Seewölfe - Piraten der Weltmeere 1. Davis J. Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 1 - Davis J. Harbord


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und wurde rücksichtslos zertrampelt.

      Und links und rechts von dem Seewolf, der mit dem Rücken zur Wand kämpfte, knickten die Männer zusammen oder segelten über die Pflastersteine. Die Stiefel leisteten ganze Arbeit, klatschten in Gesichter, zerdroschen Nasen, rammten sich in zusammengekrümmte Leiber.

      „Unfaßbar“, murmelte der Mann, der Nathaniel Plymson zu Boden geschickt hatte.

      Und dann erstarrte er.

      Neben dem Seewolf, ebenfalls mit dem Rücken zur Wand, war ein schmales Bürschchen aufgetaucht, blondhaarig, vielleicht sechzehn- oder siebzehnjährig, ja, schmal schon, aber wild.

      „Arwenack!“ brüllte das Bürschchen begeistert und stach die Rechte vor. Einem Zecher flog der Kopf zurück, und er ging in die Knie.

      „Arwenack!“ brüllte auch der Seewolf und drosch einem Angreifer den rechten Stiefel auf den Kopf.

      „Wieso Arwenack?“ fragte der Mann.

      „Da hausen die Killigrews“, erwiderte einer der beiden, über die sich der Topf ergossen hatte.

      „Verdammt, dann hat er jetzt Verstärkung“, sagte der Mann, „aber wir schnappen uns das Bürschchen auch. Dann haben wir gleich zwei von der Sorte.“

      „Und wie?“

      „Von oben, du Idiot. Dort vom Fenster aus. Ich kenne Plymsons Bude.“

      Die drei Männer umkreisten die Kämpfenden und huschten in die „Bloody Mary“. Zwei Minuten später öffnete sich über Hasard ein Fenster. Zwei Männer zwängten sich auf das Fensterbrett. Sie hatten abgebrochene Stuhlbeine in den Fäusten, nickten sich zu und ließen sich wie Säcke nach unten fallen.

      Der eine sprang Hasard genau ins Kreuz und ging mit ihm zu Boden. Der andere setzte neben ihnen auf, federte hoch und knallte Hasard das Stuhlbein an die Schläfe – einmal, zweimal und ein drittes Mal.

      Da erst erschlaffte der Seewolf.

      Der dritte Mann krachte auf den blonden Jungen und begrub ihn unter sich. Das Bürschchen war fast genau so zäh wie der Seewolf. Es schnellte hoch, warf den Mann ab und brüllte: „Arwenack!“

      Die zwei anderen machten ihn fluchend mit ihren Stuhlbeinen fertig. Über Hasard brach er blutend zusammen.

      Inzwischen standen Millbay Road und St. Mary Street in heller Aufruhr. Aus den Fenstern beugten sich die Bürger und schrien um die Wette. Einige Mutige hatten die Häuser verlassen und bewegten sich auf die „Bloody Mary“ zu. Fackeln erleuchteten die wilde Szenerie.

      Bei der Kaimauer stieg eine triefende Gestalt mit baumelndem Ohrring neben einem Poller hoch. Ein bulliger Kerl folgte.

      Andere Gestalten lagen zusammengekrümmt oder ausgestreckt, blutend und ächzend oder sehr still auf den Pflastersteinen.

      Andere wiederum keilten noch immer aufeinander los und wurden wieder wild, als sich die Fackeln näherten und frische Kämpfer die Lust zum Bolzen verspürten.

      „Nichts wie weg!“ stieß der Mann hervor, der für Hasard bezahlt hatte.

      Sie schnappten sich die beiden bewußtlosen Kämpfer aus Cornwall und schleiften sie über die Millbay Road in eine Seitengasse.

      Hinter ihnen stießen die empörten, aus dem Schlaf gescheuchten Bürger der Millbay Road und St.Mary Street in den keilenden Haufen vor der „Bloody Mary“, und der Kampf setzte sich mit erneuter Wucht fort.

      Zwar stand nicht mehr der Seewolf im Zentrum des Kampfgeschehens, aber zwei neue Fronten zeichneten sich ab: Millbay Road gegen St. Mary Street. Die Bewohner der beiden Straßen waren sich von jeher spinnefeind gewesen. Die Leute von der St. Mary Street behaupteten, die Millbay-Roader seien allesamt Tagediebe und Hurensöhne. Und die Millbay-Roader hatten einen Piek auf die Leute von der St. Mary Street, weil die sich einbildeten, sie seien der Nabel von Plymouth.

      Das alles sowie alte Fehden und Händel zwischen den Familien der beiden Straßen war Anlaß genug, aufeinander loszugehen.

