Seewölfe - Piraten der Weltmeere 417. Fred McMason
Einen seiner Söhne stellte er als Simon Llewellyn vor. Der Kerl war ebenfalls bullig, aber kleiner als sein Vater, um die Dreißig, mit blaßblauen Augen und roten Haaren.
Die Erlauchten verzichteten in stiller Übereinkunft, diesem Kerl die Hand zu reichen, denn der erinnerte sie mit seinen aufgeworfenen Lippen und der Nase an ein großes Ferkel.
Der andere hatte ebenfalls etwas Schweinisches an sich, fast das gleiche Ferkelgesicht wie sein Bruder. Er war etwas jünger und plumper in der Figur und pflegte ständig dümmlich vor sich hinzugrinsen, als nähme er alles nicht ganz ernst.
Die Hochwohlgeborenen waren etwas schockiert über den Anblick dieser plumpen Ferkelgesichter, ganz besonders der Duke, Sir Henry, denn er erinnerte sich unangenehm berührt daran, daß sein Vater ihn wegen seiner Übereifrigkeit auf seine Ländereien geschickt hatte, um dort die Ställe auszumisten. Da hatte der gute Sir Henry es auch immer mit Ferkeln zu tun gehabt. Zum Glück hatte der alte Herr das Zeitliche gesegnet, und er selbst war durch die Erbschaft vom Marquess zum Duke aufgestiegen. Jetzt sah er wieder zwei Ferkelgesichter vor sich, sah die fast wimpernlosen Augen und starrte auf die rötlich borstigen Augenbrauen, die ihn so sehr an Säue erinnerten.
„Ihr haut jetzt besser ab“, sagte der Alte nach der Begrüßung, „und verzieht euch.“
Thomas Lionel, wie der Jüngere hieß, grinste wieder dümmlich die beiden Gentlemen an, warf seinem Alten einen galligen Blick zu und verschwand nach einem mißglückten Kratzfuß mit seinem Bruder, der den Alten giftig anstarrte.
Sir Henry war erleichtert. Sir Andrew sah den beiden angewidert und verächtlich nach. Primitives Pack war das, Pöbel, den er auf den Tod nicht ausstehen konnte. Mit so was an einem Tisch zu sitzen, hätte ihm die Galle überlaufen lassen. Da war ihm Sir John schon lieber, denn das war ein ganz anderer Kerl, wenn er auch wie ein vulgärer Hurenbock aussah. Aber mit dem Mann ließ sich etwas anfangen. Der war tückisch und verschlagen, aber von der Sorte, die nicht aufgab, auch wenn sie mal kräftig was aufs Maul kriegte.
„Wir haben etwas vor“, sagte Sir Andrew, „das sicherlich auch Ihr Interesse wecken wird, Sir John. Dazu bedarf es aber eines Beweises. Es betrifft Ihren Sohn Philip Hasard Killigrew.“
Bei der Erwähnung des Namens zuckte Sir John zusammen. Sein Gesicht verdüsterte sich, und in seinen Augen schimmerten Blitze.
„Der Bastard ist nicht mein Sohn“, sagte er hart und aufbrausend. „Er ist nie mein Sohn gewesen. Er ist ein Bankert, ein dreckiger Bastard.“
Sir Andrew lächelte freundlich. In seinen Augen blitzte es boshaft auf. Er knuffte den blassen Sir Henry mit dem Ellenbogen in die Seite.
„Sieh an. Man behauptet aber, daß er Ihr Sohn sei.“
„Man behauptet viel. Aber ich muß es ja schließlich wissen. Woher kennen Sie ihn denn?“ fragte der Alte mißtrauisch.
„Wir sind einmal mit ihm aneinandergeraten“, sagte Sir Andrew lässig, „nichts Ernsthaftes. Es geht um etwas anderes.“
Er verschwieg die harte Schlappe, die sie beide von dem Seewolf eingesteckt hatten. Dieser Emporkömmling hatte sie tödlich beleidigt und ihre Ehre angetastet, hatte sie erniedrigt und gedemütigt. Aber das stand hier nicht zur Debatte.
„Und um was geht es?“ erkundigte sich der Alte lauernd.
„Um den Bastard, Sir John. Wir wollen ihn zur Strecke bringen. Er hat sich den Ritterschlag erschlichen, er ist ein Betrüger, ein Feind Englands und ein Agent der spanischen Krone. Verzeihung“, sagte der Earl süffisant, „das soll Ihnen gegenüber keine Beleidigung sein, aber Sie sagten ja selbst, daß er nicht Ihr Sohn sei.“
In den Augen Sir Johns glomm ein hinterhältiges Licht auf. Seine wulstigen Lippen verzogen sich zu einem heimtückischen Grinsen. Das war ganz nach seinem Geschmack.
Vielleicht tut sich jetzt etwas, überlegte er, denn diese Gentlemen haben Einfluß und können mir sicher helfen. Und sie wollten den Bastard zur Strecke bringen! Das ging ihm wie Öl runter.
