Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
ist zwecklos“, meinte der Alte. „Man kann nicht gleich am ersten Tag den Wind herbeipfeifen. Man muß schon ein bißchen Geduld haben und den richtigen Zeitpunkt abwarten.“
Die anderen grinsten ebenfalls mehr oder weniger versteckt. Sie waren nicht so ganz davon überzeugt – im Gegensatz zu Old Donegal, der fest daran glaubte.
Zu ihrer Verwunderung füllte jedoch gleich darauf ein neuer Windstoß die Segel. Old O’Flynn grinste bis über beide Ohren. In seinem Granitgesicht erschienen tausend kleine Fältchen.
„Ihr glaubt ja nicht mal daran, daß es Seewasser gibt“, erklärte er. „Euch muß man alles erst tausendmal beweisen.“
Stolzgeschwellt, als hätte er den Wind erfunden, ging er davon.
„Es brist tatsächlich auf“, sagte der Seewolf verwundert. „Dann dürfte auch bald die Sicht besser werden.“
Pete Ballie ging ans Ruder und spuckte erfreut in die Hände.
„Endlich geht es wieder los. Welchen Kurs, Sir?“
„Such dir einen aus“, empfahl der Seewolf lächelnd. „Nimm am besten den Kurs platt vorm Laken, der bringt uns am schnellsten voran.“
„Aye, aye, Sir. Platt vor dem Laken.“
„Und ihr anderen Faulenzer verholt euch mal ganz schnell an Schoten und Brassen!“ rief der Profos. „Jetzt läßt Äolus endlich mal Dampf ab, und da steht ihr dämlich grinsend herum. Oder sind euch die Affenärsche eingefroren, was, wie?“
„Affenärsche anbrassen!“ krakeelte eine Stimme von der Großmarsrah, wo Sir John hockte. Er war wieder putzmunter und watschelte o-beinig hoch oben herum. Auch die Bordhündin war jetzt hellwach. Sie drehte sich um und schnüffelte in den Wind. Arwenack begann zu turnen. Die Tiere wirkten, als seien sie aus einem Schlaf erwacht.
Als die Schoten durchgeholt waren und die Segel unter leichtem Druck standen, begann auch die Bugwelle wieder aufzuschäumen. An den Bordwänden gluckerte das Wasser. Die Seewölfe fühlten sich wie neugeboren, als erstmals wieder Kielwasser zu sehen war und eine kleine schaumige und blasenwerfende Bahn achteraus blieb.
Durch die aufgekommene Brise verschwand auch die drückende Schwüle, die über allen Decks gelastet hatte. Nur die Sicht war noch auf bestenfalls zwei Kabellängen begrenzt, und der Himmel hatte seine Farbe kaum verändert.
„Wir segeln wie in einer riesigen Dunstglocke“, sagte Dan, „aber wir segeln wieder, und das allein ist wichtig.“
Der hochgewachsene Spanier neben ihm nickte zustimmend. Don Juan begann erleichtert zu lächeln.
„Herrlich, diese Brise, erfrischend. Lassen wir deinen Vater bei dem Glauben, daß er sie herbeigerufen hat, Dan.“
„Du wirst ihn auch kaum vom Gegenteil überzeugen können. In der Beziehung versteht er keinen Spaß.“
Am Nachmittag kam Ferris Tucker nach achtern. Er hielt ein kleines Brettchen in der Hand, das er Hasard überreichte.
„Vielleicht können wir uns damit provisorisch behelfen, Sir“, meinte er. „Ich hoffe jedenfalls, daß es einigermaßen funktioniert.“
Auf dem Brettchen befand sich eine kleine zitternde Nadel, die unruhig hin und her tänzelte.
„Wo hast du das her?“ fragte Hasard erstaunt.
„Das habe ich aus dem Überrest des Kompasses gebastelt. Ich habe einen kleinen Kupfernagel zugefeilt und die Kompaßnadel, die leider stark beschädigt war, darauf gesetzt. Leider ist das Ding sehr empfindlich.“
Der gute alte Ferris, dachte Hasard gerührt. Er war immer am Tüfteln und Überlegen, und jetzt hatte er aus dem zerschlagenen Rest die Kompaßnadel zurechtgefummelt, damit sie sich wenigstens einigermaßen auf ihrer langen Reise orientieren konnten.