      Der Ohrringmann, den Fluten entronnen, starrte verständnislos auf das Kampfgetümmel. Der Bulle neben ihm genauso. Was da im Gange war, hatte ja bereits die Ausmaße einer Straßenschlacht.

      Der Bulle grunzte, denn ihm fiel ein, daß sich der Ohrringmann vorhin im Wasser wie ein Sack an ihn gehängt und ständig versucht hatte, ihn unter Wasser zu treten. Und bei den Steigeisen an der Kaimauer hatte er ihn weggerissen, war als erster hochgeentert und hatte ihn noch dazu mit dem Stiefelabsatz eine Kopfbeule verpaßt.

      Kalte Wut stieg in ihm hoch. Er packte den Ohrringmann an der Schulter, zog ihn zu sich herum und feuerte ihm die Pranke zwischen die Zähne.

      „Dir zieh ich die Haut vom Hintern“, blaffte er den Ohrringmann an.

      Der spuckte ihm einen Zahn aufs rechte Auge, trat ihm vors Schienbein und zahlte zurück.

      „Mir die Haut vom Hintern ziehen, wie?“ sagte er und spie einen Strahl Blut durch die Zahnlücke. Seine beiden Schwinger hatten den Bullen ziemlich durchgeschüttelt. Er setzte nach und ging zum Nahkampf über. „Da – und da“, sagte er, und jedesmal empfing der Bulle eine brettharte Faust. „Ich bin London-Jack, verstehst du?“ sagte der Ohrringmann. „Und solche Brummer wie dich hab ich schon als Säugling zum Frühstück verschluckt – da!“ Seine Faust krachte auf die Luftröhre des Bullen.

      Der Bulle schnappte nach Luft und griff nach den Sternen, aber an denen konnte er sich nicht festhalten. Mit einem Tritt in den Unterleib segelte er zu Boden.

      Über die Pflastersteine kroch Nathaniel Plymson auf der Suche nach seiner Perücke. Der Ohrringmann hievte ihn am Kragen hoch und schüttelte ihn.

      „Du dreckige Wanze! Wo ist der Killigrew-Seewolf?“

      „Weiß – weiß ich nicht.“

      Nathaniel Plymson war völlig derangiert und verfluchte diese stürmische Nacht und seine Idee, diesen Seewolf an die Preßgang verhökern zu wollen.

      „Du hast uns beschissen!“ sagte London-Jack grimmig und spie wieder einen Blutstrahl aus – gezielt auf die Glatze von Nathaniel Plymson. „Der hat gar nicht von deinem Wein gesoffen, du fettes Warzenschwein!“

      „Das ist es ja“, jammerte Nathaniel Plymson, „diese dämliche Katze ist schuld, die ...“

      Der Ohrringmann griff in Nathaniel Plymsons Hemd und zog ihn zu sich heran.

      „Katze? Sagtest du Katze? Du denkst wohl, ich bin blöd, he?“

      „Wirklich, er hat’s an der Katze gemerkt – bitte, nicht schlagen!“

      „Wo ist das Geld? Wo hast du den Ledersack?“

      „Den hat – hat der Seewolf.“

      Nathaniel Plymson stand dicht vor einem Nervenzusammenbruch, aber vor dem rettete ihn der Ohrringmann, der ihm eine krachende Rechte unter das Kinn hieb.

      Nathaniel Plymson träumte, er fahre zwischen blitzenden Sternen gen Himmel, und Petrus habe einen Ohrring und eine dicke Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen. Und Petrus sagte: „Sieh einer an, das alte Schlitzohr Nathaniel! Du hast dich in der Tür geirrt, mein Sohn. Zum Bruder Luzifer geht’s rechts um die Ecke.“

      Vor Nathaniel Plymsons Nase wurde das Himmelstor mit einem Donnerschlag geschlossen.

      Das war der Augenblick, in dem Nathaniel Plymson zum zweiten Male voller Schmerzen mit den Katzenköpfen der Millbay Road zusammenstieß.

      Der Ohrringmann mit dem beziehungsreichen Namen London-Jack blies sich über die Handknöchel seiner Rechten, trat Nathaniel Plymson ziemlich sinn- und nutzlos zwischen die Rippen und erhielt dafür von einem Unbekannten ein Stuhlbein hinterrücks über den Schädel. Es war das Stuhlbein, mit dem der Seewolf niedergeschlagen worden war.

      London-Jack wachte erst in einem Hospital wieder auf – und da fehlte ihm jegliche Erinnerung. In wirren Sätzen faselte er etwas von einem „Seewolf“,


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