan, daß Gesetz und Beschneidung eigentlich nebensächlich seien. Damit will er hauptsächlich die Juden, treffen; denn diese waren ungemein eingebildet. Erstens einmal hielten sie es unter ihrer Würde, mit den andern Völkern auf eine Stufe gestellt zu werden, und zweitens fanden sie es lächerlich, daß der Glaube alle Sünden tilgen solle. Darum hat der Apostel zuerst an die Heiden, von denen die Rede ist, eine Strafpredigt gehalten, damit er dann unauffällig und mit Freimut den Juden die Wahrheit sagen könne. Im weiteren Verlauf der Rede, wo er auf die Bemessung der Strafe zu sprechen kommt, zeigt er, daß der Jude von seinem Gesetze nicht nur keinen Nutzen habe, sondern daß es sogar seine Lage noch erschwere. Diese Folge zieht er aus dem oben Gesagten. Denn wenn der Heide deswegen unentschuldbar ist, weil er trotz Schöpfung und Vernunft, die ihm Wegweiser zu Gott waren, nicht besser geworden ist, um wieviel unentschuldbarer wird der Jude sein, der nebst allem dem noch durch das Gesetz Belehrung empfangen hat. Nachdem nun der Apostel den Juden dazu gebracht hat, diese Schlußfolgerung in bezug auf die Sünden der Heiden gelten zu lassen, nötigt er ihn wider seinen Willen dazu, dies auch in bezug auf sich selbst zu tun. — Um übrigens dieser seiner Erörterung gute Aufnahme zu verschaffen, lenkt der Apostel jetzt die Rede auf erfreulichere Dinge, indem er sagt: „Herrlichkeit und Ehre und Friede jedem, der das Gute betreibt, dem Juden in erster Linie und dem Heiden.“ Hienieden mag jemand besitzen, soviel er will, er besitzt es immer nur unter vielerlei Kämpfen, ob er auch reich ist oder eine Standesperson oder gar ein König. Wenn schon nicht mit einem Nebenmenschen, so gerät er doch öfter mit sich selbst in Zwiespalt und hat vielfach zu kämpfen in seinem Innern. Nicht so ist es dort im Jenseits, sondern dort ist alles Ruhe ohne Störung und wahrer Friede.

      Nachdem der Apostel aus dem oben Gesagten gefolgert hat, daß auch die, welche das jüdische Gesetz nicht haben, zu demselben Genuß der ewigen Seligkeit gelangen können, führt er als weiteren Grund dafür an:

       V. 11: „Denn bei Gott gilt kein Ansehen der Person.“

      Wenn er sagte, daß der Jude wie der Heide gestraft


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