Seewölfe - Piraten der Weltmeere 85. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 85 - Roy Palmer


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Fontänen fielen in sich zusammen. Siri-Tong wandte sich um und suchte mit dem Blick Hasard.

      Sie atmete auf. Er hatte sich ebenfalls fallen lassen, rappelte sich gerade wieder auf und gab neue Befehle. Die Kugeln der Spanier, die über das Deck gerast waren, hatten glücklicherweise keinen Mann der Besatzung getroffen und nur Sachschaden angerichtet.

      „Hasard!“ rief sie.

      „Zieh den Kopf ein, Siri-Tong!“ schrie er durch den Schlachtlärm zurück.

      Sie lachte. „Ich doch nicht!“

      Verdutzt schaute er zu ihr hinüber. „Mein Gott, du verdammter Satansbraten!“

      Sie drehte den Kopf, schob ihre Muskete zwischen zwei Traljen der Schmuckbalustrade hindurch und zielte auf den Gegner. Der am weitesten zum Nordufer hin versetzten Karavelle waren sie jetzt bereits sehr nahe, keine halbe Kabellänge trennte die beiden Schiffe.

      Die Rote Korsarin legte auf einen Mann an, der auffällig auf dem Achterdeck der Karavelle herumturnte und gestikulierte. Sie drückte ab, der Schuß krachte, eine Kugel suchte und fand ihr Ziel. Der Spanier brach zusammen.

      Hasard war diese Aktion der Roten Korsarin trotz des allgemeinen Durcheinanders nicht entgangen.

      „Teufel auch“, sagte er. „Was für eine Frau du doch bist, Siri-Tong. Wer sich mit dir anlegt, verbrennt sich die Finger. Ich muß verrückt sein, weil ich immer noch glaube, daß man so was wie dich bändigen kann.“

      Sie hatte es nicht verstanden.

      Ja, sie war eine fauchende Wildkatze, gnadenlos im Kampf gegen den Feind, von Unnahbarkeit und Härte beim Umgang mit ihrer Crew erfüllt. Aber Hasard – Hasard war der einzige, der sie zähmen konnte. Unter seinem Einfluß wurde sie zu einem sanft schnurrenden, sich behaglich ankuschelnden Inbild der Weiblichkeit – und das hatte seine Gründe.

      Für die Amazonen war Hasard der Günstling der Götter, für die Spanier der Hassenswerteste aller gottverdammten Todfeinde, für seine Crew der Mann, der dem Teufel ein Ohr absegelte und an Tollkühnheit noch Francis Drake übertrumpfte. Für Siri-Tong war er der erste Mann in ihrem Leben, dem sie sich bereitwillig unterordnete – und den sie liebte.

      Drohend schob sich die Galeasse auf die Karavelle zu. Sie hatte die überragende Position in diesem Gefecht. Unabhängig vom Wind konnte sie dank ihrer Ruder manövrieren, wie sie wollte. Außerdem befand sie sich noch in Luv der Spanier. Ein weiterer Pluspunkt.

      Die Karavelle wollte sich näher zu den Verbündeten hin verholen, aber ihr blieb keine Zeit mehr dazu. So versammelte sich das Gros der Mannschaft am Backbordschanzkleid und richtete Musketen und Arkebusen auf die Galeasse. In aller Eile wurde auch die soeben abgefeuerte Breitseite wieder schußbereit gemacht.

      „Shane!“ rief Hasard.

      Big Old Shane antwortete von oben. Er war in den Hauptmars aufgeentert. „Fertig, Hasard!“

      „Feuer frei auf die Takelage des Gegners, Shane!“

      „Aye, aye, Sir!“

      Sekunden darauf schwirrte der erste Brandpfeil von der Bogensehne des graubärtigen Riesen. Und nicht sehr viel mehr Zeit verstrich, bis eine Flammenzunge aus dem Großsegel des Spaniers leckte. Von da an gab Shane Brandpfeil um Brandpfeil auf die Karavelle ab. Er war ein Meister im Bogenschießen – wie Batuti, der sich gerade anschickte, das gleiche von Bord der „Isabella“ aus zu tun. Er gab dafür seinen Posten an einer der Culverinen auf. Matt Davies übernahm den 17-Pfünder und bediente somit zwei Geschütze.

      Es mangelte an Männern auf er „Isabella“ und dem schwarzen Schiff. Die Lage war mehr als heikel, Immer noch.

      Ja, Beistand hatten sie verdammt nötig. Sie schossen erbittert zurück, aber lange konnten sie sich gegen die Spanier nicht mehr halten, wenn Hasard nicht ein Wunder vollbrachte.

