Seewölfe - Piraten der Weltmeere 1. Davis J. Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 1 - Davis J. Harbord


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Kumpan riß die Augen auf. „Lebt’n der noch?“

      „Er war nie tot“, erwiderte Hasard.

      „Was du nicht sagst!“ Der Mann schüttete mit einem gewaltigen Zug den andalusischen Wein in die Kehle. „Ahh!“ Er wischte sich über den Mund. „Der geht einem richtig runter.“

      Der Zickenbärtige trank ebenfalls. Hasard drehte sich um und blickte zur Theke. Nathaniel Plymson stand dort. Er hatte sichtliche Mühe, nicht umzufallen. Er hielt sich an der Schanktischkante fest und hatte hervorquellende Augen. Dabei schnappte er nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

      Hasard grinste ihn freundlich an und wandte sich wieder dem Tisch zu. Der Zickenbärtige schlief bereits. Sein Kopf hing nach rechts. Der andere blickte Hasard aus verträumten Augen an, hatte den Mund halb offen und wurde auf dem Stuhl zusehends kleiner. Dann verdrehte er die Pupillen nach oben und entschlummerte.

      „Ts, Ts“, machte Hasard und schritt zum nächsten Tisch.

      Der Mann, der dort saß, hatte ein liederliches Frauenzimmer auf dem Schoß und seine Hand dort, wo sie ein Gentleman nicht haben sollte, nämlich bis zum Ellbogen im Halsausschnitt des liederlichen Frauenzimmers.

      Hasard war taktvoll genug, ihn nicht zu stören. Vielleicht hatte der Mann dort unten, zwischen, am oder über dem Busen des Frauenzimmers etwas verloren und suchte es jetzt. Das Frauenzimmer schien jedenfalls ob der Suche sehr glücklich zu sein.

      Aber da sagte der Mann: „He, Langer! Gibst du uns einen aus?“

      „Gern“, erwiderte Hasard.

      Zwei Minuten später versteinerte das Paar zu einem schlafenden Denkmal. Es war, als habe sie ein Zauberstab berührt. Die Hand des Mannes, der kein Gentleman war, befand sich immer noch dort, wo sie nicht sein sollte.

      Philip Hasard Killigrew schritt zur nächsten Tat, aber da hing der dicke Plymson an seinem Arm und zerrte daran.

      „Bitte, Sir, nicht mehr“, sagte er weinerlich.

      Hasard wischte die feiste Hand von seinem Arm und schob den Dicken zur Theke zurück. Der Wirt humpelte und hatte einen prächtigen Verband am Bein.

      „So, Freundchen“, sagte Hasard und rammte den dicken Plymson gegen die Theke, „jetzt mal heraus mit der Sprache. Wieviel hast du für mich kassiert?“

      „Ich – nichts“, stammelte Nathaniel Plymson, „wirklich.“

      „Du hast die Wahl“, sagte Hasard mit einer sehr leisen und gefährlichen Stimme. „Entweder rückst du den Ledersack heraus, oder ich stopfe dir deine dreckige Perücke in den Hals. Such’s dir aus.“

      „Ogottogott“, jammerte Nathaniel Plymson.

      Hasard fackelte nicht lange. Mit einem kurzen Griff schnappte er sich die Perücke des Wirtes.

      „Na?“ sagte er.

      „Ich – ich hol den Ledersack“, stieß Nathaniel Plymson hervor.

      „Wo ist er denn?“

      „In – in der Schublade unter dem Schanktisch.“

      Hasard umkreiste die Theke, fand die Schublade, öffnete sie und holte den Ledersack heraus. Er steckte ihn ein und warf dem Dicken die Perücke zu.

      „Nun weiter“, sagte er mit seiner leisen, gefährlichen Stimme. „Angenommen, ich schliefe jetzt. Wie sollte die Sache weitergehen?“

      Nathaniel Plymson schluckte. Er schien plötzlich eine dicke Kröte in seinem Hals zu haben. Dann zwang er sich ein vertrauliches Lächeln ab und schaute mit gesalbtem Blick zur Decke hoch. „Ich – ich hätte sie natürlich schlafen lassen, Sir.“

      „Gewiß“, sagte Hasard und zeigte seine weißen Zähne, „das war ja auch der Zweck des andalusischen Schlaftrunks, du alter Betrüger. Fragt sich nur, wo ich aufgewacht wäre. Was meinst du?“

      „Oh!“ Wieder der gesalbte Blick. „Aufgewacht? Im Bett natürlich, wo denn sonst?“

      Hasard packte ihn an dem groben Leinwandhemd und zog ihn zu sich heran. „Dicker, sag die Wahrheit, sonst frißt du doch noch deine Perücke.“

      Nathaniel Plymson schrumpfte unter dem eisblauen Blick Hasards zusammen. Schweiß sammelte sich auf seiner Glatze und perlte über seinen feisten Nacken. Wenn dieser verdammte Killigrew seine Zähne zeigt, dachte er, sieht er aus wie ein Seewolf.

