Seewölfe Paket 12. Roy Palmer
gar nicht. Wenn die Kerle wirklich Schußwaffen hatten, dann würden sie damit nur Unheil anrichten.
Fast bereute Hasard schon dieses Versprechen, da schaltete sich Dan O’Flynn ein, der hinzugetreten war und die letzten Sätze der Unterredung gehört hatte.
„Du kannst den Burschen ruhig auch zwei Fässer Pulver versprechen, Sir“, sagte er und grinste. „Ich habe gerade die Musketen und Pistolen gesehen, die im Gemeinschaftshaus aufbewahrt werden. Damit kann niemand mehr einen Krieg gewinnen. Die Dinger funktionieren ganz gewiß nicht mehr, denn die Schlösser und Hähne sind total eingerostet und durch die feuchte Dschungelluft völlig verdorben.“
„Gut, Dan“, sagte Hasard und atmete innerlich auf, ohne das jedoch die Eingeborenen merken zu lassen.
Jetzt meldete sich der Dolmetscher, der offensichtlich recht stolz auf seine spanischen Sprachkenntnisse war, zu Wort.
„Wir sind einverstanden“, erklärte er. „Ein Faß Pulver, und wir sagen, wie Ameisen tot.“
Hasard vollführte eine erfreute Geste. Dann erwiderte er: „Noch ein Faß Pulver, wenn ihr uns helft, die Vorräte zu ersetzen, die durch die Ameisen zerstört worden sind.“
Die Mitteilung Dan O’Flynns hatte ihn großzügig werden lassen, obwohl er sich bewußt war, daß dieses Angebot im Hinblick auf die unbrauchbar gewordenen Waffen der Indianer nicht unbedingt seriösen kaufmännischen Gepflogenheiten entsprach. Gleichzeitig sagte er sich jedoch, daß die Burschen mit funktionsfähigen Waffen und dem dazugehörigen Pulver doch nur Probleme heraufbeschworen hätten. Er bereitete sich deshalb auch keine Gewissensbisse über sein Angebot und versprach gleichzeitig noch einige Werkzeuge sowie ein paar Beile und Messer.
Die Indianer brachen in ein wildes Freudengeheul aus. Wie der Dolmetscher sogleich übersetzte, war man mit diesem Angebot auch vollauf zufrieden. Die gute Stimmung war augenblicklich wiederhergestellt. Einer der Dorfältesten rief sofort den Frauen an der Feuerstelle einige Worte im Befehlston zu. Wahrscheinlich hatte er sie aufgefordert, sich mit dem Braten des Wasserschweins zu beeilen.
Trotz der erfreulichen Entwicklung der Verhandlungen vergaß der Profos der „Isabella“ nicht, ab und zu einen schrägen Blick zu den Frauen hinüberzuwerfen, die am Feuer hantierten.
„Und wenn ich auf einem wilden Wasserschwein zur ‚Isabella‘ zurückreiten muß“, bemerkte er entschlossen, „ich werde auf jeden Fall keinen Bananenbrei anrühren. Lieber lasse ich mich von des Teufels Großmutter zum Abendessen einladen.“
Derselbe Mann, der die Frauen zu größerer Eile aufgefordert hatte, wandte sich an einige seiner Stammesgenossen, die sich vorsichtig genähert hatten.
Offensichtlich erteilte er irgendwelche Befehle, denn unmittelbar danach sagte der Dolmetscher: „Wir werden euer Boot beladen. Es gibt viele Früchte und auch viel Fleisch. Wir haben getrockneten Fisch, Wasserschweine, entgiftete Maniokwurzeln und Bananen.“
Der Seewolf nickte zufrieden, und die Eingeborenen, die soeben ihre Anweisungen erhalten hatten, stoben in Windeseile auseinander, um die Nahrungsmittel herbeizuschaffen.
Hasard wies auf sein Hauptanliegen. „Wann werdet ihr uns zeigen, wie wir die Ameisen vernichten können?“
Der Wortführer wandte sich sofort an den Häuptling, einen alten Mann mit faltigem Körper und langem, ergrautem Haar.
Einige Sätze wurden ausgetauscht, dann sagte er: „Die Nacht ist nicht mehr weit. Wenn sie vorbei ist und die Sonne über dem Fluß steht, bringen wir Pflanzen, und Ameisen sind bald tot. Diese Worte sind Wahrheit. Wenn ihr wollt, werden zwei Männer von uns euch zum Schiff begleiten.“
Hasard begriff sofort. Man wollte zwei Männer als Pfand mitschicken, um zu zeigen, daß man seine Versprechungen auch einhalten würde.
Der Seewolf schüttelte den Kopf.
