Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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Stimmung ist nichts weiter als eine trügerische Ruhe. Entweder steht uns ein höllischer Sturm bevor, oder es passiert etwas anderes.“

      „Ich kann mir denken, was das sein könnte“, sagte Don Juan ruhig. „Es sieht nach einem Seebeben oder einer Flutwelle aus.“

      Als Hasard nickte, meldete sich Roger Brighton aus dem Ausguck.

      „Treibender Gegenstand Steuerbord voraus!“

      Das „Ding“, das gleich darauf von allen gesichtet wurde, war ziemlich lang und von weißlichgrauer Farbe. Es wirkte schmutzig, und es trieb nur sehr langsam näher heran.

      „Ein Hai“, sagte Dan O’Flynn. „Das ist ein toter Hai. Anscheinend haben andere Fische ihn angefressen.“

      Dan O’Flynn hatte sich jedoch geirrt, wie sie gleich darauf alle deutlich sehen konnten.

      Der Hai war zwar tot, aber keinesfalls zur Beute anderer Fische geworden, wenn ihm auch die Haut in Fetzen herabhing. Es zeigten sich auch keine anderen Fische in seiner Nähe. Er war stellenweise buchstäblich gekocht worden, als sei er in einen riesigen Kessel mit heißem Wasser geraten.

      „Das gibt es doch nicht“, sagte Smoky heiser. „Das Biest sieht ja aus wie gekocht. Aber was hat ihn so zerfetzt?“

      „Heißes Wasser“, erwiderte der Kutscher lakonisch. „Paßt alles sehr gut zusammen. Irgendwo tief unter uns blubbert eine heiße Quelle, und ein kochender Ausläufer hat den Hai überraschend erwischt.“

      „Meinst du wirklich?“ Smoky sah den Kutscher ungläubig an.

      Der Profos wollte es genau wissen. Er nahm eine Pütz und schöpfte Seewasser an Bord. Erst warf er einen mißtrauischen Blick auf das Wasser, dann steckte er vorsichtig die Hand hinein.

      „Verdammt warm, die Brühe“, murmelte er betroffen. „So höllisch warmes Wasser habe ich im Meer noch nie erlebt.“

      Die anderen taten es ihm nach und gelangten zu der gleichen Feststellung. Das Wasser war ungewöhnlich warm. Dann starrten sie wieder zu dem Hai, der langsam vorbeitrieb. An manchen Stellen des schlanken Körpers hingen nur noch Hautlappen. Die Augen waren blind und unheimlich weiß.

      „Offenbar hängt das mit dem Vulkanausbruch zusammen“, sagte Smoky.

      Ein mächtiger Knall ließ sie herumfahren. Die Galeone wurde im selben Augenblick einmal kurz durchgeschüttelt.

      Das Meer tanzte plötzlich Reigen. In einer Entfernung von einer guten halben Meile wuchsen in langer Kette schaumige Säulen aus dem Wasser. Hallender Donner begleitete das seltsame Schauspiel. Zischen und Brodeln war zu hören. Neben den immer höher wachsenden Säulen bildeten sich große Wirbel. Sie begannen immer stärker um die Säulen aus Wasser und Dampf zu rotieren.

      „Jetzt wird es aber Zeit, daß wir verschwinden“, sagte Blacky. „Wenn die Säulen unter das Schiff wandern, fliegen uns die Planken um die Ohren.“

      „Möchte wissen, wohin du verschwinden willst“, brummte Carberry. „Das müssen wir durchstehen – so oder so.“

      Sie taten ihr möglichstes, um aus dem Bereich der aufsteigenden Wassersäulen zu gelangen. Es ging nicht, der Wind spielte nicht mit. Er wehte so schwach, daß die Segel kaum noch gebläht waren.

      Hilflos mußten sie mitansehen, wie das Meer zu kochen begann und sich immer höhere Säulen auftürmten. Unter lautem Zischen regneten sie ins Wasser zurück. Aber jetzt wurden die Erscheinungen immer häufiger von donnerartigem Knall begleitet. Auch die Heftigkeit der unterseeischen Eruptionen nahm zu.

      Einige der Säulen wanderten in Richtung Norden weiter und verloren sich dort. Nur die See blubberte noch.

      Eine Viertelstunde lang ging das so, bis die Eruptionen allmählich schwächer wurden und ganz ausblieben.

      Der Kutscher stieß hart die Luft aus.

      „Noch einmal gutgegangen. Das war unsere dritte Glückssträhne.“

      Erleichterung breitete sich aus, doch sie währte nicht lange. Tief unter ihnen gärte es. Es braute sich etwas zusammen, das ihnen noch lange unangenehm in Erinnerung bleiben sollte.

