Seewölfe Paket 12. Roy Palmer

Seewölfe Paket 12 - Roy Palmer


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beispielloser Geizkragen gewesen, dessen Tun und Denken nur von dem Gedanken an einen möglichst hohen Profit beherrscht worden war. Die Besatzung seines Schiffes hatte er wie Tiere behandelt – wie rechtlose, unnütze Sklaven, die kaum zu essen, aber viel zu arbeiten hatten.

      Aber nicht nur das war es gewesen, was Alfredo Fernandez dazu veranlaßt hatte, eine Meuterei anzuzetteln. Ihm war schließlich gleichgültig, ob die Besatzung satt zu essen hatte oder nicht. Als Offizier war er von diesem Problem ohnehin nicht berührt worden.

      Was ihn dazu getrieben hatte, Pedro Morena ein Messer in die Brust zu stoßen, war die Gier nach Macht, Ansehen und Reichtum gewesen. Deshalb hatte er zugestoßen, als sich die Gelegenheit geboten hatte und er sich der Unterstützung einiger Getreuer sicher gewesen war.

      Innerhalb kürzester Zeit war aus der „Esmeralda“ ein Piratenschiff geworden, das hinterhältig auf fette Beute lauerte.

      In letzter Zeit hatte er vorwiegend in der Karibischen See unter den Eingeborenen geraubt, gemordet und geplündert. Dazwischen hatte er sich mit spanischen oder portugiesischen Kauffahrern angelegt. Zuweilen sogar mit kleineren spanischen Schiffen, die im Auftrage Seiner Allerkatholischsten Majestät, König Philip II., unterwegs waren, um das, was sie bei den Eingeborenen des südamerikanischen Kontinents geplündert hatten, in die Heimathäfen zu bringen.

      Natürlich war das alles nicht spurlos an der „Esmeralda“ vorübergegangen. Einige Schäden waren jetzt noch deutlich am Rumpf und an den Aufbauten zu erkennen, zumal sie nur flüchtig ausgebessert worden waren.

      Aber auch die Besatzung des Piratenschiffes sah teilweise aus, als würde sie nur noch durch Flicken zusammengehalten. Dieser Schein trog jedoch, auch wenn es sich überwiegend um verwahrlost aussehende Gestalten der verschiedensten Nationalitäten handelte. Diese Männer waren zäh wie Piranhas, und man konnte ihnen auf eine Seemeile Entfernung ansehen, daß ihnen das Messer locker im Gürtel saß.

      Nur drei Männer der Mannschaft stammten noch aus der Zeit, in der die „Esmeralda“ ein Handelsschiff gewesen war und unter dem Befehl des geizigen Pedro Morena gestanden hatte. Die sechs übrigen waren nicht mehr am Leben. Vier davon hatten bei blutigen Enterkämpfen das Zeitliche gesegnet, und zwei hatte Alfredo Fernandez, der die Galeone mit eiserner Hand regierte, kurzerhand an der Großmarsrah aufknüpfen lassen, als der leise Verdacht entstanden war, daß sie auf eigene Faust agieren wollten, und zwar auf die gleiche Art und Weise, wie dies ihr Kapitän einst getan hatte.

      Einer der Männer, die mit Alfredo Fernandez noch unter Pedro Morena gefahren waren, war Alfonso Casal, damals Steuermann der „Esmeralda“.

      Der kleine, aber sehr kräftige und gefährlich aussehende Mann, war Fernandez sklavisch ergeben. Es war schwer zu erkennen, ob aus Bewunderung oder ganz einfach aus dem Druck heraus, unter dem er sich befand. Ihm gegenüber vermochte sich Fernandez mitunter als sehr großzügig zu erweisen, wahrscheinlich in dem berechnenden Bestreben, sich wenigstens die absolute Loyalität einiger weniger Männer zu erkaufen.

      Alfredo Fernandez winkte Alfonso, der jetzt die Position des Zuchtmeisters innehatte und zeitweilig auch als Steuermann fungierte, zu sich aufs Achterdeck.

      „Du weißt, um was es geht, Alfonso“, sagte er kurz. „Wir müssen unsere Lebensmittelvorräte ergänzen, und zwar möglichst um Früchte und Frischfleisch. Wir können nicht riskieren, die halbe Besatzung durch Skorbut zu verlieren. Das würde die Kampfkraft unseres Schiffes zu sehr schwächen.“

      „Natürlich, Señor Capitán“, sagte Alfonso. „Das ist völlig klar. Ich dachte mir das schon, als Sie Befehl gaben, diese Bucht anzulaufen. Wie viele Männer soll ich an Land schikken?“

      „Ich denke, es genügen sechs. Wir lassen ihnen einen ganzen Tag Zeit. Es ist noch kurz nach Tagesbeginn. Bis zum Einbruch der Dunkelheit können Sie einiges heranschaffen und im Boot lagern. Dort drüben im Dschungel und etwas weiter landeinwärts gibt es genug Früchte und auch jagdbares Wild. Sie sollen zusehen, daß sie auch einen oder zwei Tapire erwischen, die sind im Fleisch besonders ergiebig.“

      „Selbstverständlich, Señor Capitán“, erwiderte Alfonso Casal. Aus seinem Verhalten Alfredo Fernandez gegenüber hätte man schließen können, daß es sich bei diesem nicht um einen Piratenkapitän, sondern um einen echten spanischen Grande handele.

