Seewölfe - Piraten der Weltmeere 559. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 559 - Burt Frederick


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und lächelte. Er hob den Kopf, tat dabei, als müsse er noch einmal Witterung aufnehmen und sah seinen Capitano dann an. „Wir bleiben nicht mehr lange allein, Giovanni. Sie beobachten uns mit Argusaugen, die verdammten Bastarde. Und in ihren nichtsnutzigen Hirnen rechnen sie sich schon jetzt aus, was sie diesmal an Beute zusammenraffen werden.“

      Trebbiano zog die Brauen hoch, stülpte die Unterlippe vor und nickte mehrmals beeindruckt. „Das trifft haargenau meine Ahnungen. Ich sehe, wir ergänzen uns wieder einmal hervorragend. Interessant dürfte nun werden, ob wir beide recht haben oder uns beide irren.“

      Marchioni behielt sein Lächeln bei. Natürlich verschwieg er, daß er es vor allem gelernt hatte, die Ahnungen und Gedankengänge seines Kapitäns nachzuvollziehen. So fügte es sich, daß Marchioni stets ziemlich genau fühlte, was Trebbiano gerade im Sinn hatte.

      Und es schmeichelte dem alten Halunken, wenn man so tat, als hätte man einen gewissen Instinkt, der sich rein zufällig mit seinen eigenen Erwartungen deckte. Überdies wußte Enrique Marchioni aus Erfahrung, daß es nicht gut war, eine andere Meinung zu haben als Trebbiano. Das venezianische Schlitzohr konnte so etwas auf den Tod nicht leiden.

      Marchioni deutete mit einer Handbewegung zum Hauptdeck. Der Zweite und der Dritte Offizier stolzierten dort wie Pfauen auf und ab – an der Backbordseite, von Land aus gut sichtbar. Zwei Decksleute, die auf dem Vorkastell mit dem Aufschießen von Tauen beschäftigt waren, taten, als amüsierten sie sich heimlich über die aufgeplusterten Gecken.

      „Meinst du, daß sie darauf hereinfallen, Giovanni?“

      Der Kapitän der „Lucia“ stieß ein grollendes Lachen aus. „Und ob, mein Lieber, und ob! Sie werden in ihrer Gier geradezu besessen davon sein, auf unsere kleine Vortäuschung falscher Tatsachen hereinzufallen. Es ist menschlich, Enrique, nur menschlich. Unsereiner möchte doch im Grunde am liebsten das sehen, was ihm am wünschenswertesten scheint. Und wenn sich dieses Wünschenswerte dann noch so augenfällig präsentiert – ja, was will man dann mehr?“

      Marchioni nickte. Das Schlitzohr hatte recht. Die Türkenbastarde würden in der Tat auf den Leim kriechen, davon war auch er überzeugt. Die beiden Offiziere auf dem Hauptdeck waren gekleidet wie reiche venezianische Kaufleute. Kostbar verzierte Hüte beschatteten ihre gepuderten Gesichter und schützten sie auf diese Weise vor der schon arg sengenden Sonne.

      Ihre dreiviertellangen Mäntel aus kostbarer Seide waren nach der neuesten Mode geschneidert. Die Beinkleider schillerten enganliegend, die Schnallenschuhe funkelten blitzblank. Wie ein duftiger Hauch lugten die Halstücher aus dem Mantelkragen. Was die Männer spazierentrugen, war die vielbeachtete italienische Mode, wie sie auch von Elizabeth I., der englischen Königin, so sehr geschätzt wurde.

      Die vermeintlichen Kaufleute, die als Passagiere auf der Karacke zu reisen schienen, waren der eindrucksvollste Anblick, der sich dem ahnungslosen Beobachter bot. Was man nicht einmal mehr aus zehn Yards Entfernung erkennen konnte, waren die übrigen Maßnahmen, die Capitano Giovanni Trebbiano ergriffen hatte.

      So schien das Schiff keinerlei Geschütze an Bord zu führen. Die insgesamt acht Stückpforten an jeder Seite waren sorgfältig verschlossen und mit Persenningen getarnt, die Trebbianos Männer in den Farben und Linien der Außenbeplankung bemalt hatten.

      Die beiden Drehbassen – je eine vorn und achtern – waren aus den Gabellafetten genommen worden, und letztere hatten die Männer ebenfalls aus den Halterungen entfernt. Beide Hinterlader lagen jedoch an Ort und Stelle bereit, um notfalls in Sekundenschnelle einsatzbereit zu sein.

      Unvermittelt ließ sich der Ausguck mit halblauter Stimme vernehmen: „Deck! Mastspitze Backbord voraus!“

      Trebbiano und Marchioni sahen sich an und grinsten.

      Der Capitano hob sein Spektiv und spähte in die angegebene Richtung. In der Tat. Ein schlanker Einmaster glitt da hinter einer größeren Klippe hervor. Wahrscheinlich hatten die Burschen dort sichtgeschützt auf der Lauer gelegen. Die Klippe eignete sich jedenfalls hervorragend für diesen Zweck. Und sie war nur eine knappe halbe Seemeile vom Ufer entfernt. Ideale Ausgangsbasis für Piratenpack.

