Seewölfe - Piraten der Weltmeere 559. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 559 - Burt Frederick


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sah nicht ein, warum er sich nicht auch noch auf See verwöhnen lassen sollte. Zum Kämpfen hatte er seine Männer, die er gut bezahlte und die für ihn die Christenteufel reihenweise von den Planken ihrer Schiffsdecks fegten.

      Er beschäftigte einen eigenen Kapitän, Ravet Özdal. Dessen Kommandos ertönten kurz und präzise über das Deck. Der Einmaster war nur mittelgroß und daher von einer Wendigkeit, die jedem dickbäuchigen Segler aus dem Christenland das Fürchten beibrachte.

      Özdal verstand es überdies hervorragend, die Kerle zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Fleck zu beordern. Die Seemanöver erfolgten so genau, als könnte der breitschultrige türkische Kapitän jede Bö und jede Änderung der Windrichtung im voraus ahnen.

      Mehmet Gülün war stolz darauf, als Schiffseigner über so hervorragende Männer zu verfügen.

      Esther, die glutäugige Schöne zu seinen Füßen, strich sein Seidengewand glatt. Gülün genoß ihre zarten Handbewegungen, die sich nicht scheuten, selbst an den schwammigsten Körperteilen noch sanft und liebkosend zu sein. Esther, deren Herkunft niemand kannte, wußte eben, was eine Frau für gute Bezahlung zu leisten hatte.

      Mancher anderen, die bei seiner Berührung vor Ekel zurückgeschreckt war, hatte er einen Tritt in den hübschen Hintern verpassen müssen. Diese hochnäsigen Weibsbilder durften das Ergebnis ihres Verhaltens nun in Gesellschaft der gemeinen Decksleute auskosten.

      Esther war denn auch die einzige, die trotz einer bevorstehenden Kampfhandlung an Deck bleiben und sich um ihren Herrn kümmern durfte. Alles übrige Weibervolk hatte in den Unterdecksräumen auszuharren, bis das Gefecht vorbei war.

      Esther schmiegte sich an seinen mächtigen Bauch. Sie streckte den rechten Arm aus und kraulte sein Dreifachkinn. Auf seinem massigen Kopf wirkte der Turban wie eine zu klein geratene Krone.

      „Soll ich dir dein Spektiv bringen, mein Gebieter? Ich weiß, du magst es, die Christenbastarde noch einmal anzusehen, bevor du sie zu den Fischen schicken läßt.“

      Gülün griff in eine Schale mit gezuckerten Kirschen und stopfte sich eine in den Mund.

      „Du bist eine Perle“, sagte er anerkennend. „Ich schätze es, wenn eine Frau einem Mann jeden Wunsch von den Lippen abliest.“

      „Aber das ist doch die Aufgabe einer Frau, mein Gebieter“, flötete sie und richtete sich auf, wobei sie noch einmal seinen Bauch tätschelte.

      Er raffte sich auf, ihr einen Klaps auf das eindrucksvolle Hinterteil zu geben, bevor sie sich mit wiegenden Schritten zu Kapitän Özdal entfernte. Sie war schon ein berauschender Anblick, die hübsche Esther. Er hatte sie an Bord eines gekaperten Christenschiffes aufgelesen.

      Sie wußte nicht, aus welchem Land sie stammte. Denn sie war ein Findelkind gewesen, das Seeleute von Küste zu Küste mitgeschleppt hatten. Sie war aus Gefahrensituationen gerettet und in immer neue Gefahren gebracht worden. Jetzt, bei ihm, Mehmet Gülün, hatte sie das wohl angenehmste Leben, das sie sich auch nur hatte vorstellen können.

      Sie brachte das Spektiv und hielt es so, daß er sich nur ein Stück aufzurichten und es ans Auge zu nehmen brauchte.

      „Der Kapitän sagt, es sei ein Kauffahrer. Keine Armierung festzustellen. Die Kerle verlassen sich wohl auf ihren Hochmut und glauben, daß die Türken ein für allemal den Schwanz eingezogen hätten.“

      Gülün lachte und gebot Esther mit einer Handbewegung, sich wieder an ihren angestammten Platz zu begeben. Sie gehorchte sofort und nahm ihre gewohnte Streicheltätigkeit erneut auf. Gülün sah unterdessen die Beobachtung seines Kapitäns bestätigt.

      Diese blasierten Bastarde, die dort hinter der Verschanzung auf und ab stolzierten, würden in wenigen Minuten ihr blaues Wunder erleben. Bis jetzt schienen sie noch nicht einmal zu ahnen, was ihnen blühte.

      Ravet Özdal gab Befehl, die Geschütze des Einmasters zu richten. Sechs Zwölfpfünder, drei auf jeder Seite. Wahrscheinlich würde man sie nicht einmal brauchen, denn in den meisten Fällen zeigten die zu Tode erschrockenen Handelsfahrer die weiße Flagge, bevor man ihnen ein paar häßliche Löcher in die Außenbeplankung stanzte.