„Nicht nötig“, sagte er. „Ich glaube euch. Ich halte euch für Männer, die ihr Wort halten – wie auch ich mein Versprechen halten werde. Wenn ihr morgen in der Frühe erscheint und uns helft, die Ameisen zu vertreiben, dann werden wir euch das Pulver und die anderen Sachen übergeben.“
Diese Worte lösten abermals ein erregtes, aber sichtlich zufriedenes Gespräch unter den Eingeborenen aus. Sie nickten immer wieder eifrig, um ihr Einverständnis zu zeigen. Ein wenig schienen sie auch über das ungewohnte Vertrauen erstaunt zu sein, daß die fremden weißen Männer ihren Versprechungen entgegenbrachten.
Gleich darauf begann das Mahl. Große Stücke des gebratenen Wasserschweins wurden auf Pflanzenblätter gelegt und den Seewölfen gereicht. Bananenbrei war zur allergrößten Zufriedenheit des Profos’ nicht dabei. Somit hielten sich die Männer auch nicht zurück, ordentlich zuzugreifen.
Die Atmosphäre wirkte entspannt, und beide Seiten – die Indianer wie auch die Seewölfe – sammelten erneut die Erfahrung, daß Mißverständnisse nicht unbedingt mit Waffengewalt bereinigt werden müssen, sondern sich auch durch Gespräche beseitigen lassen – auch wenn es Gespräche mit „Händen und Füßen“ sind.
Noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit verließen die Seewölfe die Indianer, die zum Stamm der Tupinambá gehörten. Das Dorf, das die Eingeborenen „Icoraci“ nannten, lag nicht sehr weit vom Fluß entfernt, und die Männer stiegen schon bald in ihr vollbeladenes Boot.
Als sie die „Isabella“ erreicht hatten, vertäuten sie es so, daß die gefräßigen Insekten, die sich noch immer an Bord ihres Schiffes aufhielten, nicht an den neuen Proviant herankonnten.
10.
Als der neue Tag anbrach, atmeten die Seewölfe auf, denn eine lange, qualvolle Nacht lag hinter ihnen. Sie würden das unaufhörliche Knistern und Knakken an Bord der „Isabella“ wohl bis zum Ende ihrer Tage nicht mehr vergessen.
Wie ihnen eine kurze Inspektion bewies, hatten sich die Feuerameisen in den Nachtstunden bemüht, auch noch die allerletzten Lebensmittelreste zu fressen. Nichts, was die Männer an Bord bisher versucht hatten, war geeignet gewesen, diese gefräßigen Biester zu vertreiben.
Hasard ertappte sich immer wieder dabei, daß er den Flußlauf hinaufblickte. Noch nie hatte er Indianer so sehnlich erwartet wie an diesem Tag. Obwohl sich von Zeit zu Zeit geringe Zweifel einstellten, war er dennoch davon überzeugt, daß die Eingeborenen, mit denen sie sich nach einer wilden Prügelei am gestrigen Spätnachmittag geeinigt hatten, ihr Wort halten würden.
Er hatte bisher nie den Fehler begangen, fremde Völker mit anderen Sitten und Gebräuchen als unzivilisierte Wilde anzusehen. Er behandelte sie, wo es ging, als Partner, und die Resultate gaben ihm immer wieder recht.
Die Seewölfe wurden auch diesmal nicht enttäuscht.
Die Sonne stand noch keine Stunde am Himmel, da tauchten zwei der langen, schmalen Boote der Indianer an der Flußbiegung auf und hielten auf die „Isabella“ zu.
„Na endlich“, sagte Ben Brighton, der neben Hasard auf dem Achterdeck stand, und seine Stimme klang erleichtert.
Der Profos, der gerade mit dem längst von seinem Landausflug zurückgekehrten Sir John auf der linken Schulter von der Kuhl zum Achterdeck aufenterte, blickte ebenfalls erwartungsvoll den Booten entgegen.
„Hoffentlich hilft das versprochene Zeug auch“, sagte er, „sonst fallen die Biester noch über uns her oder fressen gar noch unsere Lady.“
„Ich bin zuversichtlich“, erwiderte Hasard. „Wenn die Indianer es verstehen, diese Insekten auf eine so raffinierte Art und Weise auf unser Schiff zu locken, dann sollte es mich sehr wundern, wenn sie nicht auch ein wirksames Gegenmittel kennen. Lassen wir uns überraschen, Ed. Gleich werden sie hier sein.“
Wenig später hatten die beiden Boote, die mit je drei Indios besetzt waren, die „Isabella“ erreicht.
Nachdem die Eingeborenen an Bord geklettert waren, zeigte ihnen Hasard die beiden versprochenen Pulverfässer sowie einige Beile, Messer und andere Werkzeuge,