      Trebbiano ließ das Spektiv sinken und schob es zusammen. Er brauchte es nicht mehr. Was folgte, würde ablaufen wie ein Uhrwerk. Er trat an die vordere Querbalustrade des Achterdecks.

      „He, ihr beiden Pfeffersäcke!“ rief er mit Reibeisenstimme. „Gleich müßt ihr zeigen, wie gut ihr wirklich seid – als Schauspieler!“

      Die beiden Offiziere waren bereits auf den herannahenden Einmaster aufmerksam geworden. Dennoch drehten sie sich erstaunt zu Trebbiano um.

      „Sind wir denn nicht gut genug?“ entgegnete der Zweite grinsend. „Sehen Sie uns an, Capitano!“ Er vollführte eine gezierte Verbeugung, und der Dritte tat es ihm feixend nach. „Kriegen Sie nicht das Kotzen, wenn Sie zwei so geschniegelte Affen ansehen müssen?“

      Trebbiano und der Erste Offizier lachten.

      „Ich habe nicht gesagt, daß ihr eure Sache schlecht gemacht hättet – bis jetzt“, sagte Trebbiano dann. „Was ich meine, ist dies: Werdet ihr glaubhaft darstellen können, die Hosen vollzuhaben? Kurz bevor die türkischen Halunken entern?“

      Den beiden Offizieren glitt das Grinsen aus dem Gesicht.

      „Giovanni“, sagte der Dritte vorwurfsvoll. „Davon war aber nun wirklich nicht die Rede! Wie sollen wir denn so was anstellen?“

      Trebbiano kicherte vor Vergnügen und hieb dem Ersten auf die Schulter. „Hörst du das, Enrique? Hörst du das? Sie haben die Hosen voll, weil sie die Hosen voll haben sollen!“

      Marchioni konnte nicht mehr, er mußte losbrüllen vor Heiterkeit. Seine aufgeplusterten Gefährten auf dem Hauptdeck stimmten nach einem Moment mit ein, als sie begriffen, daß Giovanni Trebbiano es doch nur scherzhaft gemeint hatte. Im Ernstfall konnte er wahrhaftig keine vollen Hosen von ihnen verlangen.

      „Ruhe jetzt“, befahl der Capitano schließlich und rückte sein scharlachrotes Barett zurecht. „Sonst denken die Krummsäbelschwinger noch, wir halten sie für Witzfiguren! Dabei wollen wir sie doch ernst nehmen, nicht wahr?“ Er genehmigte seinen Mannen ein letztes Lachen. Dann war Schluß.

      Der Dritte Offizier gab einem der beiden Decksleute auf dem Vorkastell einen Wink. Der Mann nahm einen Belegnagel aus der Nagelbank des Vormastes, enterte zum Hauptdeck ab und gab die vereinbarten Klopfzeichen.

      Die Männer unter Deck wußten nun, daß es nur noch Minuten dauern würde, bis der Teufelstanz begann. Denn was Giovanni Trebbiano in Szene setzte, wurde immer teuflisch – für die anderen.

      Mehmet Gülün verstand sich als Kaufmann – als ein Kaufmann, der sowohl mit konventionellen als auch mit unkonventionellen Methoden arbeitete. Zu Lande kehrte er die redliche Seite des Kaufmannswesens hervor, wie sich das für einen honorigen Bürger insbesondere im Umgang mit einflußreichen Persönlichkeiten ziemte. Zur See, wo ihn außer seinen eigenen Leuten niemand beobachtete, gab sich Gülün jener Art der Besitzvermehrung hin, die von ehrbaren Menschen als Piraterie bezeichnet wurde.

      Mehmet Gülün hatte indessen nie einen besonders großen Unterschied zwischen den beiden kaufmännischen Wesensarten, wie er sie bezeichnete, gesehen. Auch die sogenannten Ehrbaren nahmen ihre Handelspartner letzten Endes nach Strich und Faden aus. Wer den anderen nicht übervorteilte, mußte ein schlechtes Gewissen haben, weil er kein guter Kaufmann war. Sie bissen sich selbst in den Schwanz, diese Pfeffersäcke, die sich dauernd selbst etwas vorgaukelten.

      Mehmet Gülün hatte seine Spezialanfertigung auf das Achterdeck des Einmasters bringen lassen, als ihm die Späher vor einer Stunde das Herannahen einer venezianischen Karacke gemeldet hatten. Seit Lepanto wußte man zwischen spanischen und venezianischen Schiffen sehr gut zu unterscheiden.

      Die Türken hatten in der Schlacht ausführlich Gelegenheit gehabt, die Schiffsbauweise der verfluchten Ungläubigen zu studieren. Jetzt war man gezwungen, sie in einem zermürbenden Kleinkrieg zu bekämpfen. Insofern beanspruchte Gülün für sich, schließlich auch noch ein gutes Werk zu tun.

      Seine Spezialanfertigung


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