      „Die Kerle sollen sich gut bewaffnen“, fuhr Fernandez fort. „Wir werden sie bei Einbruch der Dunkelheit wieder an Bord nehmen. Inzwischen werden wir hier die Zeit nicht nutzlos vertrödeln, sondern einige Meilen weiter nordwestlich die große Bucht anlaufen, die Baja de Marajo genannt wird. Dort sind mehrere große und kleine Flußmündungen, und wir können einige Fässer Süßwasser aufnehmen. Vielleicht schließen wir sogar die Bekanntschaft anderer Reisender, wer weiß!“

      Alfonso Casal, der Profos der „Esmeralda“ grinste unverschämt. Er wußte, was sein Kapitän damit meinte. Die Besatzung mußte schließlich auf Trab gehalten werden, denn in den letzten sieben Tagen hatten die Männer genug gefaulenzt. Es wurde Zeit, daß sie mal wieder auf Vordermann gebracht wurden. Und an Spaniern und Portugiesen gab es in dieser Gegend keinen allzugroßen Mangel.

      Augenblicke später war die Stimme Alfonsos bis in den letzten Winkel der „Esmeralda“ zu vernehmen.

      „Los, hopp, hopp, ihr faulen Säcke! In den letzten Tagen habt ihr euch lange genug als nutzlose Fresser amüsiert. Jetzt geht’s mal wieder an die Arbeit. Fiert das Beiboot ab, nehmt genügend Waffen mit und seht zu, daß ihr was Brauchbares auftreibt. Bei Einbruch der Dunkelheit werdet ihr wieder an Bord genommen. Miguel, du hast die Verantwortung. Entfach den fünf anderen mal ein wenig Feuer unter das verlängerte Rückgrat.“

      Die fünf dafür vorgesehenen Männer unter der Führung von Miguel Camaro, einem vierschrötigen, brutalen Typ, der bereits sein halbes Leben auf Piratenschiffen verbracht hatte, verließen wenig später die „Esmeralda“ und pullten zur Sandbank hinüber.

      Sie waren bis an die Zähne bewaffnet mit Musketen, Pistolen, Buschmessern und Säbeln. Und sie verstanden auch, mit diesen Waffen umzugehen, denn sie gingen nicht das erste Mal an Land, um im Dschungel die Lebensmittelvorräte ihres Schiffes zu ergänzen.

      Zuweilen war es ihnen sogar gelungen, andere die Hauptarbeit für sich tun zu lassen, indem sie kleinere Ansiedlungen von Indianern und Buschmännern überfallen und das mitgenommen hatten, was die Eingeborenen gesammelt und erjagt hatten.

      Kaum hatte der Landtrupp das Beiboot auf die Sandbank gezogen, da hörten sie wieder das Gebrüll Alfonso Casals, der den Rest der Mannschaft auf Trab brachte.

      Sie kannten ihren Kapitän und auch seinen Profos. Sie wußten und hatten auch schon am eigenen Leibe erfahren, daß es für gewöhnlich besser war, sich nach diesen Männern zu richten, zumal es im Endeffekt immer wieder genug Beute für alle gab. Aber auch die neunschwänzige Katze an Bord der „Esmeralda“ hatte bisher wahrhaftig nicht als Zierstück gedient.

      Es dauerte nicht lange, und die „Esmeralda“ hatte die kleine, verschwiegene Bucht wieder verlassen und ihren ursprünglichen Kurs aufgenommen. Eine leichte Brise aus Südost trieb sie auf die breite Baja de Marajo zu, in die sie bald darauf hineinsegelte.

      Alfredo Fernandez, der gerade über eine alte, zerknitterte Seekarte gebeugt war, fuhr hoch, als der Mann im Ausguck plötzlich losbrüllte.

      „Deck!“ schrie er. „Señor Capitán! Ich sehe ein Schiff Backbord voraus.“

      „Was ist es für ein Schiff?“ rief der Kapitän zurück. „Los, verdammt, du Dreckskerl, reiß deine Augen auf!“ Gleichzeitig griff er nach dem Spektiv, um die Optik entsprechend einzustellen.

      „Noch schlecht zu erkennen“, antwortete der Mann im Großmars, „scheint aber eine Galeone zu sein.“

      „Halte die Augen weiterhin offen“, befahl Alfredo Fernandez und rief augenblicklich seinen Profos, Alfonso Casal, zu sich aufs Achterdeck.

      Eigentlich war Casal viel mehr als nur der Profos und zeitweilige Steuermann. Er war für Fernandez das Mädchen für alles. Nicht zuletzt deshalb, weil der Kapitän diesem Mann wenigstens halbwegs trauen konnte.


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