Seewölfe Paket 26. Roy Palmer

Seewölfe Paket 26 - Roy Palmer


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wenn du das gleich gesagt hättest“, erklärte Osvaldo. „Dann wäre das hier gar nicht passiert. Was soll denn das Theater, Maria? So heißt du doch, oder?“

      „Ja, so heiße ich“, erwiderte das Mädchen. „Ihr Kerle seid alle gleich. Ihr habt nichts als schmutzige Gedanken. Kaum seht ihr eine Frau, müßt ihr sie unsittlich anfassen. Na los, auf was wartet ihr, noch? Ich bin ja eure Gefangene.“

      El Sordo hatte das Mädchen losgelassen. Jetzt versuchte er, ihr einige sehr wesentliche Dinge klarzumachen. Aber seine wilden, heftigen Gesten stießen bei ihr nur auf Abscheu und Widerwillen.

      „Ach, laß mich doch in Ruhe“, sagte sie.

      „Du bist lustig“, sagte Osvaldo grimmig. „Erst hältst du uns zum Narren, dann beleidigst du uns.“ Er hob mahnend den Zeigefinger. „Wir sind ehrbare Diebe, merk dir das! Wir haben noch keiner Frau ein Härchen gekrümmt, solche Schweinehunde sind wir nicht! Höchstens einem Kerl haben wir mal eins übergezogen, wenn wir angegriffen worden sind! Ist das so schlimm?“

      Maria hockte sich auf den Rand des Zubers und kaute auf der Unterlippe herum. „Du kannst mir viel erzählen. Ich glaube gar nichts mehr. Ich habe ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht.“

      „Weil jeder Mann nur an das eine denkt?“ fragte Osvaldo. Er kam sich unsagbar dumm dabei vor. Aber ihm fiel nichts Besseres ein.

      „Ja.“

      „Auch – Don Felipe?“

      „Der!“ zischte Maria. „Er hat mich als Kammerzofe eingestellt. Aber gleich in der ersten Nacht hat er sich zu mir ins Zimmer geschlichen und versucht, mich zu vergewaltigen. Ich habe um Hilfe geschrien. Da ist er verschwunden.“

      „So ein Mistkerl“, murmelte Osvaldo.

      Er mußte El Sordo auseinandersetzen, was das Mädchen gesagt hatte. Der Taubstumme begriff und schüttelte drohend, die Faust. Don Felipe, dieses Ferkel! Wenn sie ihn erwischten, würden sie ihm ganz schön die Leviten lesen!

      „Lacht ihr über mich?“ fragte das Mädchen.

      „Nein“, erwiderte Osvaldo. „Du kennst uns eben schlecht. Wir klauen, was nicht niet- und nagelfest ist, aber wir vergreifen uns nicht an jungen Mädchen. Wenn ein Kerl so richtig in Fahrt ist, soll er in den Hafen gehen. Da gibt’s genug Huren.“

      „Ein Mann wie Don Felipe tut so was nicht“, entgegnete das Mädchen. „Ich sollte seine Mätresse werden, forderte er. In den drei Wochen, die ich in diesem Haus war, versuchte er immer wieder, mich zu sich ins Bett zu locken.“

      „Warum bist du nicht einfach abgehauen?“ wollte Osvaldo wissen.

      „Das hatte ich vor“, erwiderte sie. „Aber ich brauchte das Geld so dringend. Ich wußte nicht, wo ich sonst unterkommen sollte. Ich drohte Don Felipe damit, seiner Frau alles zu verraten. Da war er nicht mehr ganz so aufdringlich. Aber er zahlte es mir heim. Vor einer Woche verschwand eine silberne Schüssel. Don Felipe drehte alles so hin, daß ich als die Diebin hingestellt wurde. Plötzlich hackten alle auf mir herum. Dann kam auch noch heraus, daß jemand in die Speisekammer eingebrochen war.“

      „Warst du das nun oder nicht?“ fragte Osvaldo.

      „Ich war es.“

      „Du hattest Hunger?“

      „Und wie.“

      „Don Felipe hat dir wohl absichtlich wenig zu futtern gegeben“, sagte Osvaldo nachdenklich. „Um dich herauszufordern. Na, da mußte es ja soweit kommen. Und dann hat er dich auch noch selbst ertappt.“

      „Ich wurde degradiert“, fuhr Maria fort. „So nannte er es. Ab sofort mußte ich die schmutzigsten Arbeiten verrichten. Zur Strafe sperrte er mich abends in das Kellerloch. Immer wieder sagte er, ich könnte es mir noch überlegen. Ich brauchte ihm nur Bescheid zu sagen und mich zu fügen, dann würde alles wieder gut werden.“

      „Dann ging das Chaos los, und alle flohen“, sagte Osvaldo. „Don Felipe war es egal, was aus dir wurde. Und die anderen dachten nicht mehr an dich.“

      „So hat sich alles zugetragen“, sagte Maria. „Ich kann es beschwören. Es ist die Wahrheit.“

      Osvaldo und der Taubstumme tauschten einen raschen Blick. Dann wandte sich Osvaldo erneut an das Mädchen.