      „Na?“ fragte Hasard.

      „Sie – sie warten draußen“, flüsterte Nathaniel Plymson und wischte sich mit der Perücke den Schweiß von der Stirn.

      In den blauen Augen leuchtete es auf. Ohne jedes Weitere Wort wandte sich Hasard ab und glitt mit wenigen Schritten zur Tür.

      Nathaniel Plymson hastete zur Küchentür. Rechts neben dem Türstock hing eine starke Kordel, an der er dreimal zog. Die Kordel lief über mehrere Rollen in ein Nebengemach und hatte die sinnvolle Funktion, dort vor einem kleinen Fenster eine Holzblende auf und ab zu bewegen. Das Fenster führte zur Millbay Road hinaus. Natürlich war das Gemach erleuchtet. Das dreimalige Ziehen Nathaniel Plymsons warf drei Lichtblinke auf die Millbay Road. Nach dem dritten Kordelzug brüllte Nathaniel Plymson los und bewaffnete sich mit einem Knüppel, den er unter der Theke hatte.

      Zu diesem Zeitpunkt befand sich Philip Hasard Killigrew bereits vor der „Bloody Mary“.

      2.

      Sie kamen zu fünft.

      Zwei schlichen von der Millbay Road heran – von links, und zwei näherten sich von der St. Mary Street – von rechts. Der Kerl mit dem Ohrring steuerte das Opfer direkt von vorn an. Er stieß den Kopf vor und glotzte verblüfft. Der Riese schwankte ja noch nicht einmal. Der stand da, etwas geduckt, sein schwarzes Haar flatterte in den Böen, wild und verwegen sah er aus – und gefährlich.

      Hinter Philip Hasard Killigrew schrie Nathaniel Plymson Zeter und Mordio, und in der „Bloody Mary“ wurden die Zecher rebellisch. Die Katze, die beiden Männer und der Kerl mit dem liederlichen Frauenzimmer schliefen weiter. Nur die Hand des Kerls im Ausschnitt des liederlichen Frauenzimmers zuckte etwas. Und das liederliche Frauenzimmer stöhnte ein bißchen.

      Der Kerl mit dem Ohrring stieß einen wüsten Fluch aus und fischte ein Messer aus dem Stiefelschaft.

      Messer waren Hasard zuwider. Messer waren Waffen, die hinterrücks und aus dem Dunkel zustießen.

      „Weg mit dem Messer!“ Seine Stimme war so scharf und schneidend wie das Messer selbst.

      Sie lähmte den Mann mit dem Ohrring für einen entscheidenden Augenblick. Er empfing einen Tritt unter das Handgelenk, das Messer klirrte über die Pflastersteine, und dann explodierte sein Kopf. Diese Faust war aus Eisen. Er flog hinter seinem Kopf her und verschwand hinter der Kaimauer. Ein Aufklatschen verriet, daß er ein kühles Bad nahm.

      Die beiden von der Millbay Road nahm Philip Hasard Killigrew geschlossen an. Er stieß ihre Köpfe zusammen und beförderte sie mit zwei kräftigen Fußtritten in den Hintern quer über die Millbay Road. Sie schrammten über die buckligen Katzenköpfe und blieben benommen liegen.

      Hasard hörte die Schritte der beiden anderen von der St.Mary Street und fuhr herum. Sie griffen nicht Schulter an Schulter an, sondern umkreisten ihn vorsichtig.

      Der Mann mit dem Ohrring planschte hinter der Kaimauer im Wasser und brüllte, er könne nicht schwimmen, und sie sollten ihn, verdammt noch mal, herausholen.

      In der Millbay Road wurde ein Fensterladen aufgestoßen. Ein Topf eindeutigen Inhalts klatschte auf die Straße. Die beiden Kerle, deren Köpfe Hasard malträtiert hatte, schossen hoch wie kleine Teufelchen aus der Kiste und brüllten infernalisch.

      Der Inhalt des Topfes hing teils in ihren Haaren, teils bahnte er sich einen Weg in die Ausschnitte ihrer Hemden. Aber sie waren auch davor keineswegs peinlich sauber gewesen.

      Hasard schnüffelte


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