Seewölfe - Piraten der Weltmeere 494. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 494 - Burt Frederick


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starrten ihn an.

      „Nun?“

      Keine Antwort. Sie hatten noch nie verstanden, seinen manchmal verworrenen Gedankengängen zu folgen.

      „Euch ist der Geist gegeben, daß ihr erkennet“, sagte er mit schmetterndem Stimmenklang. „Ja, ich lispele! Und warum lispele ich?“

      „Weil Euch ein Schneidezahn fehlt!“ rief der Zweite Jünger, und seine Miene erhellte sich in der Hoffnung, endlich einmal die richtige Antwort gewußt zu haben.

      „Auch für Narren hat der Herr einen Winkel im Paradies eingerichtet“, sagte Webster gallig. „Warum, so frage ich euch, fehlt mir ein Schneidezahn?“

      Der Erste Jünger räusperte sich und reckte seinen Oberkörper, denn er war sicher, jetzt den rechten Weg erkannt zu haben.

      „Das Natterngezücht war es“, sagte er. „Diese Abgesandten der Hölle haben sich an Euch vergriffen, Erhabener.“

      Webster nickte zufrieden und ließ einen verklärten Ausdruck über sein zerschundenes Gesicht gleiten.

      „Richtig“, lobte er den Ersten. „Nun zum Entscheidenden: Warum, so frage ich euch, hat der Satan seinen Handlanger zu dieser ruchlosen Tat veranlaßt?“

      Erneut waren die Jünger verblüfft. Sie hatten geglaubt, daß der Gedankengang des Erhabenen abgeschlossen wäre. Doch statt dessen wollte er sie zu neuen Gedankenkapriolen veranlassen. Ohne Erfolg.

      Webster erhob die Stimme zu vibrierendem Klang.

      „Satan war es, der sein erklärtes Ziel in die Tat umsetzen wollte! Er hat seine Schergen geschickt, um mich mundtot zu machen! So begreift doch! Er wollte mir die Stimme nehmen, damit ich die Botschaft des Heils nicht mehr verkünden kann! Aber es ist ihm nicht gelungen. Die Kraft des Herrn, die in mir schlummert, war stärker! Gelobt sei der Herr!“

      Die Jünger hatten ihn mit großen Augen und offenem Mund angestarrt.

      „Halleluja!“ riefen sie ergriffen.

      Webster steigerte seine Stimmgewalt zu Donnerhall, und es erfüllte ihn mit neuem Mut, daß das Lispeln die Macht seines Organs nur wenig zu schmälern vermochte.

      „Nur noch klarer und deutlicher werde ich die Botschaft des Herrn verkünden! Das, was Satan mir angetan hat, wird euch ständig und jederzeit daran erinnern, daß der Wille des Herrn durch mich stark und unbezwingbar geworden ist. Der Teufel hat sich selbst einen empfindlichen Schlag versetzt, denn mit seinem heimtückischen Angriff hat er sich nur geschadet, statt etwas zu erreichen. Er wird sich nicht so rasch davon erholen. Und ich werde ihn weiter bekämpfen – bis zur endgültigen Vernichtung!“

      Die Jünger begannen zu singen.

      „Halleluja – gelobt sei der Herr! Erleuchtet …“

      „… sei sein Botschafter auf Erden“, stimmte Webster in den selbstverfaßten Choral mit ein.

      Die beiden anderen Jünger, die bis eben noch im Dickicht geraschelt hatten, tauchten auf dem Strand auf. Als sie sahen, welche weihevolle Handlung sich dort offenbar zwischen dem Erhabenen und seinen beiden Zuhörern abspielte, fielen auch sie auf die Knie, legten das Mitgebrachte behutsam auf den Sand und falteten die Hände vor der Brust.

      Webster gab das Zeichen, den Choral zu beenden, indem er der letzten Strophe ein forsches „Amen“ folgen ließ.

      „Bewegt euch!“ sagte er herrisch. „Mich dürstet.“

      Der Erste und der Zweite Jünger sprangen auf und flitzten los. Dann redeten sie leise und erregt auf die noch Knienden ein.

      Webster sah, wie deren Augen immer größer wurden. Sie sprangen auf und eilten herbei. Voller Ehrfurcht wollten sie erneut in die Knie gehen.

      Webster hinderte sie mit einer Handbewegung daran. Den Ersten und den Zweiten Jünger scheuchte er zurück zum Uferwasser, damit sie die Umschläge fertigstellten.

