Seewölfe Paket 12. Roy Palmer
Ed.“
„Na, wenn du es sagst, will ich es glauben. Aber – pfui Teufel – ich rühre in meinem ganzen Leben keine Banane mehr an. Und wehe, wenn ich den Kutscher einmal dabei erwische, daß er irgend etwas in seine Bratpfannen streut, was wie Pulver aussieht, dann …“
Die weiteren Worte des Profos’ gingen im Gelächter der Männer unter, die sich inzwischen von ihrem Schock erholt hatten.
Das also war das Geheimnis der wracken Galeone! Mit Sicherheit würden ihnen das Schiffsgerippe und der Ahnenkult der Eingeborenen noch lange Zeit Gesprächsstoff während einsamer Deckswachen bieten.
Doch die beiden braunen Männer fanden hier absolut nichts zum Lachen. Ihre Forderung lautete nach wie vor: „Pulver!“
Aber Hasard schüttelte energisch den Kopf.
„Nein!“ sagte er. „Das Pulver ist für euch zu gefährlich. Wenn ihr tatsächlich über Schußwaffen verfügt, dann würdet ihr euch damit gegenseitig ausrotten. Ich bin gern bereit, euch einige nützliche Werkzeuge wie Äxte und Messer zu überlassen, das ist sinnvoller.“
Hasard vertrat seinen Entschluß mit absoluter Bestimmtheit, und allein seine Stimme ließ erkennen, daß es daran nichts, aber auch gar nichts zu ändern gab.
Das schien jedoch die beiden Indianer aus der Ruhe zu bringen. Sie begannen augenblicklich in ihrer kehligen Sprache zu brüllen und zu toben, schwangen drohend die Fäuste und fuchtelten mit ihren langen Blasrohren herum.
Unwillkürlich schlossen die Seewölfe einen Kreis um die beiden, um eingreifen zu können, falls einer auf dumme Gedanken verfallen sollte. Schließlich war die verheerende Wirkung der Blasrohre mit ihrem todbringenden Inhalt nicht zu unterschätzen.
Immer wieder fiel das spanische Wort für Pulver, und schließlich erklärte der Wortführer der beiden frank und frei, daß man sich viele Tsantas holen würde, falls sie kein Pulver erhielten. Er unterstrich diese Drohung mit eindeutigen Handbewegungen.
Das wurde nun dem Profos endgültig zu viel.
„So eine Frechheit!“ brüllte er. „Was glaubt ihr beiden Sumpfhühner wohl, was ihr euch bei uns an Bord alles erlauben könnt, was, wie?“
Ehe sich die beiden versahen, hatte sie der bullige Profos gepackt und hievte sie wie zappelnde Puppen über das Schanzkleid. Augenblicklich landeten beide in ihrem schaukelnden Boot.
„So, ihr Knochenfresser“, setzte der Profos noch hinzu, „wenn ihr euch noch einmal hier blicken laßt, werde ich aus euch beiden Pulver herstellen, und zwar so viel, daß ihr damit gegenseitig eure Affenärsche wegschießen könnt.“
Die beiden Indianer bedachten die Männer an Bord der „Isabella“ mit haßvollen Blicken und wüsten Drohungen, als sie mit ihrem Boot davonpaddelten. Doch sie fuhren nicht in die Richtung, aus der sie erschienen waren, sondern hielten direkt auf das nahe Ufer zu. Dort verschwanden sie für kurze Zeit im Gebüsch, schleppten eine Unmenge große Steine in ihr Boot und paddelten wieder den verwundert dreinblickenden Seewölfen entgegen.
„Jetzt wollen die uns wohl mit Steinen bewerfen“, bemerkte Ben Brighton und setzte den Kieker ab. „Das ist doch wohl der Gipfel der Dreistigkeit!“
„Ha! Dann werfe ich mit Kanonenkugeln zurück“, prophezeite der Profos.
Doch es sollte nicht zu diesem wunderlichen Kampf kommen, denn wie die plötzlichen Aktivitäten der beiden Eingeborenen bewiesen, sollten die Steine ganz anderen Zwecken dienen, Zwecken, die der Crew der „Isabella“ vorerst noch völlig rätselhaft und unerklärlich blieben.
Die beiden braunen Burschen schleuderten zwar einige Steine zur „Isabella“ hinüber, warfen sie dann jedoch lediglich ins flache Wasser und steuerten dabei ihr Boot zum Ufer zurück.
Niemand konnte sich erklären, was das zu bedeuten hatte. Manche hielten die beiden Eingeborenen für verrückt, weil sie Steine ins Wasser fallen ließen, bis sie am Ufer angelangt waren. Wenig später paddelten sie flußaufwärts und verschwanden bald aus den Augen der Seewölfe.