      Diesmal geschah es ohne weitere Vorankündigung.

      Im Osten stieg ein greller Blitz hoch. Die Luft wurde so stark erschüttert, daß ihnen die Ohren schmerzten und sekundenlang die Luft wegblieb. Wasser, Dreck und grelles Feuer stiegen immer höher in die Luft. Das Meer zitterte und bebte. Anfangs kleine, dann immer größer werdende Wellen bewegten sich ringförmig von dem Pilz weg.

      Ein zweiter Donnerschlag erschütterte die Welt. Schlackenbrocken von ungeheuren Ausmaßen wurden emporgeschleudert. Gleichzeitig nahm die Feuersäule an Umfang zu. Ihre Gewalt zerhieb das Meer, teilte es an jener Stelle und breitete sich noch weiter aus.

      Die See spie Magma in erschreckender Masse aus, immer höher, immer dichter, bis die Säule aus Glut und Dreck unwahrscheinliche Ausmaße annahm. Sie war jetzt von dunkelbrauner schmutziger Farbe. Oben breitete sich ein Pilz aus, der giftige Gase in die Luft stieß.

      Neben dem ersten wuchs ein zweiter Kegel aus dem Meer. Millionen Tonnen Schießpulver schienen dort zu explodieren. Jetzt wurden auch Qualm und Rauch immer dichter und sorgten dafür, daß das diffuse Dämmerlicht noch unheimlicher wurde.

      Die ersten Ausläufer einer unterseeischen Stoßwelle rollten fast gespenstisch lautlos heran und erreichten die Galeone.

      Die „Santa Barbara“ wurde angehoben, ein Sog erfaßte sie und trieb sie mit unheimlicher Gewalt fort. Die zweite Stoßwelle ließ sie hart überkrängen. Im Schiffsrumpf war ein Kreischen zu hören. Irgendwo begannen Gegenstände zu rollen. Die „Santa Barbara“ krängte wieder in Normallage zurück, erhielt aber sofort den nächsten Stoß, der sie noch härter traf. Diesmal verschwand ihr Bug übergangslos in der See.

      Wilde und gefährliche Kreuzseen entstanden. Die Strömung riß und zerrte an der Galeone, der Sog schob sie rasch nach Südwesten.

      Jeder suchte krampfhaft nach einem Halt, um nicht unversehens über Bord zu gehen.

      Mittlerweile war es fast dunkel geworden. Immer noch brüllten gewaltige Feuersäulen donnernd ihr vernichtendes Lied.

      Noch unheimlicher wurde es, als die Masten zu zittern begannen, der Rumpf ächzte und das Tauwerk mit den Blöcken knarrte. In den Planken knackte es immer wieder.

      Im Meer wurde eine Insel geboren, und die Natur gab sich alle Mühe, dieses Ereignis auch entsprechend mit Feuer und Donner zu verkünden.

      Die mächtige Magmasäule schickte einen Luftzug nach allen Seiten, der sich aus weiter Ferne wie ein dumpfes Singen anhörte, dann aber zu einem scharfen Pfeifen und Zischen wurde.

      In wildem Rhythmus hob und senkte sich die Galeone, oder sie wurde von einer Seite zur anderen geworfen.

      Als das brüllende Monstrum eine Höhe von mehr als einer Meile erreicht hatte und immer noch nicht abzusehen war, wann es aufhören würde, so fürchterlich zu wachsen, explodierte die erste Säule in sich selbst.

      Sie zerbarst in einem Feuerregen, den ein wild emporschießender glühender Gasball blitzschnell weiter nach oben trieb.

      Am Himmel schienen plötzlich Sterne zu funkeln.

      „Unter Deck!“ brüllte der Seewolf. „Alle Mann unter Deck!“

      Das Ding ähnelte jetzt einem feurigen Kometen, der auf das Meer zuraste und dabei Millionen kleiner Glutbrocken verschleuderte. Der eigentliche Glutkern zerbarst unter Donnergetöse noch einmal und verzierte die Himmelschwärze mit dunklem Rot.

      Jetzt fauchte der Segen aus allen Richtungen heran.

      Beim Anblick dieser unvermeidlich auf die Galeone auftreffenden Brocken wurde auch den abgebrühten Seewölfen mehr als mulmig zumute. Einen Gegner hätten sie nicht gefürchtet und sich zum Kampf gestellt.

      Aber das hier war kein Gegner, es war ein Naturereignis, und dagegen gab es keinen


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