Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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      Ben Brightons zischende Stimme ertönte: „Sie sind wieder vor dem Schott, Hasard.“

      „Mist“, flüsterte der Seewolf. „Hau ab, Dan.“

      Das Bürschchen fluchte unterdrückt und schlängelte sich aus dem Mittelgang.

      Das Schott flog auf, und jetzt beleuchteten mehr als zwei Öllampen den Frachtraum. Und die Spanier hinter den Lampen waren bis an die Zähne bewaffnet – mit Piken, Messern, Pistolen und Musketen.

      „Halleluja!“ sagte Hasard. „Die Dons haben Sehnsucht nach uns. Ben, jetzt nicht angreifen. Wir haben die schlechteren Karten. Übersetz mir nur, was sie palavern.“

      „Sie wollen bei jedem von uns die Fesseln überprüfen“, sagte Ben Brighton. Dann blieb er still, weil ihm ein Spanier die Spitze einer Pike auf die Gurgel drückte und wütend etwas herunterrasselte.

      Sie gingen sehr methodisch vor. Zwei Spanier untersuchten jeweils die Fesseln eines Engländers, und zwei standen dabei und lauerten wie Luchse, ob einer der Gefesselten Lust verspürte, aufsässig zu werden.

      Dann erreichten sie den Seewolf. Einer der beiden Aufpasser war der Knebelbärtige. Er sah recht blaß aus, aber daß er vor Wut kochte, war auch nicht zu übersehen. Hasard empfing einen brettharten Fußtritt in die Nieren, einen in den Magen und einen zwischen die Rippen. Als der Knebelbärtige Anstalten zeigte, seine Tätigkeit zu Hasards Gesicht zu verlegen, bremste ihn ein anderer barsch und schoß dabei eine Kanonade spanischer Sätze heraus, die den Knebelbärtigen sichtlich beeindruckten.

      Noch mehr aber schien der Knebelbärtige von dem Gesichtsausdruck Hasards beeindruckt zu sein, dem er einen kurzen Blick zugeworfen hatte und prompt zwei Schritte zurückprallte.

      Denn der Seewolf hatte einen Ausdruck in seinem braungebrannten, scharfgeschnittenen Gesicht, vor dem selbst der Teufel Reißaus genommen hätte. Die beiden Augen, kalt wie Gletschereis und grellblau, stießen den Knebelbärtigen noch weiter zurück. Er bekreuzigte sich und stammelte dabei etwas.

      „Du seist der Teufel“, dolmetschte Ben Brighton und grinste über das ganze Gesicht, obwohl der Pikenmann herumwirbelte und drohend seine Waffe schwenkte.

      „Buh!“ machte Hasard und fletschte die Zähne.

      Der Knebelbärtige rannte davon, als säße ihm der Leibhaftige im Genick.

      Die anderen Spanier redeten wirr durcheinander. Der Mann, der den Knebelbärtigen gebremst hatte, fuhr dazwischen und gab eine Reihe von Befehlen.

      „Anscheinend der Leithammel“, sagte Ben Brighton. „Sie sollen dich an den Eisenring auf der Steuerbordseite fesseln.“

      Hasard lächelte, als ihn zwei Dons packten und durch einen Quergang zur Steuerbordseite zerrten. Sie hatten weitere Lederriemen bei sich und bewiesen, daß sie zumindest in der Kunst seemännischer Knoten Experten waren. Auf dem Bauch liegend wurde Hasard so an den Eisenring gefesselt, daß die Schlinge um seinen Hals ihn strangulieren würde, wenn er sich bewegte.

      Der Spanier, der die Befehle gab, beugte sich über ihn und sagte in gebrochenem Englisch: „Teufel so bändigen – krrgggs! Kehle zu, verstehen?“

      „Kapiert, Don Alfonso“, sagte der Seewolf.

      „Nix Alfonso, ich Capitan Miguel Lopez Luis Velasco Sanz y Diaz de Pordenone.“

      „Aha“, sagte Hasard, „bißchen viele Namen, wie?“

      „Wie du heißen?“

      „Petrus“, sagte Hasard todernst. „Ich bin einer der männlichen Nachfahren des Apostels.“

      Der Capitan mit den vielen Namen wurde ziemlich rot im Gesicht. „Du – Engländer!“

      Er spie die beiden Worte aus, als habe er einen galligen Geschmack im Mund.

      „Nix Engländer“, sagte der Seewolf tadelnd, „mein Urahn Petrus war doch auch keiner, verstehst du das, du Rübenschwein, du Miguel Lopez und sonst wie noch.“

      Der Capitan stampfte mit dem Fuß auf, schoß Hasard einen giftigen Blick zu und wandte sich ab.

