Seewölfe - Piraten der Weltmeere 215. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 215 - Fred McMason


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man Silber denn noch nennen?“ fragte der alte O’Flynn und stampfte mit dem Holzbein auf. „Silber glänzt, oder es schimmert, oder es wird flüssig, wenn es geschmolzen wird. Mehr fällt mir dazu nicht ein.“

      Hasard junior kroch noch dichter an die Schrift heran, bis sie vor seinen Augen zu flimmern begann.

      „Springen kann es doch nicht heißen, Philip, oder doch?“

      „Habt ihr schon mal Silber springen sehen, ihr grünen Heringe?“ fragte Old O’Flynn. „Höchstens Silberstücke, wenn man sie auf den Boden wirft.“

      „Springendes Silber ergibt wahrhaftig keinen Sinn“, meinte Big Old Shane nachdenklich. „Das würde dann ja heißen: ‚Folge dem Lauf des springenden Silbers‘. Da steckt ein anderes Wort dahinter.“

      Den Männern begann es Spaß zu bereiten, die rätselvollen Andeutungen umzusetzen, damit sie einen vernünftigen Sinn ergaben, aber es war sehr schwierig, und nach einer Weile wurde über das eine Wort diskutiert, das angeblich keinen Sinn gab.

      Die Zwillinge hockten grübelnd an Deck und zerbrachen sich die Köpfe, und Philip behauptete wieder, daß seiner Ansicht nach kein anderes Wort in Frage käme.

      Auch Hasard sann lange darüber nach. Dann konnte er mit einer Lösung aufwarten, die einigermaßen logisch klang.

      „Folge dem Lauf, läßt sich ganz einfach übersetzen. Man kann beispielsweise einem Flußlauf folgen, und in diesem Fall wird das springende Silber mit dem Wasser eines Flusses verglichen. Genau müßte das also heißen, daß man dem Lauf eines silbrig scheinenden Flusses folgen soll, und daß er springt, bedeutet nichts anderes, als daß sich kleine Wasserwirbel oder Strudel darin befinden. Wenn das stimmt, wären wir der Lösung ja ein ganz beachtliches Stück näher gerückt, denn dann gilt es hauptsächlich, nach einem Fluß Ausschau zu halten.“

      „Eine vernünftige Lösung, wie mir scheint“, meinte der Bootsmann Ben Brighton. „Und Flüsse auf einer Insel dürften nun ja wirklich nicht so schwierig zu finden sein.“

      Ja, diese Lösung bot sich an, und sie ergab einen Sinn, dachten auch die anderen, und damit glaubten einige, das Rätsel sei schon so gut wie gelöst und man brauche den Schatz nur noch zu heben.

      Aber da lagen noch etliche große Steine im Weg, denn die Angaben widersprachen sich, und vor allem waren die Koordinaten nicht klar. Keiner wußte, um welche der drei Inseln es sich handelte. Jede von ihnen konnte Flüsse aufweisen, und zudem waren die Inseln nicht gerade klein.

      „Sehr lange werden wir uns da also nicht aufhalten“, sagte der Seewolf. „Wir können nicht unsere Zeit wochenlang mit der Suche nach einem fragwürdigen Schatz verbringen. Schließlich haben wir ein Ziel vor Augen.“

      Hasard junior protestierte, und auch sein Bruder begann gleich darauf zu maulen.

      „Du hast uns aber versprochen, Sir, Dad, daß wir die Inseln anlaufen und uns einmal umsehen.“

      „Ich halte mein Versprechen auch, aber wenn wir nach höchstens drei Tagen nichts finden, dann segeln wir weiter, und das ist mein allerletztes Wort.“

      Die beiden hatten verstanden, und sie hüteten sich, auch nur ein Wort des Protestes laut werden zu lassen, denn da stand ihr Großvater O’Flynn und schien nur auf einen Widerspruch zu warten.

      Und Granddad war dafür bekannt, daß er sich nicht scheute, auch auf seine alten Tage noch sein Holzbein abzuschnallen, um es auf edlen Körperteilen springen zu lassen.

      Aber allein der kurze Blick aus den eisblauen Augen des Seewolfs genügte, um jeden Protest zu ersticken, denn der Blick war noch schlimmer als das Holzbein des alten O’Flynn. Nach dem Blick tat sich meist die Hölle persönlich auf und verschlang unbarmherzig ihre zwei kleinen Teufelchen.

