Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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Tag begann mit einer Entdeckung, die niederschmetternd war, als sich Hasard auf dem Achterdeck umschaute. Überall sah er Brandlöcher im Holz, aber das war es nicht, was ihn so entsetzte. Das Schiff war übersät mit den Dingern.

      Ungläubig starrte er auf das Kompaßhäuschen. Das war nur noch ein kleiner Trümmerhaufen und bestand aus ein paar Brettern, die auf die Planken genagelt waren.

      Der Kompaß war zerschmettert und absolut unbrauchbar. Ein kleiner Magmabrocken mußte ihn getroffen und zerstört haben.

      „Was ist, Sir?“ fragte Dan, als er Hasards betroffenes Gesicht sah.

      „Der Kompaß ist zerstört worden. Es sind nur noch ein paar Glasscherben übrig.“

      Dan O’Flynn schluckte hart. Er sah ebenfalls auf die Trümmer.

      „Tatsächlich“, murmelte er mit zuckenden Lippen. „Damit können wir wirklich nichts mehr anfangen. Und was jetzt?“

      Die Nachricht von dem zerschmetterten Kompaß sprach sich schnell herum. Einer nach dem anderen erschien auf dem Achterdeck, um sich den Schaden anzusehen.

      „Ausgerechnet der Kompaß“, stöhnte Ben Brighton. „Ohne den sind wir hilflos wie ein Neugeborenes.“

      Don Juan, der hochgewachsene Spanier mit den schmalen Hüften, den breiten Schultern und dem kühn geschnittenen Gesicht, sah das als nicht ganz so schlimm an.

      „Keine Sorge“, meinte er. „Auf den spanischen Schiffen ist es üblich, daß nicht nur ein Kompaß an Bord ist. Auf der ‚Isabella‘ haben wir ja auch mehrere Exemplare für den Notfall. Wir werden in irgendeiner Last schon einen anderen finden. Wenn nicht, befindet er sich in der Kapitänskammer. Außerdem dürfte im Beiboot noch ein kleiner Kompaß sein.“

      „Dann sehen wir lieber gleich nach“, riet Hasard. „Ein Schiff ohne Kompaß ist wie – äh …“

      „Eine Kneipe ohne Bier“, half der Profos aus.

      „Ja, du hast es wieder mal genau getroffen.“

      Es gab zwei Jollen an Bord, die kieloben lagen und festgezurrt waren. Schon das gab Hasard zu denken, denn die Jollen waren ganz sicher nicht so gut ausgerüstet wie die der „Isabella“.

      Die Zurrings wurden gelöst, und die erste Jolle umgedreht.

      „Leer“, sagte Ferris Tucker überflüssigerweise. „Nicht mal einen kleinen Notkasten haben die Dons in die Jolle gebaut.“

      Vor der zweiten, etwas größeren Jolle, standen sie dann ebenfalls mit ratlosen Gesichtern herum. Auch in ihr befand sich nichts, nicht einmal die Riemen, die man gut hätte anbringen können.

      „Sehr enttäuschend“, meinte der Seewolf. „Weiß der Teufel, wie lange die Galeone schon im Hafen lag. Vermutlich sehr lange, sonst hätte man die Ausrüstung in den Jollen gelassen.“

      Don Juan ging nach einem kurzen Blick weiter nach achtern.

      „Noch ist nichts verloren“, meinte er über die Schulter hinweg. „Wir werden schon noch einen Kompaß auftreiben.“

      „Optimismus hat er ja“, sagte Shane, „aber ob seine Landsleute auch so gedacht haben?“ Er strich sich mit der Hand mißmutig durch den grauen Bart und befühlte besonders intensiv jene Stellen, wo die Funken seiner Manneszier so übel mitgespielt hatten. Da war doch, verdammt noch mal, einiges versengt.

      Hasard folgte Don Juan. Dan marschierte ebenfalls hinterher.

      „Seht inzwischen mal in den anderen Räumen nach“, sagte Hasard. „Dabei lernen wir auch gleichzeitig das Schiff etwas näher kennen. Im Augenblick haben wir Zeit dazu.“

      Nachdem sie das Schott der Kapitänskammer geöffnet hatten, blieben sie mitten in dem Raum stehen und sahen sich um.

      Es gab die üblichen eingebauten Schapps, eine breite Koje mit Vorhang, ein ausladendes Schreibpult und zwei Teppiche, die auf den Boden genagelt waren, damit sie nicht verrutschten.