„Hoffentlich haben sie sich jetzt durch die Steinwerferei abreagiert“, bemerkte Ferris Tucker.
Hasard beschloß, jetzt, da die Dunkelheit mit tropischer Geschwindigkeit hereinzubrechen begann, die Nacht hier zu verbringen. Am nächsten Morgen sollte das Schiff den Fluß verlassen, um über die Baja de Marajo ins offene Meer zu segeln.
Noch ahnten die Männer an Bord der „Isabella“ nicht, daß sich ihre Abreise verzögern würde.
7.
Auch in der Nacht ließ die feuchte, schwüle Luft, die auf dem Fluß und dem Dschungel lastete, das Atmen zur Qual werden. Die meisten Männer der „Isabella“-Crew verfielen in einen unruhigen Schlaf, aus dem sie in kurzen Abständen immer wieder schweißgebadet erwachten.
An das Geschrei der Brüllaffen und die unzähligen anderen Geräusche, die aus dem nahen Dschungel herüberdrangen, hatten sie sich längst gewöhnt. Nur die dicke, schwüle Luft, die man fast in Scheiben schneiden konnte, und die wie eine Decke aus Blei über dem Regenwald lag, setzte ihnen zu.
Erst ein kurzes, aber heftiges Tropengewitter, das plötzlich heraufgezogen war, brachte durch seine Regenschauer einen Hauch von Abkühlung, der aber so schnell wieder verschwand wie der grollende Donner und die zuckenden Blitze, die zeitweise die „Isabella“ und ihre nähere Umgebung in grelles, gespenstisches Licht tauchten.
Mitternacht war vorüber, und das Tropengewitter hatte sich wieder verzogen. Nur noch vereinzelt war ein kraftloses Donnern aus der Ferne zu hören.
Bald war wieder Ruhe eingekehrt. Die Nacht, die über dem Fluß und den riesigen Urwäldern des südamerikanischen Kontinents lag, nahm ihren Verlauf wie wohl seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden.
Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Obwohl die Wachen wegen des Vorfalls mit den Indianern ihre Aufgaben sehr genau nahmen, gab es nichts Auffallendes zu entdekken. Auf dem Fluß blieb alles still. Auch an den nahen Waldrändern, die sich bis zu den Ufern des Flusses hinzogen, ereignete sich nichts. Alles schien völlig normal zu sein.
Lange Zeit nach Mitternacht glaubten jedoch einige Männer, die sich unruhig im Schlaf hin und her wälzten, ein Knistern und Knacken zu hören. Es schien aus allen Richtungen zu ertönen, als lebe das Schiff. Es hörte sich nicht an wie das Knacken im Rumpf, an das wohl jedes Seemannsohr gewohnt war, sondern ganz anders, viel merkwürdiger.
Doch die Männer, die die Nacht im Mannschaftslogis verbrachten, schenkten diesen Geräuschen im Schlaf oder Halbschlaf keine besondere Aufmerksamkeit, zumal es zeitweise kaum noch zu hören war, weil es vom Gebrüll der Aluates übertönt wurde.
Sam Roskill, Bob Grey und Dan O’Flynn, die Deckswachen, die es zeitweilig hören konnten und das Schiff und seine Umgebung im Auge behielten, vermochten jedoch nichts zu entdecken.
„Ich glaube, unter dieser Höllenhitze leidet sogar unsere Lady“, sagte Bob Gray flüsternd zu Sam Roskill. „Ich bin froh, wenn wir morgen wieder hinaussegeln. Da gibt es wenigstens ab und zu eine frische Brise.“
An das merkwürdige Knistern und Knacken, das die „Isabella“ umgab, hatten sich die Wachen bereits gewöhnt, als der erste graue Schimmer den neuen Tag ankündigte. Man gewöhnte sich an alles, an die lästigen Moskitos, an die Geräusche des Regenwaldes und selbst an die fürchterliche, drückende Hitze. Was war dagegen schon ein leises Knistern und Raunen!
Erst am nächsten Morgen sollten die Männer an Bord der „Isabella“ bemerken, daß man sich niemals voreilig an etwas gewöhnen durfte.
„Heiliger Bimbam“, stöhnte der Kutscher und schlug entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen. „Das darf doch nicht wahr sein, nein, o nein …“
Das Gesicht des Kochs und Feldschers der „Isabella“ wurde augenblicklich blaß. Dann fuhr der dunkelblonde, etwas schmalbrüstige Mann herum und jagte an Deck, als seien tausend Taufel