      Die zahlenmäßige Stärke der Seewölfe und der Siri-Tong-Crew war durch das Fehlen von Hasard und den anderen ziemlich arg reduziert. Außerdem ließ die geringe Wassertiefe kein schnelles, effektvolles Manövrieren zu. Nur mühsam hatten sich die beiden Segler quer zur Strömung gedreht, als Ben Brighton und Thorfin Njal – die derzeitigen Schiffsführer – den feindlichen Verband hatten aufziehen sehen.

      Und noch etwas. Weiter flußaufwärts verhinderten Sandbänke die Weiterfahrt. Die „Isabella“ und das schwarze Schiff befanden sich in der Klemme. So, wie die Dinge zur Zeit standen, konnten sie nur ihre Backbordbreitseiten einsetzen. Sie lagen mit dem Bug nach Süden, also genau wie die drei Karavellen, und es gab keine Möglichkeit, zu wenden und auch die brachliegenden anderen Batterien an Steuerbord zu Hilfe zu nehmen.

      So gut es ging, versuchten sie das Manko durch die in Gabellafetten gelagerten Drehbassen auf der „Isabella“ und die Brandsätze des schwarzen Schiffes auszugleichen. Thorfin Njal hatte die bronzenen Gestelle im Vor- und Achterkastell des Viermasters soweit herumschwenken lassen, das durch die Luken zumindest vereinzelte Raketenschüsse auf die Widersacher abgegeben werden konnten.

      Und Batuti bemühte sich, durch seine Brandpfeile Panik und Verwirrung auf den gegnerischen Decks zu stiften.

      Aber niemals hätten sie sich in ihrer Position dauerhaft halten können.

      Hasard hatte das im Ansatz erkannt und handelte nun entsprechend. Er konnte die am Nordufer liegende Karavelle entern oder nach Strich und Faden zusammenschießen, er hatte bereits die Oberhand in dem Zweikampf. Aber er begnügte sich damit, ihr Oberdeck durch seine Kugeln weitgehend freizufegen und Shane die Takelage in loderndes Feuer setzen zu lassen.

      Das genügte, um Panik bei den wenigen Überlebenden der spanischen Besatzung zu stiften. Sie versteckten sich unter der Back oder im Achterkastell, schrien sich gegenseitig sinnlose Befehle zu – und keiner wagte es, die lodernde Takelage zu löschen.

      Hasard sah es voll grimmiger Genugtuung.

      „Zwei Strich Backbord“, rief er dem venezianischen Rudergänger zu. „Wir ziehen an diesem Hund vorbei und knöpfen uns den nächsten vor.“

      Della Latta blickte überrascht zu ihm auf. Er hatte angenommen, Hasard würde nicht ruhen, bis die Karavelle sank.

      Hasard gab ihm durch einen Wink und ein Grinsen zu verstehen, daß er schon wußte, was er tat. Siri-Tong hatte sich umgedreht. Sie saß mit dem Rücken gegen das Schanzkleid gelehnt und mit ihrem entzückenden Po auf den Decksplanken und lud die Muskete nach. Ihr Blick verriet Hasard, daß sie längst begriffen hatte, was er vorhatte.

      Der Vorsteven der Galeasse richtete sich auf die mittlere spanische Karavelle. Unter den anfeuernden Rufen der Seewölfe und Siri-Tong-Piraten legten sich die Ruderer kräftiger ins Zeug. Hurtig tauchten die Riemen ins Wasser und zuckten rhythmisch wieder über die Oberfläche zurück. Sie trieben das Schiff schneller und schneller voran.

      In diesem Augenblick zündete der Boston-Mann drüben auf dem schwarzen Segler im Achterkastell einen der Brandsätze. Fauchend raste das Geschoß über das Amazonaswasser, bohrte sich in das Steuerbordschanzkleid und dröhnte, Holz, Eisen und Menschen wirbelten. Der Schuß saß. Er war mit Präzision vom Boston-Mann gezielt worden. Außerdem schossen die bronzenen Gestelle mit den chinesischen Raketen weiter und waren treffsicherer als Schiffskanonen.

      Hasards und Siri-Tongs Männer auf der Galeasse quittierten diesen Einsatz mit lautem Hurra. Und auch die Italiener und die Assurini, von diesem Kampfgeist angesteckt, jubelten.

      Siri-Tong lachte. „Thorfin Njal, dieser alte Haudegen! Er hat den Befehl gegeben, die Brandsätze zu verwenden, um uns im richtigen Moment zu unterstützen.“

      „Ja!“ rief Hasard zurück. „Die Spanier sind fassungslos!“

      Und Blacky schrie den Ruderern zu: „Vorwärts, weiter, Freunde, schneller, nur noch ein paar Yards, und wir haben sie, die verfluchten Philipps!“

      Die Verwendung des Rammsporns griff auf die Gefechtsmethoden des Mittelalters zurück. Erst später hatte man die Schiffe mit einer Armierung versehen, die ein Artilleriegefecht auf See zuließ. Lepanto war 1571 die Schlacht gewesen,


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