      „Je mehr ihr die Schrift enträtselt und herausfindet, desto leichter und schneller muß es doch zu finden sein“, sagte Shane. „Es liegt also auch bei euch, die Suche abzukürzen. Und das werden wir innerhalb von drei Tagen doch wohl schaffen, oder es müßte mit dem Teufel persönlich zugehen.“

      „Außerdem“, sagte Ben Brighton in die entstandene Stille hinein, „gehört der Schatz Mister Brad, denn von ihm stammt die Karte, und er allein bestimmt darüber, was mit den Sachen geschieht.“

      „Selbstverständlich, Mister Brighton“, versicherte Philip. „Die Suche ist ja viel spannender als das Gold, oder was wir da finden werden.“

      Hasard versuchte, Zusammenhänge zu finden. Diese Seekarte war bestimmt nicht von einem an den anderen verkauft worden, um damit Geschäfte zu machen, sie mußte jemandem gehört haben, der sie vielleicht nur für sich persönlich haben wollte und der aus diesem Grund alles umschrieb, damit kein anderer das Geheimnis herausfand.

      Auch das war natürlich nur eine Theorie, aber Hasard hätte anstelle des Unbekannten ähnlich gehandelt, um den Ort in der Erinnerung zu behalten.

      Wer weiß, durch wieviel Hände diese Karte im Laufe der Zeit gegangen war, ehe sie bei Brad landete, der sie dann sorgfältig aufhob und der auch keine Gelegenheit hatte, den Schatz selbst zu heben.

      Er blickte zu Jonny hinüber. Der alte Seemann, auf den die Iren in der Hafenspelunke Spottlieder gesungen hatten, lag regungslos an Deck. Seine Augen waren geschlossen, und dem Seewolf fiel auf, daß er sich schon seit einer Weile nicht mehr gerührt hatte.

      Er verließ seinen Platz auf dem Achterdeck, und enterte zur Kuhl ab, bis er vor Brad stand.

      Im ersten Augenblick glaubte er, der Mann wäre tot, denn sein Gesicht war von wächserner Blässe, und er sah auch nicht, daß sich die Brust bewegte.

      Es dauerte sehr lange, ehe ein schwacher Atemzug erfolgte und der Seewolf erleichtert aufatmete. Er fühlte vorsichtig nach Brads Hand, und die war jetzt eisig kalt.

      Er winkte den Kutscher herbei, der auf dem Süllrand vom Kombüsenschott saß und vier große Fische schuppte, die Stenmark und Jeff Bowie am frühen Morgen gefangen hatten.

      „Sieh mal nach ihm, Kutscher, er hat sich schon wieder verändert.“

      „Ich habe gerade nach ihm gesehen, Sir, und ich bin mit meinem Wissen am Ende. Ich werde seine Brust mit Rum einreiben, vielleicht verschafft ihm das Erleichterung.“

      „Ja, tu das!“

      Der Kutscher holte Rum, und brachte auch die Flasche mit, in der sich eine Mixtur aus Kräutern befand, ein scharf riechendes Zeug, das er selbst zusammengebraut hatte.

      Vorsichtig öffnete er das Leinenhemd, goß sich etwas Rum in die Hand, und begann die Brust damit zu massieren.

      „Armer, alter Jonny“, murmelte er und sah zufrieden, wie der Seemann nach einer Weile die Augen aufschlug und blicklos auf das große Segel starrte.

      Sein Blick war immer noch trübe, die Augen ohne jeden Glanz, aber die Pupillen zogen sich zusammen, und er schien die beiden Männer um sich herum wahrzunehmen.

      „Die Küste“, murmelte er mit schwacher Stimme. „Wir müssen sie bald erreichen. Ich kann sie schon sehen. Oder ist das Nebel?“

      „Wir werden bald da sein, bald schon“, tröstete ihn der Kutscher. Es war eine fromme Lüge, aber vielleicht gab sie dem alten Mann noch etwas Kraft, und hielt ihn noch am Leben.

      Ganz vorsichtig wickelte der Kutscher anschließend den Verband auf und besah sich die Wunde, die das von einem Iren geschleuderte Messer verursacht hatte.

      Über dem Bauchnabel war ein feiner Einstich zu erkennen. Die Wunde heilte jedoch nicht, die Wundränder verschorften kaum, aber sie war sauber und sah gar nicht schlimm aus.

      Kopfschüttelnd, ratlos und sich selbst mit bitteren Vorwürfen überhäufend, weil er nicht helfen konnte, legte der Kutscher einen frischen Verband darüber, strich ihn glatt und zog etwas später das Hemd darüber.

      Jonny war schon wieder eingeschlafen, und seine Brust hob und senkte sich nun in fast regelmäßigen Abständen.

      Hin und wieder


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