      „Der hat die Schnauze voll“, sagte Ben Brighton zufrieden.

      Aber alle Männer Hasards wurden noch einmal kontrolliert, dann erst verließen die Spanier den Frachtraum.

      „An die Arbeit, Dan O’Flynn“, befahl Hasard, „aber nicht bei mir. Die Dons haben meine Handgelenke doppelt und dreifach an den Eisenring gebunden. Nimm dir Smoky vor. Smoky, rutsch in den Mittelgang, damit Dan an dich heran kann.“

      „Aye, aye“, sagte Smoky, „aber ich hab hier ’n bißchen rumgefummelt und unter einem Sack ’ne rote Ratte gefunden.“ Er räusperte sich. „Die hat ziemlich spitze Zähne, die Ratte, spitzer als die von unserem Adler. Ich meine, Dan und ich könnten ja mal mit der Ratte ...“

      „Ich soll also ’ne lausige Ratte anfassen, wie?“ fauchte das Bürschchen.

      „Huhu, unser Kleiner hat Angst“, höhnte der Kutscher.

      „Halt’s Maul, du Bratpfannenschwenker“, sagte das Bürschchen giftig. „Smoky, bring das Biest mit und pack dich in den Mittelgang. Wenn die Zähne scharf genug sind, sollten wir es schaffen. Wir legen uns Rücken an Rücken, ich halte die Ratte, und du versuchst, deine Riemen an den Rähnen durchzuscheuern.“

      „Alles klar“, sagte Smoky.

      So leicht, wie sie sich das gedacht hatten, war es nun auch wieder nicht. Die Männer lauschten, wie die beiden sich gegenseitig einwiesen und Rücken an Rücken an eine Arbeit gingen, für die sie als einziges Handwerkszeug eine tote Ratte hatten.

      Sie mußten sich ganz auf ihr Tastgefühl verlassen. Das Bürschchen versuchte, die aufgesperrte Rattenschnauze so an die Riemen Smokys heranzubringen, daß der seine Fesseln auf einer Gebißreihe wie auf einer Säge hin und her reiben konnte.

      Sie fluchten beide um die Wette, keuchten und ächzten, waren innerhalb kurzer Zeit schweißgebadet und infolge ihrer verkrampften Haltung, in der sie arbeiten mußten, schnell erschöpft.

      Hasard hatte eine andere Idee.

      „Könntet ihr das Gebiß nicht als Zange benutzen?“ fragte er.

      „Und wie?“ erwiderte Smoky.

      „Ihr müßtet versuchen, vielleicht einen Riemen zwischen das Gebiß zu kriegen und es dann zuzudrücken. Am besten übernimmst du das, Smoky, du hast mehr Kraft in den Händen als Dan. Die Rattenzähne sind spitz, sie müßten zumindest kleine Löcher in das Leder bohren. Versucht es doch mal.“

      Die tote Ratte wechselte von Dan zu Smoky. Sie probierten eine Weile herum, bis Dan plötzlich sagte: „Jetzt, Smoky, ein Riemen sitzt genau zwischen den Zahnreihen.“

      Smoky preßte die beiden Kiefer der Ratte zusammen. Er hatte den Rattenkoopf zwischen den Handballen und drückte. Dabei spürte er, wie sich die dolchscharfen Zähne in das Leder gruben, bis sie auf den Gegenbiß stießen.

      „Ich bin durch“, sagte er.

      „Jetzt noch einmal dicht daneben, wenn es geht“, sagte Hasard, „und so immer weiter, bis dieser eine Riemen zerfasert ist. Dan sollte ihn dann eigentlich aufsprengen können.“

      Smoky hatte Mühe, das Gebiß wieder aufzukriegen. Er verschob es etwas, drückte es zusammen, öffnete es und wiederholte die mühsame Prozedur mehrere Male.

      „Na?“ fragte Hasard gespannt.

      „Klappt ganz gut“, sagte Smoky. „Soweit ich das fühlen kann, sind da schon ganz schöne Löcher im Riemen. Preß doch mal deine Handgelenke auseinander, Dan, mit ’nem kräftigen Ruck, Junge.“

      Dan holte tief Luft, krümmte sich etwas zusammen und spreizte ruckartig die Ellenbogen.

      Es knackte, und das Bürschchen sagte sehr zufrieden: „Ha!“

      „Was ist?“ fragte Smoky.


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