      Gülün kicherte voller Vorfreude, setzte das Spektiv ab und ließ sich schnaufend zurücksinken. Zur Belohnung für die anstrengende Tätigkeit des Beobachtens gönnte er sich eine weitere gezuckerte Kirsche.

       2.

      In etwa vier Kabellängen Backbord voraus drehte der Einmaster elegant bei. An seiner Steuerbordseite blitzte es rötlich grell auf. Das Geschoß orgelte heran und riß eine Fontäne vor dem Bug der „Lucia“ aus dem Wasser. Das Krachen des Schusses verhallte auf der Weite der küstennahen Wasserfläche.

      „Zielen können sie immerhin“, sagte Giovanni Trebbiano grinsend. Er wandte sich dem Ersten zu. „Hoch mit dem Lappen, Enrique!“

      Marchioni gab den Befehl an die beiden Decksleute auf der Back weiter, und sie zogen das weiße Tuch am Vormast hoch.

      Alles Weitere lief ab, ohne daß dafür noch gesonderte Befehle erforderlich gewesen wären. Zwei weitere Decksleute erschienen in scheinbar panikartiger Eile und begannen gemeinsam mit den beiden vom Vorkastell, die Segel zu bergen. Aufgeregt gestikulierend begaben sich die vermeintlichen Kaufleute auf das Achterdeck und taten, als redeten sie auf den Kapitän ein.

      „So, jetzt reicht es“, knurrte Trebbiano. Er deutete eine Verbeugung an, und seine Stimme verfiel in einen süßlich-höflichen Ton. „Wenn sich die Signori freundlicherweise in den Salon begeben würden? Die frische Luft könnte gleich blei- und eisenhaltig werden.“

      „Oh, Capitano!“ rief der Zweite Offizier mit näselnder Stimme. „Welches furchtbare Schicksal mag uns bevorstehen! Werden wir denn nun den türkischen Schurken in die Hände fallen?“

      „Kann man denn gar nichts tun?“ fügte der Dritte entsetzensschrill hinzu.

      „Beten“, sagte Trebbiano trocken. „Beten Sie, Signori. Beten Sie zum Allmächtigen, daß er stärker sein möge als Allah, der auf der Seite der Hundesöhne da drüben steht.“

      Die Offiziere wandten sich kichernd ab. Während sie sich beeilten, in den Achterdeckssalon zu gelangen, um sich umzuziehen, ließen die Männer auf der Back bereits den Buganker an Steuerbord auf Tiefe rauschen. Und dann beeilten sie sich, durch die vordere Grätingsluke unter Deck zu verschwinden.

      Der Erste Offizier blieb auf dem Achterdeck, während Trebbiano gravitätisch über den Backbordniedergang zur Kuhl abenterte. Natürlich oblag es ihm als Kapitän, die Signori Piraten mit der Würde zu empfangen, die ihnen gebührte. So baute er sich breitbeinig an der Pforte des Schanzkleides auf.

      Die beiden doppelläufigen Prunkpistolen, die er normalerweise vorn unter dem handtellerbreiten Ledergurt trug, hatte er auf dem Rücken hinter das Leder geschoben. Als Kapitän, der die weiße Flagge zeigt, wußte er, was sich gehört. Natürlich empfing er seine Bezwinger nicht in bedrohlicher Manier, indem er ihnen seine Faustfeuerwaffen vorführte.

      Der Einmaster kreuzte gegen den Wind aus Westsüdwest. Mit einer knappen Kabellänge Abstand passierte das schnittige Schiff die Karacke, deren Anker auf dem Grund bereits gefaßt hatte. Knapp achteraus ließ der türkische Kapitän halsen. Gleich darauf bargen sie das Lateinersegel, und der Einmaster glitt auslaufend auf die Backbordseite der „Lucia“ zu.

      Giovanni Trebbiano stand unbeweglich wie ein Monument. Dabei beobachtete er alle Einzelheiten mit untrüglicher Genauigkeit. Das Oberhaupt der Piratenbande war ein feister Kerl, der das Genießen zu seiner wichtigsten Lebensaufgabe erkoren zu haben schien. Seine Gespielin, leichtbekleidet und raffiniert von Schleiern umhüllt wie eine Bauchtänzerin, schien ein ausgesprochenes Luxusweib zu sein.

      Mit den Kerlen war indessen nicht zu spaßen. Das sah Trebbiano auf den ersten Blick. Zwar rechneten sie mit einer Art Spaziergang an Bord der Karacke. Aber sie würden sich in blutrünstige Schakale verwandeln, wenn sie erst einmal spitzgekriegt hatten, was ihnen blühte. Es würde


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