      „Schon lange nicht mehr gelüftet worden“, stellte der Seewolf fest. „Fast scheint mir, als sei die Kammer mal vor langer Zeit bewohnt gewesen. Die Kapitäne haben wahrscheinlich an Land übernachtet.“

      Sie öffneten jedes Schapp, blickten unter die Koje in das Schapp, aber darunter befanden sich nur ein paar modrige Flaggen.

      Sie trieben noch zwei spanische Uniformen auf, ein paar Hemden und Hosen sowie ein paar Schriftstücke, mit denen sich nicht viel anfangen ließ.

      „Auch kein Ersatzkompaß“, sagte Hasard enttäuscht.

      „Und nur wenige Karten“, fügte Dan O’Flynn hinzu. „Im Pult sind ein paar alte und ungenaue Dinger von der Westküste Yucatáns. Da sitzen wir ganz schön in der Klemme, wenn wir nicht noch woanders fündig werden.“

      Die drei Männer sahen sich enttäuscht an.

      „Na ja, den Himmel auf Erden haben wir auch nicht erwarten können bei unserer überstürzten Abreise“, meinte Hasard. „Klar, daß da nicht ein vollausgerüstetes Schiff mit allen Schikanen vor unserer Nase lag. Das wäre auch zu einfach gewesen. Ich bin gespannt, was die anderen Räume hergeben.“

      Damit begann die eigentliche Inspektion der „Santa Barbara“, die sich über Stunden hinzog.

      „Bis auf ein paar leichte Schäden scheint sie gut in Schuß und sehr seetüchtig zu sein“, meldete der Schiffszimmermann Ferris Tucker. „Wie das Holz allerdings von unten aussieht, kann ich noch nicht beurteilen. Das müssen wir später einmal feststellen.“

      Sie trieben immer noch in diesem diesigen tristen Grau ohne erkennbaren Horizont. Hin und wieder war auch einmal ein fernes Grollen zu hören. Es klang aber sehr weit entfernt, und es flogen auch keine glühenden Brocken mehr durch die Luft.

      Der Kutscher und Mac Pellew inspizierten verständlicherweise zuerst einmal Kombüse und Vorratslast, um den Bestand zu kontrollieren.

      „Sieht ganz gesund aus“, meinte Mac nach einem Rundblick. „Die haben sich ganz gut eingedeckt, die Dons. Für zwei bis drei Wochen dürften die Vorräte ganz sicher reichen.“

      „Ist doch bestens“, sagte der Kutscher. „Deshalb brauchst du nicht so ein grämliches Gesicht zu ziehen. Wenigstens werden wir so schnell nicht verhungern.“

      „Wein ist auch da, aber ziemlich saurer Scheiß“, nölte Mac herum. „Wenn wir Rohzucker finden, können wir ihn trinken, sonst nehmen wir ihn als Essig.“

      Verdrießlich wie ein alter Marabu stolzierte er durch die Kombüse, befühlte dies und jenes und hatte an allem was zu meckern.

      „Der Koch war eine regelrechte Sau“, stellte er abschließend unzufrieden und sauertöpfisch fest. „Der hat die Töpfe immer nur mit einem nassen Lappen ausgerieben, aber nie mit Sand gescheuert.“

      „Dann hast du ja eine Menge nachzuholen“, erwiderte der Kutscher. „Wir werden den Laden gemeinsam auf Trab bringen.“

      „Ohgottchen, da haben wir ja mehr Arbeit als alle anderen zusammen.“

      Die Proviantlast gab auch ziemlich viel her, obwohl ihr ein merkwürdiger Geruch entströmte. Wahrscheinlich lag es an dem eingepökelten Fleisch in den Fässern, daß es hier so roch.

      Was die anderen Besatzungsmitglieder betraf, so fanden sich auch noch einige, die sich anfangs schamhaft versteckt hielten.

      Es gab eine ganze Menge tiefäugiger Kakerlaken, und es gab auch einige Ratten an Bord.

      „Ich habe sie pfeifen hören“, sagte Mac.

      Der Kutscher blickte gerade mit gerunzelter Stirn einer Kakerlake nach, die in einer Ritze unter der Wand verschwand.

      „Kakerlaken pfeifen nicht“, sagte er nachdenklich.

      „Ich habe auch Ratten gemeint.“

      „Ja, die pfeifen schon mal. Aber das werden wir ihnen


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