      Der Erhabene trank unterdessen von dem Wasser, das die beiden anderen in einem Lederschlauch gebracht hatten. Er ließ einen wohligen Laut hören.

      „Ein Labsal!“ rief er und setzte das Mundstück ab. „Gutes Wasser! Dort, wo wir die Burg Jerusalem errichten, werden wir genauso gutes Wasser haben. Ich spüre es, der Herr läßt es mich wissen.“

      „Es ist Quellwasser, Erhabener“, sagte der Dritte Jünger. „Wir haben eine Quelle entdeckt. Der Herr muß uns geführt haben.“

      „Sicher hat er das“, sagte Webster von oben herab. „Schließlich habe ich um seine Hilfe gebetet. Nach allem, was die Satansmächte uns angetan haben, ist der Herr uns nun mehr als wohlgesinnt.“

      „Nehmt, Erhabener“, sagte der Vierte Jünger und streckte ihm ein Tuch entgegen, in dem gut zwei Dutzend, dunkelgrüne Früchte von etwa Birnengröße lagen. Allerdings hatten die Früchte eher die Form von Eiern.

      „Was ist das?“ fragte Webster stirnrunzelnd und nahm eine der Früchte in die Hand. Das grüne Ding fühlte sich kühl und verheißungsvoll an. Bestimmt war es wundervoll saftig.

      „Wir wissen es nicht“, erwiderte der Vierte Jünger. „Aber der Herr hat uns zu einem Baum geführt, der voll davon ist.“

      „Dann kann es nur etwas Gutes sein“, sagte Webster und biß mit der unversehrten Seite seiner Zähne zu. Er nahm einen großen Bissen und begann vorsichtig zu kauen.

      Im nächsten Moment erstarrte er.

      Das Zeug schmeckte wie feuchtes Mehl.

      Mit einem wütenden Laut spie er es aus. Er sprang auf und schleuderte die angebissene Frucht auf den Vierten, dem sie über der Nasenwurzel zu einem breiigen Pfannkuchen zerplatzte. Der Jünger schrie, wollte sich herumwerfen und fliehen.

      Aber Websters erster Fußtritt traf das Tuch mit den Früchten. Die grünen Mehleier wirbelten hoch und ergossen sich in einem Schwall über den Jünger. Er schrie erneut, denn er wußte, daß dies nur ein Vorgeschmack der Hölle war.

      Und richtig.

      Websters Fußtritte schleuderten ihn zwei Yards weit über den Sandboden. Unter seinem Körper zermalmte er ein paar der Mehlfrüchte zu Brei. Webster hörte nicht auf, dem Schreienden in den Hintern zu treten.

      „Du hast dich vom Satan leiten lassen!“ brüllte der Erhabene mit deutlichem Lispeln. Wieder und wieder trat er zu. „Du hast es gewußt, und du hast dich nicht dagegen aufgelehnt!“

      „Nein, Erhabener“, wimmerte der Jünger und barg den Kopf zwischen den Händen. „Es war keine Absicht, wirklich nicht!“

      „So?“ schrie Webster und ließ einen erneuten Hinterntritt folgen. „Weshalb hast du dann die Früchte nicht vorgekostet, wie es sich für einen guten Jünger gehört?“

      „Mir tut alles weh“, jammerte der Vierte. „Mein ganzer Körper schmerzt. Da habe ich nicht daran gedacht …“

      Webster beendete seinen Redeschwall mit einem neuen Fußtritt.

      „Ach nein!“ rief er voller Empörung. „Und was soll ich sagen? Daran, wie elend es mir geht, hast du nicht gedacht, wie? Statt dessen hast du nichts Besseres zu tun, als einen satanischen Schabernack an mir auszuprobieren!“

      „Nein!“ heulte der Vierte Jünger. „Nein, das wollte ich nicht! Ich schwöre es!“

      Webster trat abermals zu.

      „Hüte dich, einen Schwur auf Teufelswerk auszubringen! Dir könnte die Zunge daran verdorren.“

      Nur die beiden Jünger mit den Umschlägen hinderten ihn daran, weiter seine Wut an dem glücklosen, Früchtesammler auszulassen. Und die Schmerzen, die er durch seine eigenen heftigen Bewegungen wieder wachrief, mahnten Webster, daß er sich jetzt erst einmal pflegen lassen mußte.

      Der Dritte Jünger half dem Vierten auf, und beide zogen sich in respektvollen Fünf-Schritte-Abstand zurück. Webster setzte sich


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