„Prachtvoll“, sagte Hasard und legte dem Schiffszimmermann die Hand auf die Schulter. „Eine Orientierungshilfe ist es ganz sicher. Das hast du hervorragend gemacht, Ferris.“
Ferris Tucker wandte sich verlegen ab.
Hasard nahm das Brettchen und stellte es in der Nähe des Ruders auf die Planken. Die Nadel zitterte stark und tanzte. Aber offensichtlich wies sie doch ungefähr auf Nord.
„Ich dachte, der Kompaß sei total zertrümmert worden“, sagte Hasard.
„War er auch. Die Nadel war kaputt und verbogen. Ich habe sie zwischen den Holztrümmern gefunden.“
Hasard ließ den Kurs ändern und beobachtete die Orientierungsstriche, die Ferris angebracht hatte. Die Kompaßnadel spielte mit. Sie wies immer noch nach Nord, als sich das Schiff um vier Strich nach Backbord drehte.
„Das haut hin!“ rief Dan begeistert. „Sobald wir die Sonne besser im Visier haben, können wir Vergleiche anstellen. Wir müßten den Kompaß nur noch besser schützen.“
„Wir haben leider kein Glas an Bord“, sagte Ferris. „Daran habe ich natürlich auch schon gedacht.“
„Wie wär’s denn mit einer der kleinen Scheiben aus der Kapitänskammer?“ fragte der Seewolf. „Damit hätten wir eine wetterbeständige Absicherung. Über das fehlende Fensterchen können wir ja ein Holzbrett nageln.“
So geschah es dann auch. Ferris ging gleich an die Arbeit, entnahm der teilweise verglasten Heckgalerie eine der kleinen Bleiglasscheiben und fertigte daraus ein kleines Kompaßgehäuse. Das Fenster schloß er mit einem dünnen Brett.
„Wenn der Kompaß stimmt, liegen wir auf Westkurs, wie ich vermutet habe“, sagte Hasard am Abend, als wieder das Zwielicht herrschte, das immer mehr in dunkles Grau überging. „Nur diese Pestwolke zieht noch mit uns, als wollte sie uns über den ganzen Pazifik begleiten. Sie wird sich mit dem Wind jedoch hoffentlich langsam verlieren.“
Am nächsten Morgen wehte der Wind immer noch beständig, und sie liefen weiter auf Westkurs platt vorm Laken.
Die Sonne war zwar noch nicht zu erkennen, doch an der Kimm stand ein schwach glosendes Nebelgespinst im Osten, das jedoch noch keine Kraft hatte, den Dunst zu durchdringen. Immerhin betrug die Sichtweite jetzt mehr als eine Meile. Himmel und Erde schienen weiter auseinandergezogen zu sein.
Nach weiteren zwei Tagen hatte sich etliches verändert. An der Kimm stand wabernder Dunst, die Sonne erschien in einem riesigen Schleier dreimal so groß wie unter normalen Umständen.
Die Kompaßnadel zeigte eine kleine Mißweisung an, erwies sich aber trotzdem als gute Orientierungshilfe in der Weite des Meeres.
Sie waren allein inmitten eines riesigen Ozeans. Kein Schiff zeigte sich, weit und breit war kein Land zu sehen.
An diesem Tag erschien der Kutscher mit besorgtem Gesicht bei Hasard.
„Mit dem Trinkwasser ist es schlecht bestellt, Sir“, meldete er.
„Es sind doch genügend Fässer da“, sagte Hasard. „Im Laderaum stehen auch noch einige.“
„Das stimmt, wir haben auch noch genug Wasser an Bord. Aber da gibt es ein kleines Problem. Die Dons haben zwar viel Wasser an Bord genommen, aber sie haben die Fässer nicht richtig ausgeschwefelt, daher verdirbt das Wasser zusehends. Es fault und beginnt zu stinken, um das mal ganz kraß auszudrücken. In zwei Fässern sind bereits lange grüne Fäden drin.“
„Das hat uns gerade noch gefehlt. Weit und breit kein Land in Sicht, und dann fauliges Wasser. Was können wir tun, Kutscher?“
„Einige Fässer ausschwefeln und umfüllen, aber wir haben leider auch keinen Schwefel an Bord.“
„Wir hatten nicht mal eine Besatzung an Bord“, meinte Hasard sarkastisch, „deshalb mußten wir uns selbst mitbringen. Aber wie steht es mit Rum? Den haben wir doch noch.“
„Es sind ein paar kleine Fäßchen da.“
„Dann schlage ich vor, du kochst das Wasser ab und vermengst es