„Ich schwöre Ihnen, daß er nicht mein Sohn ist“, sagte der Alte. „Die beiden anderen ja, und ein dritter Sohn von mir ist an – an einer, äh – Krankheit gestorben.“
Daß diese „Krankheit“ Big Old Shane hieß, verschwieg der alte Halunke, denn der hatte John Malcolm Killigrew ins Jenseits befördert.
Wieder warfen sich die beiden einen Blick zu. Ihre Herzen hüpften vor Freude, denn jetzt wurde ihnen genau das bestätigt, was sie vorher gerüchteweise schon gehört und verbreitet hatten. Ihr alter Erzfeind war also tatsächlich ein Bastard. Sir John mußte das ja schließlich genau wissen.
Auch das Herz von Sir John tat einen Freudensprung. Wenn diese beiden adligen Pfeffersäcke ihren Einfluß geltend machten, so überlegte er, versprach die Jagd auf den Bastard ein voller Erfolg zu werden.
„Ich könnte Ihnen bei der Jagd auf den Bastard natürlich behilflich sein“, sagte der Alte eifrig, „ich weiß auch genau, welche ungeheuren Schätze der Bastard bisher erbeutet hat. Es sind Reichtümer, wie man sie sich kaum vorstellen kann.“
„Wissen Sie auch, wo sich sein Versteck befindet?“ fragte Sir Henry.
Das alte Schlitzohr schien die Frage nicht gehört zu haben. Er zog ein betrübtes Gesicht und hob in scheinbarer Hilflosigkeit die Hände.
„Leider, leider“, sagte er bekümmert, „bin ich für einige Zeit noch unabkömmlich, obwohl man mich und meine Söhne zu Unrecht eingesperrt hat. Zu schade ist das. Da will man der verehrungswürdigen Majestät helfen und sitzt hilflos fest. Der Zorn könnte mich zerreißen, wenn ich daran denke, daß der Bastard Ihre Majestät mit einem Fingerhut voll aus seiner unermeßlichen Beute abgefunden hat. Dabei sitzt dieser Strolch auf Bergen von Gold, Silber, Perlen und kostbarem Schmuck. Und die englische Krone wird nach Strich und Faden betrogen“, setzte er heuchlerisch hinzu.
Vor Rührung kamen ihm fast die Tränen. Dabei belauerte er die beiden ehrenwerten Gentlemen in der Hoffnung, sie würden auf sein Gehabe hereinfallen und ihm behilflich sein.
Die beiden anderen dachten ähnlich. Im Prinzip waren ihre Motive die gleichen. Auch sie faselten von der Königin, die man betrogen hätte, und behaupteten frech, daß der Bastard Subversion mit dem Ziel betreibe, England zu schwächen und für einen zweiten spanischen Angriff reif zu machen.
Sir John ließ nichts anbrennen. Er bohrte gleich nach und erzählte wieder von den Reichtümern, weil er in den Augen der Gentlemen immer gleich ein begehrliches Funkeln sah, sobald die Sprache darauf kam. Er berichtete von faustgroßen Perlen, von Gold- und Silberbarren, von denen einer so schwer sei, daß ihn acht Männer tragen müßten, wisperte ihnen was von Schlupfwinkeln und Höhlen voller Gold und Schmuck in die erlauchten Ohren, bis Sir Henry und Sir Andrew aufgeregt auf ihren harten Stühlen hin und her rutschten.
Sir Henrys zweite übereifrige Frage nach dem Versteck des Bastards prallte wieder auf taube Ohren. Der Alte gab sich als Patriot aus, log und heuchelte das Blaue vom Himmel herunter.
Aber er kannte den Bastard, seine Tricks und Kniffe und konnte sich besser in ihn hineindenken als jeder andere, denn schließlich hatte er jahrelang auf Arwenack Castle gelebt. Sir John konnte sie zu dem Versteck führen, zu den Schlupfwinkeln des Piraten, der die Krone begaunerte und betrog. Sie brauchten ihn als ihren Verbündeten. Später würde man weitersehen, dann brauchte man ihn vielleicht nicht mehr, aber das hatte noch Zeit.
„In einem Jahr etwa oder noch länger“, sagte Sir John dumpf, „könnte ich Ihnen behilflich sein. Aber bis dahin ist der armen Majestät bereits ein unermeßlicher Schaden entstanden, und der wilde Wolf reißt weiterhin seine Beute, ungehindert und frei und häuft seine Reichtümer zu immer größeren Haufen an. Ganz davon abgesehen, daß er zusätzlich gegen England intrigiert und mit Spanien …“
Der Earl unterbrach den heuchlerischen Redefluß des alten Piraten mit einer schnellen Handbewegung.
„Etwas anderes, Sir John: Wir wissen jetzt, daß der Bastard nicht Ihr leiblicher