Seewölfe Paket 26. Roy Palmer
Tatsächlich – von dem anderen Ende einer Gasse, durch die der Trupp gerade marschierte, näherte sich Cuchillo. Er hockte auf dem Kutschbock eines Maultierkarrens. Neben ihm saß ein Junge, der die Zügel des Tieres hielt. Hinter dem Karren schritten fünf Kerle her.
„Hol’s der Henker“, sagte Jörgen Bruhn. „Das gibt Zunder.“
Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da richtete sich Cuchillo kerzengerade auf dem Kutschbock auf. Im nächsten Moment griff er zur Pistole. Seine Kerle duckten sich und huschten in nahe Hauseingänge. Dann ging alles sehr schnell. Cuchillo eröffnete das Feuer auf die Soldaten. Der Schuß knallte in der Gasse. Ein Befehl des Subtenienten gellte, und sofort gingen auch die Soldaten in Deckung. Knatternd spuckten die Musketen ihre Ladungen aus. Pulverqualm wehte aus der Gasse hoch.
Maria, das Mädchen, ließ sich gedankenschnell vom Kutschbock fallen. Das Maultier gab einen schrillen Laut von sich und ging mit dem Karren durch. Cuchillo warf sich auf das Pflaster der Gasse. Die drei „Soldados“ der Bastida-Truppe, Osvaldo und El Sordo versuchten, sich in Sicherheit zu bringen.
Osvaldo gelang es, in einen Stall zu kriechen, dessen Tür halb offenstand. Er kauerte sich hinter Strohballen. Sekunden später spürte er eine Bewegung neben sich.
„Maria“, flüsterte er entgeistert.
„Ja, ich bin’s.“
„Sei ganz still. Vielleicht haben wir Glück, und die Soldaten töten Cuchillo und seine Schläger.“
„Wo ist El Sordo?“ fragte das Mädchen.
„Ich weiß es nicht“, raunte Osvaldo. „Aber der schlägt sich schon durch. Verlaß dich drauf.“
Der Kampf in der Gasse dauerte nur wenige Augenblicke. Dem Subtenienten und den Soldaten gelang es, die drei Schläger der Bastida-Truppe zu erschießen. Cuchillo war plötzlich verschwunden. Und um Osvaldo und das Mädchen kümmerte sich keiner mehr.
Osvaldo und Maria lauschten den Stimmen der Soldaten. Der Subteniente gab seine Anweisungen. Die Toten wurden liegengelassen. Die Mannschaft setzte ihren Marsch zur Residenz fort. Allmählich entfernten sich die Schritte.
Der Dieb und das Mädchen atmeten auf. Maria wollte sich wieder erkundigen, wo der Taubstumme stecken könne, da bewegte sich die Stalltür. Knarrend öffnete sie sich. Osvaldo und Maria hofften, El Sordo schaue herein – doch es war Cuchillo, der sie mit kaltem Grinsen ansah.
„Ihr hättet euch am liebsten verdrückt, was?“ fragte er.
„Nein, das ist nicht wahr“, antwortete Osvaldo. „Nur haben wir mit unseren Messern wenig gegen die Soldaten ausrichten können.“
„Das stimmt“, pflichtete Cuchillo ihm bei. „Na ja, meine drei Kerle hat es erwischt. Bastida wird sich ein paar neue Soldados suchen müssen. Aber seht mal, wen ich hier habe.“ Er zerrte El Sordo zu sich heran und hielt ihn am Arm fest. „Der hatte sich in einem Haus versteckt“, erklärte Cuchillo. „Aber ich habe auch ihn wiedergefunden.“
„Wunderbar“, sagte Osvaldo. „Wir hatten schon Angst, man hätte auch ihn erschossen.“
„Den? Bei seinem Heldenmut?“ Cuchillo lachte. „Der hat höchstens die Hosen voll!“
Maria wollte darauf etwas entgegnen, doch Osvaldo legte ihr die Hand auf den Unterarm. Es hatte keinen Zweck, diesen Hundesohn Cuchillo unnötig zu reizen. Gerade jetzt nicht, nachdem er drei seiner Spießgesellen verloren hatte.
Osvaldo, El Sordo und Maria mußten mit Cuchillo zu Bastidas Kaschemme gehen. Sie hatten keine andere Wahl und waren dem Leibwächter ausgeliefert.
Dem Subteniente gelang es indessen, sich mit seiner Truppe bis zur Residenz durchzuschlagen. Hier wurden sie von den Angehörigen der Miliz und der Garde hereingelassen und empfangen. Man begrüßte sie und bedrängte sie mit vielen Fragen. Doch der Subteniente und der Sargento wußten nur zu berichten, daß in Havanna nach wie vor der Mob regierte.
Arne von Manteuffel, Jörgen Bruhn und Jussuf hatten alles vom Dach der Faktorei beobachten können. Arne kehrte ins Haus zurück und berichtete Isabella Fuentes, was sie gesehen hatten.
„Wie schrecklich das alles ist“, sagte Isabella. „Und für uns besteht vorläufig keine Gefahr mehr?“
„Ich glaube nicht“, erwiderte Arne. „Das allgemeine Interesse scheint nicht mehr der Faktorei zu gelten – zur Zeit jedenfalls.“
Isabella atmete auf. „So ein Glück. Wir haben also auch von de Escobedo nichts zu befürchten?“
„Der heckt mit Bastida offenbar einen Plan aus, wie sie am besten in die Residenz einbrechen können.“ Arne lächelte dem Mädchen zu. „Keiner kümmert sich um uns. Unser Handelshaus liegt jetzt gewissermaßen in Lee – abseits des derzeitigen Geschehens.“
„Und das ist gut so“, sagte Isabella erleichtert.
„Gut für uns und unsere Freunde vom Bund der Korsaren“, erwiderte Arne.
Wie Isabella, Jussuf und Jörgen wartete er auf das Eintreffen der Kameraden. Sie hatten sie per Brieftaubenbotschaft benachrichtigt. Arne war sicher, daß der Bund mit einem starken, schlagfähigen Verband nach Kuba unterwegs war. Jetzt war nur noch die Frage, wann die Freunde eintrafen. Genau ließ es sich leider nicht sagen. Man konnte nur warten – und hoffen.
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