      „Mein Freund El Sordo und ich glauben dir“, erklärte er mit fast feierlicher Miene. „Du hast dich nicht als Mädchen zu erkennen gegeben, weil du vor Männern Angst hast. Richtig?“

      „Ja.“

      „Wir werden dir beweisen, daß wir anständige Kerle sind“, sagte Osvaldo. „Wenn du Lust hast, kannst du bei uns bleiben, solange der Aufstand weitergeht. Wir werden dich beschützen.“

      „Danke“, sagte das Mädchen. „Ihr seid ja wirklich – in Ordnung.“

      „Ach, das ist doch nicht der Rede wert“, entgegnete Osvaldo verlegen.

      Er winkte El Sordo zu, und sie verließen den Raum. In der Küche leerten sie auf den Schreck jeder zwei Becher Wein und lauschten den planschenden Geräuschen, die aus der Waschküche drangen.

      El Sordo sah seinen Begleiter eindringlich an.

      Osvaldo nickte. „Ja, ich weiß schon, was du sagen willst. Da haben wir uns ganz schön was eingebrockt. Aber wir können Maria nicht einfach sich selbst überlassen. Wenn sie allein loszieht und irgendwo in der Stadt den Galgenstricken in die Hände fällt, ist sie geliefert. Du weißt genau, was ihr dann passiert.“

      Der Taubstumme seufzte. Natürlich wußte er das. Und irgendwie war ihm Maria auch schon ans Herz gewachsen. Zum Teufel, er mochte diesen „Bengel“ und wollte um keinen Preis, daß ihr etwas zustieß. Und Osvaldo? Der dachte genauso. So waren die beiden eben: Unter der rauhen Schale steckte ein weicher Kern.

      Gonzalo Bastida öffnete grinsend eine versteckte Kellerluke. Er schickte Rioja, Sancho und ein paar Soldados nach unten. Verwundert hörte Alonzo de Escobedo, wie die Kerle mit Waffen hantierten. Das metallische Klirren und Scheppern war unverkennbar.

      Die Kerle reichten die Waffen – Musketen, Blunderbüchsen, Pistolen, Blankwaffen und reichlich Munition – herauf. Cuchillo und Gayo verteilten sie an die rekrutierten Kerle, und kurz darauf stand eine an die vierzig Köpfe zählende Streitmacht bereit.

      „Gut so“, sagte Bastida. „Zur Verfügung halten.“

      Der Dicke winkte de Escobedo, Cuchillo und Gayo zu sich an die Theke. Er füllte vier Becher mit glasklarem Weißwein, und sie tranken.

      Dann sagte Bastida: „Ich will, daß auch die Kerle in der Stadt wissen, welcher Wind jetzt weht. Darum werdet ihr beiden ein paar Exempel statuieren.“

      Cuchillo grinste hölzern. „Überlaß das ruhig uns.“

      „Dann verschwindet. Nehmt ein paar Soldados mit.“

      „Ja“, erwiderte Cuchillo. „Und wie viele sollen wir abmurksen? Ein Dutzend?“

      „Nicht ganz so viele“, sagte der Wirt. „Ein paar laßt ihr natürlich auch laufen, damit es sich herumspricht, was hier läuft. Schließlich brauchen wir noch genug Hundesöhne zum Rekrutieren. Wer nicht aus Havanna verschwinden will, der soll sich hier bei mir einfinden. Er erhält Waffen, und ihm winkt eine dicke Belohnung, wenn die Residenz in unserer Hand ist.“

      „Wird erledigt“, sagten Cuchillo und Gayo gleichzeitig. Dann verließen sie die Kaschemme. Jeder hatte drei Soldados von der Schlägertruppe ausgewählt. Cuchillo und Gayo sprachen sich kurz ab. Sie trennten sich – jeder ging mit seiner Gruppe einen anderen Weg. Auf diese Weise ließ sich Bastidas neue Order am schnellsten und wirkungsvollsten verkünden.

      Cuchillo führte seinen kleinen Trupp in eine lange, schmale Gasse, die vom Hafen aus in Richtung Plaza verlief. Nicht weit entfernt stand die Faktorei von Manteuffel.

      Cuchillo schenkte dem Haus jedoch keinen Blick. Er hatte


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